Von Dominique Bielmeier
Landkreis. Laminat aus Lampertswalde, Elektronik aus Riesa, Verpackungen aus Nossen oder Anhänger aus Großenhain: 47 Unternehmen aus dem Landkreis Meißen exportieren ihre Produkte laut Industrie- und Handelskammer (IHK) auch nach Großbritannien, eine Handvoll Firmen – darunter die Hegewald & Peschke Mess- und Prüftechnik aus Nossen, Howden Turbowerke aus Coswig und Ervin Industries aus Glaubitz – hat eigene Niederlassungen auf der Insel. Was bedeutet es für diese Unternehmen, wenn sich das Land nach dem Referendum seiner Bürger aus der Europäischen Union verabschiedet? Droht das gleiche Debakel wie mit den Russlandsanktionen, die die Handelsbeziehungen in manchen Fällen dauerhaft geschädigt haben?
Lars Fiehler, Sprecher der IHK Dresden, warnt vor Panikmache zum jetzigen Zeitpunkt. Großbritannien habe den Brexit ja noch nicht einmal offiziell erklärt, bis zum wirklichen Austritt könne es noch bis zum Jahr 2019 dauern. Es gebe auch noch keine Fälle, dass Verträge dadurch schon gekündigt oder Produkte nicht mehr abgenommen worden seien, erklärt er. Und das ist auch gut so. Das Land ist nämlich ein extrem wichtiger Exportmarkt. „Der dritte Platz für Großbritannien ist nicht hoch genug einzuschätzen“, sagt Lars Fiehler und meint, dass das Land nach China und den USA der wichtigste Absatzmarkt geworden sei – auch für Sachsen und den Landkreis Meißen.
Nur „indirekte Einflüsse“ erwartet
In den vergangenen Jahren habe sich Großbritannien für den sächsischen Außenhandel sehr gut entwickelt, weiß Fiehler. Vor allem die Automobilindustrie dominiert. „Zwei von drei Euro, die wir in Großbritannien umsetzen, werden im Fahrzeugbau umgesetzt“, erklärt Fiehler. Das seien einerseits fertige Fahrzeuge – BMW und Porsche aus der Messestadt Leipzig, VW aus Zwickau – aber auch viel Zulieferindustrie. Etwa jedes fünfte Auto von Porsche und BMW gehe nach Großbritannien. „Und das sind als Rechtslenker auch noch Sonderanfertigungen“, so Fiehler. „Die könnten dann nicht einfach woandershin verkauft werden.“ Deshalb sei man in Leipzig derzeit auch deutlich hellhöriger als in unserer Region, was mögliche Brexit-Folgen angeht, sagt Fiehler.
Eine Befragung der Unternehmen aus dem Landkreis hat ergeben: Das vorherrschende Gefühl ist Gelassenheit. Der Laminathersteller Kronospan sagt, der Brexit betreffe den Standort in Lampertswalde bisher in keinster Weise. Das Unternehmen hat ein Werk in Großbritannien. Kappus-Seifen aus Riesa exportiert nach eigener Aussage derzeit nicht in das Land. Geschäftsführer René Schröter erwartet durch den EU-Austritt weder negative noch positive Folgen für sein Unternehmen: Er rechnet nicht damit, „dass potenzielle Kunden künftig nicht mehr bei unseren kleinen Mitbewerbern in UK beziehen wollen und für uns daher zusätzliche Aufträge zu erwarten wären“.
Deutlicher äußert sich Ulrich Frickmann, Geschäftsführer der Howden Turbowerke GmbH: Da die Muttergesellschaft im Vereinigten Königreich sitze, werde dieser Markt von den Kollegen vor Ort und nicht von denen in Deutschland bedient – das Unternehmen erwartet jedoch indirekte Einflüsse: Anlagenbauer in Europa, die auch von Howden beliefert werden, werden weniger Projekte in UK akquirieren, außerdem wird sich das weltweite Wirtschaftswachstum verlangsamen.
Lars Fiehler streitet nicht ab, dass sich durch den Brexit Folgen für unsere Wirtschaft ergeben werden – und bereits ergeben haben. So ist das Pfund schwächer geworden. Dadurch werden Importe aus dem Euro-Raum teurer. „Das könnte dazu führen, dass wir in Großbritannien weniger umsetzen.“ Ähnlich war das bereits beim Beispiel Russland zu beobachten: Durch die Abwertung des Rubels sei es sehr teuer geworden, im Euroraum einzukaufen. Das Land habe sich deshalb teilweise Alternativanbieter in Südostasien gesucht. Auf kurze Sicht gebe es jedoch keine Statistiken dazu, wie sich das beim Pfund entwickeln könnte. Da Großbritannien aber ein wichtiger Absatzmarkt für die Wirtschaft sei – das Land habe in den vergangenen 20 Jahren „einen absoluten Deindustrialisierungskurs gefahren“ und sei auf Importe angewiesen – würden die Lobbyisten aus der Wirtschaft großen Druck auf die Politik ausüben, möglichst gute Spielregeln auszuhandeln. Dennoch: Ob nicht irgendwann Handelshemmnisse wie Zölle, Steuern oder Einschränkungen bei der Dienstleistungsfreiheit dazukommen, ist noch nicht gesagt. Fiehler bleibt trotzdem dabei: „Überstürzen muss man jetzt gar nichts.“