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Brückenbauer in schwieriger Zeit

Polens Bürgerrechtler und Ex-Premier Tadeusz Mazowiecki erhält den Görlitzer Brückepreis.

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Polens ehemaliger Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki erhielt gestern den Görlitzer Brückepreis. Wie die Brückepreis-Gesellschaft mitteilte, erhält er den Preis für sein Engagement um die deutsche Wiedervereinigung.

Der Politiker sei einer der bedeutendsten Brückenbauer des 20.Jahrhunderts in Europa, heißt es in der Begründung. Die Auszeichnung wurde am Abend in der ehemaligen Synagoge in Görlitz überreicht. Der 83-jährige Mazowiecki nahm den Preis persönlich entgegen. Die Laudatio hält der Alt-erzbischof von Opole (Oppeln), Alfons Nossol.

Der seit 1993 vergebene Brückepreis soll Verdienste um die europäische Verständigung würdigen. Der Preisjury gehören unter anderen die Bürgermeister der Nachbarstädte Görlitz und Zgorzelec sowie die in Görlitz residierenden Spitzenvertreter der beiden großen Kirchen an. Unter den früheren Preisträgern finden sich unter anderem bereits die polnischen Bürgerrechtler Adam Michnik (1995) und Wladyslaw Bartoszewski (2002), aber auch „Zeit“-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff und Sachsens ehemaliger Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Im vergangenen Jahr ging der Preis an den britischen Historiker und Buchautor Norman Davies. Der Brückepreis ist mit 2.500 Euro dotiert.

Der in diesem Jahr geehrte Tadeusz Mazowiecki wurde am 18. April 1927 in Plock, westlich von Warschau, geboren. Sein Vater war Arzt, seine Mutter Lehrerin. Mazowiecki studierte zuerst Rechtswissenschaften und arbeitete später als Journalist. Schon in den 1970er-Jahren opponierte er gegen das kommunistische Regime in Polen.

Anfang der 1980er-Jahre gehörte der überzeugte Katholik zu den wichtigsten Beratern der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc. Nach seiner Teilnahme am „Runden Tisch“ war er zwischen 1989 und 1990 für zwei Jahre Ministerpräsident und der erste Regierungschef in Osteuropa seit dem Zweiten Weltkrieg, der nicht einer Kommunistischen Partei angehörte. Im Jahr 1990 kandidierte er dann jedoch vergeblich für das Staatspräsidentenamt. Mazowiecki spricht gut Deutsch und trug nicht nur in seinen Regierungsämtern, sondern auch mit zahreichen Artikeln und Reden maßgeblich zur Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen bei.

Nach seinem Aufstieg zum Spitzenpolitiker nach der Wende war er während der Jugoslawien-Kriege als UN-Sonderberichterstatter auf dem Balkan tätig. Vergeblich mahnte er einen angemessenen Schutz der Flüchtlinge in Bosnien-Herzegowina an. Nach dem Massaker von Srebrenica trat er aus Protest zurück. (SZ)