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Brutale Prügelei nur Notwehr?

Mehrere junge Männer schlagen und treten in Coswig einen am Boden liegenden Mann. Sie wollen sich nur verteidigt haben.

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© SZ-Archiv/St. Schellhorn

Von Jürgen Müller

Coswig/Meißen. Es ist zum Glück keine aufregende Nacht, die Streifenfahrt der Meißner Polizisten führt sie routinemäßig nach Coswig. Doch dann passiert doch etwas. Plötzlich sehen sie mehrere Personen, die wild prügeln. Als die jungen Männer das Polizeiauto entdecken, rennen sie in alle Himmelsrichtungen davon. Aber nicht alle. Drei sind so sehr mit den Attacken gegen einen am Boden liegenden Mann beschäftigt, dass sie die Polzisten zunächst nicht bemerkten. Wie von Sinnen treten und schlagen sie auf den am Boden liegenden Mann ein, der vergeblich versucht, sein Gesicht mit den Händen zu schützen. Eine Frau mit auffällig blond gefärbten Haaren schreit hysterisch.

Der Polizist und seine Kollegin springen beherzt aus dem Auto. Jetzt werden sie auch von den Tätern bemerkt, die rennen weg, verfolgt von den Polizisten. Es gelingt ihnen nicht, die Schläger einzuholen, einer hat jedoch beim Treten einen Schuh verloren. Als die Polizisten zurück zum Tatort kommen, ist auch der Geschädigte verschwunden. Später können die Täter doch noch ausfindig gemacht werden. Wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung sitzen sie nun auf der Anklagebank des Meißner Amtsgerichtes.

Dort erzählen die drei 18, 21 und 22 Jahre alten Afghanen eine ganz eigenwillige Geschichte. Sie stellen das Ganze als Notwehr dar. Nachdem sie vom Fußballspielen kamen, hätten sie zu sechst zwei Flaschen Whiskey geleert. Auf dem Weg zum Bahnhof seien sie von zwei Russen angepöbelt und beleidigt worden. Ein Russe habe einen Kumpel geschlagen und auch gegen ihn ausgeholt, sagt der 22-Jährige. „Die Russen wollten Streit. Aber ich war schneller, habe mich gewehrt und ihm eine gegeben“, sagt er. Doch eigentlich habe er nur schlichten wollen.

Die beiden anderen geben sich völlig unschuldig. Sie hätten nichts gemacht. Bei der Polizei hatten sie noch zugegeben, dass auch sie geschlagen und getreten hätten. Aber auch sie hätten sich nur gewehrt, sagt er. Doch der Polizist erkennt die Täter alle drei eindeutig wieder, kann jedem konkrete Taten nachweisen. Weil er eingriff, sei er „Rassist“ genannt worden. „Wenn wir nicht gekommen wären, hätten die nicht aufgehört zu schlagen“, sagt er. Auch ein anderer Zeuge bestätigt, dass der am Boden liegende Mann von mehreren Personen unablässig geschlagen und getreten wurde. Das mit der Alkoholisierung kann nicht stimmen. Blutalkoholtests ergaben bei den Angeklagten Werte zwischen 0,14 und 0,4 Promille.

Staatsanwältin Sabine Greiffenberg glaubt den drei abgelehnten Asylbewerbern, die alle nur eine Duldung haben und teils mehrfach straffällig wurden, die Geschichte nicht. „Das war keine Notwehr, das war ein Exzess, eine Überreaktion“, sagt sie. Da der Geschädigte nicht auffindbar ist und noch selbst weglaufen konnte, geht sie zugunsten der Angeklagten von geringen Verletzungen aus, spricht von einem „minderschweren Fall“ der gefährlichen Körperverletzung, was geringere Strafen zur Folge hat. Normalerweise geht es bei sechs Monaten Haft los in solch einem Fall. Der Erwachsene wird so nur zu einer Geldstrafe von 1 800 Euro verurteilt. Die beiden Heranwachsenden werden nach Jugendstrafrecht schuldig gesprochen und zu 60 beziehungsweise 100 Arbeitsstunden verurteilt.

„Auch Sie haben sich an Recht und Gesetz zu halten. Sie sind Gäste in unserem Land. Auch jeder Deutsche wird wegen solch einer Tat verurteilt“, macht Richterin Ute Wehner den Angeklagten deutlich. Sie sehen bis zuletzt ihr Unrecht nicht ein. „Diejenigen, die wir zusammengeschlagen haben, wurden nicht festgenommen. Das ist nicht gerecht“, sagt einer.