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Buch voller Gold und geheimnisvoller Tiere

Das Schlesische Museum zu Görlitz präsentiert ein Faksimile des Breslauer Psalters von 1265. Am Freitag eröffnet die kleine Sonderschau.

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© nikolaischmidt.de

Von Ines Eifler

Man kann sich vertiefen in dieses kostbare Buch, das ab Freitag Abend im Schönhof zu sehen ist: in zahlreiche figürliche Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament, in die feinen Details, mit denen sie gestaltet sind, in etliche Kalenderbilder, Zierinitialen, Miniaturen um König David oder auch in dessen Psalmen, sofern Latein keine Hürde ist. Das wertvolle Buch ist ein bis ins kleinste Detail originalgetreues Faksimile eines noch viel kostbareren Buches: des Breslauer Psalters, der um 1265 am schlesischen Herzogshof in Breslau entstand und heute, vor der Öffentlichkeit verschlossen, im Fitzwilliam Museum in Cambridge aufbewahrt wird.

„Das Original ist so wertvoll“, sagt die Kunsthistorikerin Johanna Brade vom Schlesischen Museum, „dass es höchstens Wissenschaftler berühren dürfen.“ Es war vermutlich ein Brautgeschenk für die sächsische Prinzessin Helene, beauftragt durch Anna von Böhmen, die Schwiegertochter der Heiligen Hedwig von Schlesien. Sieben oder acht Künstler waren an der Herstellung beteiligt. Sie stammten unter anderem aus Byzanz, Italien, Thüringen und Sachsen und prägten den Psalter mit ihren Stilen. So finden sich in den Abbildungen orientalische Vögel, bunte Drachen, ringende Teufel oder Fabelwesen wie Sirenen und andere geheimnisvolle Tiere. Und die Geburtsszene Jesu ist in einer Höhle, nicht im Stall dargestellt, was eine byzantinische Herkunft des Motivs vermuten lässt. Der Breslauer Psalter diente sowohl als privates Gebetbuch als auch als Statussymbol und gilt als Glanzlicht europäischer Buchkunst.

Der Quaternio Verlag Luzern hat die 147 Blätter des Psalters jetzt in zweijähriger Arbeit erfasst und für eine limitierte Auflage von 700 Exemplaren so originalgetreu nachempfunden wie nur möglich. Der Duft eines 750 Jahre alten Buches ließ sich zwar nicht reproduzieren. Aber das Papier fühlt sich an und wellt sich so wie Pergament. Die Fingerabdrücke früherer Betrachter in den Ecken weisen darauf hin, welche Seiten diese am liebsten aufschlugen. Und kleine Löcher in den Seiten deuten auf Fraßspuren von Silberfischchen oder anderen Schädlingen hin, die am Pergament des Originals Geschmack fanden. „Wir haben versucht, den heutigen Zustand des Psalters nachzuempfinden, nicht den seiner Entstehung“, sagt Matthias Krüger vom Schweizer Quaternio Verlag. Deshalb seien Flecken und Schäden mit abgebildet. Auch der einfache braune Ledereinband des Buches entspreche dem des heutigen Originals. Offenbar sei das Buch ursprünglich größer gewesen als heute. Manche Ränder sind so knapp bemessen, dass Teile von Heiligen, Spitzen von Drachenschwänzen oder die goldenen Abschlüsse von Miniaturen fehlen. Vielleicht sei der wertvolle Einband im Laufe der Jahrhunderte verkauft worden und das Buch in das Standardmaß einer Bibliothek eingepasst und die Seiten beschnitten worden. Viel weiß man nicht über diese Geschichte, denn mehrere Jahrhunderte war der Psalter unbekannt, erst im 19. Jahrhundert tauchte er durch einen Verkauf aus einer privaten Sammlung auf.

Der Schweizer Verlag hat nun viel Aufwand betrieben, um ihn der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, in einem Faksimile, dessen Farben so leuchten und dessen Bilder so lebendig wirken wie im Original. Gold ist eins der Geheimnisse, durch das sich das Faksimile von einer einfachen Reproduktion unterscheidet. Werde Gold in einer Reproduktion zu Gelb oder Ocker, seien hier das Aufbringen des Goldes und der Patina eigene Schritte im Herstellungsprozess gewesen, sagt Matthias Krüger.

Zum ersten Mal nutzt das Schlesische Museum den Lichthof des Schönhofs für eine multimediale Ausstellung. Auf den Bildschirmen sind nun Filme und Präsentationen rund um den Breslauer Psalter zu sehen. Auf einem werden die Herstellungsschritte gezeigt, auf einem anderen werden Details des Psalters gezoomt. Einmal geht es um die europäischen Wege, die mit dem Breslauer Psalter verbunden sind: die der Künstler, die des Buches.

Am Freitag Abend wird die Sonderausstellung eröffnet, drei Wochen lang ist sie zu sehen. Danach erhält das Schlesische Museum ein Exemplar als Geschenk für seine Dauerausstellung. Im Buch blättern darf man aber nur in der Sonderausstellung.

Eröffnung: Freitag 19 Uhr im Schönhof; Vortrag u. Gespräch: Sonntag 15 Uhr; Kaffee & Kultur: Mittwoch 15 Uhr