Von Andre Anwar,Stockholm
Guten Morgen, Herr Staatsminister“, riefen aufgekratzte Journalisten dem bürgerlichen Spitzenkandidaten und Wahlsieger Fredrik Reinfeldt zu, als dieser nach einer langen Wahlnacht gestern früh mit einem breiten Lächeln sein Haus im Stockholmer Nobelstadtteil Täby verließ. Mit 48,1 Prozent erreichte Reinfeldts bürgerliche Allianz eine komfortable Mehrheit im Reichstag gegenüber dem linken Regierungslager mit 46,2 Prozent.
Rückzug aus der Politik
Dass selbst eine Regierung mit ausgezeichneten Wirtschaftsdaten (vier Prozent Wachstum) und niedriger Arbeitslosigkeit (5,7 Prozent) eine Wahl verlieren kann, bewiesen die Reichstagswahlen in Schweden eindrucksvoll. Göran Persson war den Tränen nahe, als er nach dem schlechtesten Ergebnis der Sozialdemokraten seit Einführung des allgemeinen Wahlrechts seinen Rückzug aus der Politik bekannt gab. „Ich liebe euch alle“, rief er zum Abschied seinen Parteigenossen zu. Jüngere sollten nun seine Partei übernehmen. Seit der Ermordung von Außenministerin Anna Lindh vor drei Jahren bleibt weiterhin unklar, wer dieser Aufgabe gewachsen sein könnte. Denn Perssons alles überschattende Dominanz in Regierung und Partei machte es bisher schwer für mögliche Nachfolger, sich zu profilieren.
Der kahlköpfige Vorsitzende der Moderaten Partei wird nun mit Hilfe seiner drei bürgerlich bis liberal orientierten Koalitionspartner Volkspartei, Zentrum und Christdemokraten in das Büro der Regierungskanzlei „Rosenbad“ einziehen – ein Arbeitsplatz, der in den letzten 74 Jahren fast ausschließlich Sozialdemokraten vorbehalten war. Deshalb gilt der Machtwechsel als tiefer Einschnitt. Denn anders als in der Regierungszeit des Konservativen Carl Bildt während der Wirtschaftskrise Anfang der 90er Jahre geht es dem Land gut, sodass es für Reinfeldts Regierung einfacher sein wird, sich zu behaupten.
Obwohl Schwedens Wirtschaft wächst, vermochte es Ministerpräsident Göran Persson nicht, dies für sich auszunutzen. Die Wahl war vor allem eine Personenwahl. Persson, der seit dem Versagen seiner Regierung beim Krisenmanagement der Tsunami-Katastrophe von einem Fettnäpfchen ins andere stolperte, gilt einem Großteil der Bevölkerung als altbackener, arroganter Herr, der in Fernsehduellen der letzten Wochen oft unsachlich und unfreundlich auftrat. „Viele Schweden mögen zwar aus Tradition die Rechte nicht, aber Göran Persson hat in der letzten Zeit einen so unglaublich unsympathischen, selbstgerechten Eindruck gemacht. Hätten die Sozialdemokraten einen anderen Spitzenkandidaten gehabt, sie hätten vielleicht gewonnen“, kommentierte ein schwedischer TV-Journalist.
Eine gewandelte Partei
Umfangreiche Privatisierungsvorhaben und drastische Steuersenkungen auf Kosten des Wohlfahrtsstaates werde es mit ihm als Premier nicht geben, hatte Reinfeldt vor der Wahl versprochen. Allerdings werden die Bürgerlichen die Arbeitslosenunterstützung deutlich kürzen, um damit Steuervergünstigungen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu finanzieren.
Reinfeldt weiß, dass das Mistrauen in Schweden gegenüber bürgerlichen Regierungen noch tief sitzt: Er wolle nun ein Premierminister für alle Schweden sein – auch für die, die ihn nicht gewählt haben, versprach er. Damit erteilte er in seiner Siegesrede den rechten Hardlinern in seiner Partei eine deutliche Abfuhr. Die Moderaten seien nun eine andere, eine neue Partei und werden dies auch während der vierjährigen Regierungszeit bleiben.S.4