Lebensmittel für zehn Tage, Wasser für fünf Tage. Die Bundesregierung hat ein neues Konzept für die Zivilverteidigung erarbeitet. Die Opposition warnt vor Angstmache.
Berlin. Die Bundesregierung hat Kritik aus der Opposition an ihrem neuen Konzept zur Zivilverteidigung zurückgewiesen. Ein Sprecher des Bundes-innenministeriums sagte am Montag in Berlin, das Konzept für das Vorgehen in Katastrophenfällen sei zuletzt 1995 aktualisiert worden.
Angesichts einer veränderten sicherheitspolitischen Lage sei seit langem geplant gewesen, dies neu zu überarbeiten. „Dieser Prozess ist ein langwieriger, ja ein langjähriger gewesen.“ Es handele sich keineswegs um eine Reaktion auf eine Bedrohungsanalyse der vergangenen Tage.
In dem 70-seitigen Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, werden die Bürger unter anderem aufgerufen, „einen individuellen Vorrat an Lebensmitteln für einen Zeitraum von zehn Tagen“ anzulegen. Die Linke hatte dies als Angstmache gewertet und der Regierung vorgeworfen, die Bürger mit immer neuen Vorstößen zu verunsichern.
Vieles, was nun diskutiert werde, sei nicht neu, betonte der Ministeriumssprecher. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zum Beispiel biete schon seit langem Hilfestellungen und Tipps, wie sich private Haushalte auf Krisenlagen vorbereiten könnten. „Das hat mit Panikschüren überhaupt nichts zu tun.“
Fragen & Antworten zum Konzept
Um welche Arten von Krisenfällen geht es?
Es geht unter anderem um Situationen, in denen die öffentliche Versorgung lahmgelegt ist. In denen etwa kein Trinkwasser mehr da ist, es keine Elektrizität gibt, Menschen nicht mehr an Lebensmittel kommen, ihre Häuser nicht verlassen dürfen oder Krankenhäuser in kürzester Zeit viele Verletzte aufnehmen müssen. Hintergrund können gezielte Angriffe auf Deutschland sein - militärische Attacken, Terroranschläge, Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen wie Energie- oder Kommunikationsnetze. Eine solche Lage kann aber auch nach Naturkatastrophen vorkommen.
Von welchen Bedrohungen geht die Bundesregierung aus?
Die zuständigen Ministerien richtigen ihre Planungen unter anderem auf mögliche Angriffe mit chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Stoffen, den Einsatz von Massenvernichtungswaffen, Cyberangriffe, den Einsatz von konventionellen Waffen sowie die Störung von kritischen Infrastrukturen wie Wasser- oder Elektrizitätswerke aus. Bei sogenannten hybriden Bedrohungen seien Besonderheiten wie eine Vielfalt offener und verdeckter Angriffe, unübersichtliche Schadensszenarien sowie „kurze oder gänzlich entfallende Vorwarnzeiten“ zur berücksichtigen.
Ist der Aufruf, dass Bürger Lebensmittelvorräte anlegen sollen, neu?
Nein. Die Behörden empfehlen seit langem, dass private Haushalte für den Krisenfall Vorräte für bis zu zwei Wochen anlegen sollten. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zum Beispiel hat Checklisten veröffentlicht, wie viele Vorräte - zum Beispiel Getränke (28 Liter), Getreideprodukte (4,9 Kilogramm) oder Gemüse (5,6 Kilogramm) - pro Person für 14 Tage nötig sind. Das Bundesernährungsministerium gibt seit langem online Tipps für private Notfallvorräte, bietet sogar einen „Vorratskalkulator“ an. Auch der Staat hortet in rauen Mengen Grundnahrungsmittel für den Ernstfall: Reis, Hülsenfrüchte, Getreide und Kondensmilch.
Was waren die Grundannahmen bei dem immer noch gültigen Konzept zur Zivilverteidigung aus dem Jahr 1995?
Das damalige Konzept war vor dem Hintergrund der sicherheitspolitischen Entspannung nach dem Ende des Kalten Krieges geschrieben worden. Damals sollten die „notwendigen Vorkehrungen an die verbesserte Sicherheitslage für die Landes- und die Bündnisverteidigung“ angepasst werden, heißt es in einem Bericht des Bundesinnenministeriums vom 27. Juni 1995. Ergänzend wird ausgeführt: „Die Anpassung berücksichtigt auch die angespannte Finanzlage des Bundes, die für eine Reihe von Jahren eine konsequent sparsame Haushaltspolitik erfordert.“
Was ist der Anlass für das neue Konzept?
Seit 1995 haben sich die Bedrohungsszenarien fundamental verändert. In den vergangenen 20 Jahren seien zudem bundeseigene Strukturen und Einrichtungen der Zivilen Verteidigung oft abgebaut oder durch die Nutzung der Katastrophenschutzressourcen der Länder ersetzt worden, heißt es in dem aktuellen Papier. So biete heute die „wachsende Verwundbarkeit der modernen Infrastruktur und die Ressourcenabhängigkeit moderner Gesellschaften (...) vielfältige Angriffspunkte“.
Was sieht die Bundesregierung in ihrem Konzept vor?
Das Konzept enthält eine Fülle von Prüfaufträgen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Bevölkerung bei einem Angriff ausreichend geschützt und ihre Versorgung sichergestellt werden kann. Zudem geht es darum, die Staats- und Regierungsfunktionen aufrechtzuerhalten sowie die Streitkräfte bei der Herstellung und Aufrechterhaltung ihrer Verteidigungsfähigkeit und Operationsfähigkeit zu unterstützen. Unter anderem muss sich das Technische Hilfswerk (THW) auf Veränderungen einstellen. So soll laut Konzept eine „Anpassung des Fähigkeitsprofils erfolgen, um die vorhandenen Bereiche Rettung und Bergung, Notinstandsetzung und Notversorgung (...) neu zu gewichten.“ (dpa)
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Die Bundesregierung soll das neue Konzept am Mittwoch im Kabinett beraten, Innenminister Thomas de Maizière (CDU) will die Pläne danach der Öffentlichkeit vorstellen. Der Sprecher sagte, er könne sich vorab nicht zu den Inhalten äußern. (dpa)