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Chance für das Palais Oppenheim?

Mit dem Bau der Lingnerstadt könnte auch das Haus der jüdischen Familie neu entstehen. Doch das finden nicht alle gut.

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© Wikimedia

Von Kay Haufe

Dresden. Diese Sehnsucht, wenigstens Teile der im Krieg zerstörten Städte wiederaufbauen zu können, nirgends in Deutschland ist sie größer als in Dresden. Und hat hier auch stets Nahrung bekommen, sei es mit der Semperoper, der Frauenkirche oder zuletzt mit dem Neumarkt. Nun gibt es eine neue Vision, die diese Sehnsucht greifbar macht: Der Wiederaufbau des Palais Oppenheim. Der prächtige Neorenaissancebau stammte von Gottfried Semper und stand an der Bürgerwiese 5-7. Am 13. Februar 1945 trafen ihn Bomben, er brannte aus. Die Außenmauern des Palais standen noch bis 1951. Trotz Bemühungen des Denkmalpflegers Hans Nadler wurden sie gesprengt, um einem Pionierhaus Platz zu machen, das nie gebaut wurde.

Doch inzwischen hat der Kasseler Investor Immovation das Robotron-Areal erworben und will mit der Lingnerstadt bis 2025 ein neues Wohnviertel hochziehen. Wäre das nicht ein geeigneter Zeitpunkt, um das Palais Oppenheim wieder ins Gespräch zu bringen?, fragte sich Lucas Müller, der Vorsitzende des Dresdner Gottfried-Semper-Clubs. Mit seiner Idee traf er den Nerv von Mitgliedern der Gesellschaft Historischer Neumarkt (GHND) ebenso wie der Bürgerinitiative Stadtbildd. Am Dienstagabend referierte Müller nun über das einstige Palais, seine jüdischen Bewohner und die Lage des Hauses an der Bürgerwiese.

Die Grenzen der neuen Lingnerstadt sind im Entwurf des Bebauungsplanes so gezogen, dass das Palais Oppenheim darin durchaus entstehen könnte, sagt Müller. Das Haus, 1845-48 im Auftrag des jüdischen Bankiers Martin Wilhelm Oppenheim gebaut, war zur damaligen Zeit gleich mehrfach ein Novum. Durften doch Dresdner jüdischer Herkunft erst seit 1837 Grundstücke erwerben und Bauherren werden. Mit dem Stadtpalais an der Bürgerwiese gelang Semper zudem einer seiner bedeutendsten Bauten in Dresden, die Vorbild für diese Stilrichtung in ganz Deutschland wurden. Schnell entstand hinter den Mauern ein Treffpunkt der feinen Dresdner Gesellschaft. Die Oppenheims, deren Tochter Elisabeth den Dresdner Maler August Grahl geheiratet hatte und mit ihm im Haus lebte, pflegten regen Austausch mit Künstlern und Wissenschaftlern dieser Zeit. Darunter Ludwig Tieck, Ernst Moritz Arndt, Alexander von Humboldt oder Fanny Lewald, um nur einige zu nennen. „Unser Wunsch wäre es, zur Fortführung der kulturellen Ausstrahlung, zur Erinnerung an diese schöpferische und erfolgreiche Zeit mit dem wiederaufgebauten Palais Oppenheim ein sächsisch-jüdisches Kulturzentrum zu schaffen“, sagte Lucas Müller im Namen des Gottfried-Semper-Clubs.

Allerdings sind die Aussichten, dass dieses Projekt umgesetzt wird, eher schlecht. Der Investor Immovation habe ablehnend auf die Anfrage reagiert, sagt Torsten Kulke, der Vorsitzende der GHND, der das Thema angesprochen hatte. Auch Dresdens Star-Architekt Peter Kulka, der Entwürfe für die Lingnerstadt angefertigt hat, sieht keinen Platz für die Rekonstruktionen einzelner Gebäude im Areal. Dazu kommt, dass der Aufbau des Palais Oppenheim zwölf bis 15 Millionen Euro kosten würde. Einen potenziellen Investor gibt es nicht.

Dabei würde das Palais, das 1870 von der Familie Kaskel-Oppenheim gekauft und umgebaut wurde und ab dieser Zeit den Namen Kaskel-Oppenheim trug, Stadtgeschichte erlebbar machen und sich gut in das Viertel einfügen, wie nicht nur Müller findet. Es würde an der Ecke zur Zinzendorfstraße auch eine Verbindung zur neueren Bebauung von Dresden haben.

Der Brunnen aus dem Oppenheim‘schen Garten schmückt heute übrigens den Außenbereich des Standesamtes auf der Goetheallee. Auch Teile von Reliefs aus dem Innern des Palais lagern noch im Lapidarium der Stadt. Das Dresdner Ingenieurbüro Bauer und Lauterbach hat auf Wunsch des Semper-Clubs eine Visualisierung der prächtigen, geschmückten Fassade angefertigt. „Es wäre doch schön, wenn bauliche Zeugnisse aus dem 19. Jahrhundert, als Dresden die größte Bedeutung in Europa hatte, wiederauferstehen würden“, sagte Müller. Und war mit dieser Meinung nicht allein unter den rund 30 Gästen im Neumarkt-Pavillon. Die Stadtverwaltung könne vom Investor doch verlangen, dass er seiner Verantwortung Dresden gegenüber nachkommt und Geschichtsträchtiges erhält, war der Tenor der Anwesenden. Ohnehin müsse man der Geschichtslosigkeit im Stadtplanungsamt, aber auch in großen Teilen der Dresdner Bürgerschaft, entgegenwirken, hieß es nach dem Vortrag.

Lucas Müller, selbst in seinem Arbeitsleben als Architekt tätig, will die Idee vom Palais Oppenheim nicht aufgeben. Dafür will er Kontakte zu Stadträten aufbauen, aber auch zu jüdischen Organisationen. „Dresden würden punktuell aufgebaute historische Gebäude guttun“, sagte er am Dienstag. Man müsse es zumindest versuchen, denn gesichtslose Bauten seien in den letzten Jahren schon genug entstanden.