Kamenz
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Chroniken der Tischfabrik gerettet

Deutschlands größter Tisch-Hersteller produzierte einst in Großröhrsdorf. Nun ist lange verschollenes Material dazu aufgetaucht.

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Arne Schiedt (Mitte) übergibt die Chronik an Bürgermeister Stefan Schneider (r.) und Museumsleiter Mathias Hennig.
Arne Schiedt (Mitte) übergibt die Chronik an Bürgermeister Stefan Schneider (r.) und Museumsleiter Mathias Hennig. © Stadt Großröhrsdorf

Großröhrsdorf. Lange Zeit war man im Heimatmuseum Großröhrsdorf in dem Glauben, dass mit dem Abriss der ehemaligen Tischfabrik auch die historischen Aufzeichnungen verloren gegangen sind. Ein kleiner Teil – Fotos und Katalog – konnte noch von einem einstigen Mitarbeiter geborgen werden, aber die Chroniken waren weg.

Bis zum Januar 2020, als der Radeberger Arne Schiedt sich meldete. Er habe große Mengen von Unterlagen der ehemaligen Tischfabrik Menzel, später zu DDR-Zeiten VEB und dann Sächsische Tisch-und Raumtechnik GmbH übernommen, ohne deren Rechtsnachfolger zu werden. Bei der offiziellen Übergabe erzählte er, wie es dazu kam. 2001 hatte Arne Schiedt eine Villa in der Heidestraße in Radeberg von Ralf Götzinger aus einer Versteigerung samt Grundstück und Inhalt übernommen. Vater und Sohn Götzinger übernahmen in den 1990er-Jahren die insolvente Tischfabrik aus der treuhänderischen Verwaltung. Ralf Götzinger war somit der letzte Inhaber und Geschäftsführer der Tischfabrik.

Im Keller gefunden

Ursprünglich war Arne Schiedt auf der Suche nach Unterlagen über die Villa, bis er im Keller mehr als 15 Kubikmeter Unterlagen zur ehemaligen Tischfabrik fand. Der Großteil waren Mahnbescheide, aber auch zwei ledergebundene Bücher und ein Katalog. Die handgeschriebene „Chronik des VEB Tischfabrik Großröhrsdorf OL“ beinhaltet die Jahre von 1949 bis 1961. Sie dokumentiert jedes einzelne Geschäftsjahr – welche Maschinen angeschafft wurden, ob es neue Mitarbeiter gab und wie die Produktion allgemein war. Das zweite ledergebundene Buch ist ein Fotoalbum mit Bildern des Gebäudes und der Belegschaft. Das dritte Stück ist ein alter Menzel-Katalog „Dresdner Tischfabrik Hermann Menzel“, ein Musterbuch von 1939.

Gegründet wurde die Dresdner Tischfabrik, wie sie damals hieß, am 1. Oktober 1892 von Herrmann Menzel. In der Waisenhausstraße 20 in Dresden begann die Produktion. 1903 zog die „Dresdner Tischfabrik Hermann Menzel“ nach Großröhrsdorf in eine ehemalige Bandfabrik. Hauptsächlich wurden hier Barock- und Renaissancetische und auch Tische im neuzeitlichen Stil hergestellt. Die Tischfabrik war nun in ganz Deutschland bekannt.

Spanplatte hält Einzug

Durch Fabrikanbauten konnten große Maschinensäle eingerichtet werden. So verließen 1938 rund 60 000 Tische die Firma. Sie avancierte zur größten Tischfabrik Deutschlands. Im Zweiten Weltkrieg war die Fabrik vorrangig für die Rüstung tätig. Gewehrschäfte, Munitionskisten und Bombenschlitten verließen das Werk. 1945 erfolgten die Enteignung und Demontage.

Ab 1949 begann, nun als „Volkseigener Betrieb“, erneut die Tischherstellung. Spanplatte als Werkstoff hielten Einzug in die Produktion. Der DDR-weit bekannte Hubtisch entstand 1963. 1969 wurde dann ein Kombinat gebildet. Die Tischfabrik gehörte fortan zu den Deutschen Werkstätten Hellerau. Zu dieser Zeit wurden jährlich über 90.700 Tische produziert. 1990 war die Gründung der „Sächsischen Tisch-GmbH“ unter treuhänderischer Verwaltung. Die spätere Privatisierung führte 1995 zur Schließung des Werkes, dann der Abriss.

Bürgermeister Stefan Schneider und die Mitglieder des Heimatvereins danken Arne Schiedt, dass dieses Stück Industriegeschichte gesichert wurde. Im Heimatmuseum seien die Stücke gut aufgehoben und sollen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Das Heimatmuseum hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Chronik mit dem vorhandenen Bildmaterial aus dem Fotonachlass zu komplettieren.

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