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Corona-Krise verfestigt soziale Ungleichheit

Kleine Wohnung ohne Garten: Für diese Familien sind die Beschränkungen besonders belastend, stellen Experten fest - und nennen Größenordnungen.

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Wer einen Balkon hat, kann sich jetzt besonders glücklich schätzen.
Wer einen Balkon hat, kann sich jetzt besonders glücklich schätzen. © Marcus Brandt/dpa

Wiesbaden. Die Beschränkungen in der Corona-Krise verfestigt nach einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) die sozialen Ungleichheit in der Gesellschaft. "Die Möglichkeiten, die Familien mit Kindern haben, sind sehr unterschiedlich", sagte BiB-Forschungsdirektor Martin Bujard in Wiesbaden am Donnerstag.

Fast jede dritte Familie in Deutschland habe keinen Zugang zu einem Garten. Insbesondere in Großstädten und Ballungsgebieten lebten zudem viele beengt in kleinen Wohnungen und hätten nicht so viele Möglichkeiten, in die Natur - Parks oder Wälder - auszuweichen wie auf dem Land. Geschlossene Kitas und Schulen seien zudem besonders für die rund 2,3 Millionen Kinder und Jugendlichen problematisch, bei denen Zuhause überwiegend eine andere Sprache als Deutsch gesprochen werde.

Mehr als 30 Prozent der Familien mit minderjährigen Kindern wohnten in einem Mehrfamilien- oder Hochhaus ohne Gartennutzung und rund 2,5 Prozent in einem Ein- oder Zweifamilienhaus ohne Gartenanteil, sagte BiB-Forscherin Inga Laß. Besonders benachteiligt seien Alleinerziehende: Nur knapp die Hälfte von ihnen könne einen Garten nutzen. "Mangelnde Bewegung, aber auch fehlender Zugang zu Tageslicht und frischer Luft kann sich negativ auf die psychische und körperliche Verfassung auswirken", sagte Bujard, der dadurch erhöhte Risiken für Schlafstörungen und sogar Depressionen sieht.

Botschaft "bleibt zu Hause" ist problematisch

Etwa ein Siebtel der Familien mit zwei Kindern unter 18 Jahren habe weniger als 80 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. In den Großstädten lebe sogar mehr als jede vierte Familie dieser Größe so beengt. Viele solcher Familien seien bereits an oder über ihrer Belastungsgrenze, insbesondere wenn sie im Homeoffice arbeiteten, die Kinder zu Hause seien und frische Luft und Bewegung fehlten. "Damit steigt auch die Gefahr für Konflikte, weil Familien sehr unterschiedlich mit dieser großen Stresssituation umgehen", sagte der Wissenschaftler. "Gerade diese Menschen sind gegenwärtig mehr denn je auf den öffentlichen Raum angewiesen."

Anders als in Ländern wie Italien und Spanien sei in der Corona-Krise Bewegung und Sport im öffentlichen Raum in Deutschland zwar erlaubt, solange die Abstände gewahrt blieben. Die Aufforderung etwa über das Fernsehen "Bleibt zu Hause!" trage aber mit dazu bei, dass viele dies nicht ausreichend nutzten. Bujard regt an, lieber an die Kontaktbeschränkungen und die Abstandsregelungen zu appellieren.

Zwar werde in rund der Hälfte aller Haushalte von Menschen mit Migrationshintergrund überwiegend Deutsch gesprochen, sagte Bujard mit Blick auf ältere Zahlen von 2018. Mehr als jedes fünfte Kleinkind (unter drei Jahre) spreche zu Hause aber vor allem eine andere Sprache, meist Türkisch, Arabisch oder Russisch. Von den Drei- bis Fünfjährigen gilt dies noch für knapp jedes Fünfte. "Sie zahlen einen besonders hohen Preis für die Schließung, weil sie beim Spracherwerb zurückfallen." (dpa)

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