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Impfpflicht: Massive Kritik an Bautzens Vize-Landrat

Udo Witschas (CDU) hatte am Montag angekündigt, die Impfpflicht im Gesundheitswesen nicht umzusetzen. Das hat er zurückgenommen. Doch der Ärger bleibt groß.

Von Ulli Schönbach & David Berndt & Gunnar Saft
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Udo Witschas (CDU) hat am Montagabend bei einer Versammlung angekündigt, das Betretungsverbot für ungeimpfte Mitarbeiter des Gesundheitswesens im Landkreis Bautzen nicht umzusetzen.
Udo Witschas (CDU) hat am Montagabend bei einer Versammlung angekündigt, das Betretungsverbot für ungeimpfte Mitarbeiter des Gesundheitswesens im Landkreis Bautzen nicht umzusetzen. © sächsische.de

Bautzen. Vize-Landrat Udo Witschas (CDU) steht schon bereit, als 2.000 Demonstranten am Montagabend durch die Bautzener Innenstadt ziehen. Trotz Sprühregen und Temperaturen leicht über Null sind sie zusammengekommen, um gegen die Corona-Impfpflicht zu demonstrieren, die ab dem 16. März für Gesundheitsberufe gelten soll. Ihr Ziel ist das Bautzener Landratsamt in der Bahnhofstraße.

Witschas, der auch für das Gesundheitsamt zuständig ist, hat vorab mit den Anmeldern verabredet, dass er zu den Demonstranten sprechen wird. Er habe vor allem deren Sorgen zerstreuen wollen, wird er am nächsten Tag erklären. Denn in den Pflegeheimen im Landkreis Bautzen gärt es. Nach einer Übersicht von Dezember ist bislang nur reichlich die Hälfte der Mitarbeiter gegen Corona geimpft. Am Montagnachmittag warnen Vertreter von Kliniken, Wohlfahrtsverbänden, Rettungs- und Pflegediensten im Landratsamt vor einem Notstand. Wenn man wegen der Impfpflicht nur zehn Prozent der Mitarbeiter verliere, sei die Versorgung nicht mehr gewährleistet.

"Das Verhalten von Herrn Witschas ist inakzeptabel"

Vize-Landrat Witschas greift diese Situation in seiner kurzen Rede vor dem Landratsamt auf. Dann sagt er einen Satz, der von den Demonstranten in Bautzen gefeiert wird, der am Abend und am Tag darauf aber bundesweite Empörung auslöst. Das ihm unterstehende Gesundheitsamt – verkündet Witschas – werde "unseren Mitarbeitern im Landkreis Bautzen im Pflege- und medizinischen Bereich kein Berufsverbot … Betretungsverbot" aussprechen. Das heißt: Der Landkreis Bautzen setzt die Impfpflicht in den Gesundheitsberufen de facto nicht um. Rechtsextreme Gruppen wie die Freien Sachsen verbreiten das Statement des Kommunalpolitikers noch am Abend per Video und feiern es als Erfolg.

Am Tag darauf wird Witschas, der im Juni für seine Partei als Landratskandidat antreten will, diese Aussage relativieren. Die harschen Reaktionen, die auf ihn und die Kreisverwaltung einprasseln, kann er da schon nicht mehr stoppen. Die Landesdirektion fordert eine umfangreiche Stellungnahme an, die er auch beantwortet.

Auch die eigene Partei ist verärgert. Sachsens CDU-Generalsekretär Alexander Dierks stellt klar: "Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist als Bundesgesetz beschlossen und tritt im März in Kraft. Ausnahmen sieht das Gesetz nur punktuell auf die Besonderheit der einzelnen Einrichtung bezogen vor."

Wesentlich deutlicher wird Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD): "Das Verhalten von Herrn Witschas ist inakzeptabel." Man dürfe nicht zulassen, dass zum Rechtsbruch aufgerufen wird. Witschas belüge die Menschen, wenn er den Eindruck erwecke, er könne entscheiden, eine gesetzliche Regelung anzuwenden oder auch nicht.

Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) bekräftigt: "Wir reden hier über ein Bundesgesetz, das gilt." Gemeinsam mit anderen Bundesländern will Sachsen weiter an einem Erlass zur Umsetzung der Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegeberufe arbeiten. Darin sollen auch Handlungsspielräume geregelt sein. Die notwendige Versorgungssicherheit habe "oberste Priorität". Versorgungssicherheit heiße aber nicht nur, dass genug Personal vorhanden sei, sondern auch, dass Bewohner und Bewohnerinnen sicher sind - auch durch den Impfschutz beim Personal.

Zustimmung erhält Witschas von einem lokalen Kreistagsabgeordneten seiner Partei, und von der sächsischen AfD-Fraktion. Thomas Thumm, Sprecher für Regionalentwicklung, fordert alle Landkreise auf, dem Bautzener Vorbild zu folgen. Die Bautzener Bundestagsabgeordnete Caren Lay (Die Linke) twittert hingegen bereits am Montagabend: Wer sich mit Querdenkern einlasse, dürfe in Bautzen nicht Landrat werden. Franziska Schubert, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, fragt, ob Witschas nicht ein Fall für die Rechtsaufsicht sei.

Im Bautzener Landratsamt war man am Dienstag von den Reaktionen völlig überrascht. Erst nach mehreren Stunden veröffentlicht die Kreisbehörde eine Stellungnahme: Die durch den Bundestag beschlossene Impfpflicht werde im Landkreis Bautzen umgesetzt. Allerdings stehe die Versorgungssicherheit in Kliniken, Heimen und beim ambulanten Pflegedienst an erster Stelle. "Die Sorge vieler Beschäftigter, dass am 16. März 2022 automatisch ein Tätigkeitsverbot gilt, besteht und sollte mit den Ausführungen von Herrn Witschas zur Versammlung entschärft werden", heißt es weiter.

Dieser spricht am Dienstagnachmittag in seinem Büro in einem deutlich anderen Ton als noch am Vorabend. "Das Gesundheitsamt kann Betretungsverbote aussprechen." Das eröffne Ermessensspielraum und man müsse dann abwägen. "In unserer Abwägung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass die zuständigen Verantwortlichen in den Einrichtungen uns sagen: ,Wenn weiteres Personal abhandenkommt, dann haben wir ein erhebliches Problem.''' Das wäre ein erster Schritt in einem Stufenplan, mit dem der Landkreis Bautzen diese Impfpflicht umsetzen wolle. Jeder Einzelfall werde geprüft. Die Versorgungssicherheit stehe dabei immer ganz oben.

Dass die Sorge darum durchaus berechtigt ist, sieht auch Sascha Bock. Er ist als Geschäftsführer der Oberlausitz Pflegeheim & Kurzzeitpflege für mehrere Pflegeeinrichtungen und 530 Mitarbeiter im Landkreis Bautzen verantwortlich und war an den Gesprächen im Landratsamt beteiligt. "Jeder Mitarbeiter der geht, würde uns fehlen."

Auch Landrat gegen die Impfpflicht

Bereits am Montagnachmittag hatte sich der Bautzener Landrat Michael Harig (CDU) in einem Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gegen die Impfpflicht im Gesundheitswesen ausgesprochen und darum gebeten, sich auf Bundesebene für eine entsprechende Änderung einzusetzen.

Der Bundestag hatte im Dezember die Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitswesen beschlossen. Demnach müssen diese bis spätestens zum 15. März ihrem Arbeitgeber einen gültigen Impf- bzw. Genesenen-Nachweis oder eine ärztliche Impfbefreiung vorlegen. Die Gesundheitsämter können dann Betretungsverbote für Mitarbeiter aussprechen, die solche Nachweise bei ihren Arbeitgebern nicht vorgelegt haben.

Die angemeldete Versammlung in Bautzen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht zog unter anderem über die Äußere Lauenstraße in Richtung Landratsamt.
Die angemeldete Versammlung in Bautzen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht zog unter anderem über die Äußere Lauenstraße in Richtung Landratsamt. © sächsische.de

Dieser Beitrag wurde um 17.46 Uhr aktualisiert.