Uwe Schubert bereitet einen Umzug vor. Nein, nicht seinen eigenen. Es handelt sich um die Pomeranzen von August. Zwar sind es nur die Nachfahren jener Orangenbäume, die der Kurfürst einst in Italien kaufte. Doch geht es ihnen im Dresdner Zwinger jetzt mindestens ebenso gut wie damals. So gut, dass sie aus ihren Gefäßen herauswachsen und neue brauchen. Uwe Schubert ist der Mann, der sie baut.
In Pirnas altem Kasernenviertel, da, wo einst die Pferde der königlich-sächsischen Artillerie ihren Hafer fraßen, fressen heute die Sägen der Böttcherei Schubert Eichenbohlen. Die Firma ist eine Rarität. In ganz Deutschland gibt es nur rund sechzig Betriebe, die Fässer, Kübel und Bottiche nach alter Art aus Langhölzern zusammensetzen. Vor zehn Jahren waren es noch neunzig. Die meisten Handwerker je Bundesland findet man in Bayern. 18 Firmen arbeiten dort. Auf Platz zwei folgt, mit acht Betrieben zwar abgeschlagen aber immerhin, Sachsen.

Die Schuberts sind Böttcher in vierter Generation. Uwe Schubert ist guter Dinge, dass er in drei Jahren das 120-Jährige feiern kann. Dass es so kommt, war nicht ausgemacht. Uwe Schubert hat Elektromechaniker gelernt. Er tingelte durchs Land und reparierte zahnmedizinische Gerätschaften. So recht gefiel es ihm aber nicht, an Speibecken und anderen unappetitlichen Dingen herumzuschrauben. Als die Frage aufkam, ob er die väterliche Werkstatt übernehmen wolle, sagte er ja und ging beim Senior noch mal in die Lehre. "Tja. So sind wir bei der Böttcherei geblieben."
Läuft und läuft: Urgroßvaters Kreissäge
Die Firma ist klein. Drei Angestellte, ein Nebenjobber, und der Chef. Ein Chef alter Schule. Kalkulationen schreiben, skizzieren, Maße ausrechnen, das macht er mit Papier und Stift. Die Digitalisierung überlässt er Elke, seiner Frau. Er selbst hat es damals, zur Wendezeit, irgendwie verpasst, sich mit Computern anzufreunden. Und jetzt? Keine Zeit, keine Nerven. Er ist lieber draußen, am Sägegatter, zerteilt Eichenstämme, oder geht in die Werkstatt, "Qualitätssicherung betreiben".

Die Werkstatt ist eine Welt, in der trotz Absaugrüssel immer und überall Späne fliegen. Viele davon erzeugt die alte Formatkreissäge. Uwe Schubert glaubt, dass sie zu den ältesten noch im Dienst befindlichen ihrer Art zählt. Urgroßvater Paul schenkte sie Großvater Paul zur Eröffnung seiner Pirnaer Firma. Das war 1940. Und bis heute läuft sie, leicht modernisiert, oder "verschubertet", wie der Chef sagt, und produziert nahezu sämtliche Hölzer, die später mal ein Kübel werden.
Schlösser und Gärten geben dem Böttcher Brot
Böttcher sind bekannt als Fassmacher. Doch das klassische Fass stellen die Schuberts schon länger kaum noch her. Die Nachfrage ist so gut wie erloschen. Zwar sieht man hinter den Werkbänken ein halbes Dutzend angefangener Großfässer stehen. Wann er die gebaut hat, weiß Uwe Schubert aber schon gar nicht mehr. Wahrscheinlich für die Show, auf einem Handwerkermarkt. Er müsste sie mal fertig machen, irgendwann. "Wenn ich mal richtig Arbeitswut habe."

Momentan richtet sich die "Arbeitswut" der Schuberts auf ihr Kerngeschäft, das sie in den 1970er- und 1980er-Jahren entwickelt und nach der Wende ausgebaut haben: den Bau hölzerner Pflanzkübel. Abgesehen von einem gelegentlichen Badezuber oder Regenfass sind die Bottiche für Zierpflanzen das tägliche Brot geworden. Staatliche Schlösserbetriebe, Parks und Stiftungen zählen zu den besten Kunden. Bis zu drei Viertel der Aufträge erhält die Böttcherei aus öffentlicher Hand.
Entscheidend: Die Kunst der Fuge
So wie die vierzig neuen Töpfe für die Zwinger-Pomeranzen. Der Großteil steht schon fertig in der Werkstatt, auf Paletten geparkt, damit sie der Gabelstapler zum Lackieren bringen kann. Ohne Maschinen lassen sich Gefäße dieser Dimension kaum noch bewegen. Dabei sind die Zwingertöpfe mit sechzig Zentimetern Öffnung nicht mal besonders groß. Gerade hat Uwe Schubert ein Gefäß mit 1,70 Metern Durchmesser kalkuliert. Das würde eine Masse von vier- bis fünfhundert Kilo bedeuten.

Ein bisschen Holz, ein bisschen Bandeisen, ein paar Nieten, Fasshaken, etwas Kleber - das reicht Uwe Schubert, um seine Sachen herzustellen. Die wichtigste Zutat aber ist die Erfahrung, "das Feeling", wie er sagt. Man muss sich auf zwei Werkstoffe zugleich verstehen, auf Holz und Metall. Zwar ist ein Pflanzkübel kein Dichtgefäß wie etwa ein Weinfass. In Sachen Genauigkeit lässt der Böttcher trotzdem keine Luft ran. Die Fuge muss passen, sagt er, erst dann ist das Produkt wirklich schön.
Ein Heringsfass für den König
Die Fuge will aber nicht immer so, wie der Handwerker will, auch wenn Maschinen und Lehren beim Zuschnitt der Langhölzer helfen. Maschinen sind Universalwerkzeuge. Doch jedes Holz hat sein eigenes Leben. Das einzukalkulieren, sagt Uwe Schubert, ist die Kunst, damit am Ende die perfekte Rundung entsteht. Selbst das richtige "Feeling" gibt dafür keine Garantie. "Kleine Korrekturen können immer passieren."

Das Interesse für Böttcherwaren schwankt. Es geht mal hoch, mal runter, wie eine Welle, sagt Uwe Schubert. Sein Betrieb hat alle Varianten erlebt, vom komplett leeren Auftragsbuch als die D-Mark kam bis zum Hochbetrieb mit durchgemachten Wochenenden. Corona ist eine neue Variante. Was sie bringt, weiß er nicht. Noch ist die Auftragslage gut. Doch werden Gärten und Museen ohne Besucher und Events noch genug Geld für Pflanzkübel haben? Werden die Leute noch Bottiche für ihre Exoten kaufen, wenn sie wieder zu den richtigen Palmen fliegen können?
Und - das klingt jetzt abwegig: Werden die Leute noch genug Bismarckhering essen? Seit etwa 15 Jahren liefert Uwe Schubert Eichenholzfässchen für die Zweieinhalb-Kilo-Portion eingelegten Ostseeherings an die Firma Rasmus in Stralsund, dort ein beliebtes Präsent für Jubilare und hohe Gäste. George W. Bush hat ein Heringsfass gekriegt, König Haakon, Angela Merkel sowieso. Jetzt geht Fischhändler Henry Rasmus in Rente. Doch sein Nachfolger will die Fass-Idee beibehalten, meldet er am Telefon. "Alles geht weiter wie immer." Insgeheim hofft er wohl, es möge mit der jährlichen Weihnachtsstollensendung von Uwe Schubert an die See auch so sein.
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