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Frauenkirchen-Vesper wohl nur drinnen

Sachsens evangelische Kirche will Kirchen zum Fest nachts offen halten. Die große Vesper in Dresden wird wohl anders. Ein Gespräch mit Bischof Bilz.

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Die Weihnachtliche Vesper vor der Dresdner Frauenkirche steht in diesem Jahr auf der Kippe.
Die Weihnachtliche Vesper vor der Dresdner Frauenkirche steht in diesem Jahr auf der Kippe. © Archivbild: kairospress

Die Beschränkungen zur Bekämpfung der Coronapandemie wirken sich auch auf Kirchen aus. Weihnachtsgottesdienste und Christvespern werden anders gestaltet als bislang. Nicht alles Bekannte ist derzeit möglich. Die Sächsische Zeitung sprach dazu mit dem sächsischen Bischof Tobias Bilz, der seit März an der Spitze der evangelisch-lutherischen Landeskirche im Freistaat steht.

Herr Bischof, wie werden Sie Weihnachten feiern?

Für einen Pfarrer spielen die Weihnachtsgottesdienste eine große Rolle. Wir wissen noch nicht ganz genau, unter welchen Bedingungen sie stattfinden. Ich werde in der Dresdner Kreuzkirche sein, dort gibt es zwei Christvespern hintereinander – unter Einschränkungen. Am ersten Feiertag bin ich in der Kapelle des Diakonissenkrankenhauses in Dresden. Ich freue mich auf die Gottesdienste.

Sind die denn möglich?

An diesem Freitag will das sächsische Kabinett die neue Coronaschutzverordnung beschließen. Alles läuft darauf hinaus, dass es nicht leichter wird. Aber es gibt auch den erklärten Willen überall, dass man Weihnachten nicht zerstören will. Wir haben bereits jetzt Gottesdienste, in denen der Abstand von 1,50 Metern Standard ist. Besucher tragen die ganze Zeit die Maske. Es wird gar nicht oder nur verkürzt gesungen.

Was bedeutet das für die Advents- und Weihnachtszeit?

Wir überlegen gerade noch, wie man sich einen Weihnachtsgottesdienst ohne das Singen von Stille Nacht vorstellen kann. Allgemein gesagt: Es wird voraussichtlich auf kurze, etwa halbstündige Gottesdienste mit wenigen Besuchern herauslaufen. Dafür werden mehrere Gottesdienste angeboten, mit Masken und Abstand. Noch offen ist, ob es überhaupt Krippenspiele geben kann. Man kann ja ein Krippenspiel schlecht mit Maske machen. Die Teilnehmerzahlen orientieren sich an der Raumgröße der Kirchen.

Wird es die traditionelle Christvesper vor der Dresdner Frauenkirche am 23. Dezember geben?

Im Moment sieht es nicht so aus. Diejenigen, die das sonst vorbereiten, sagen: Wir können die Zugänge zum Neumarkt nicht so kontrollieren, dass das Abstandsgebot eingehalten wird. Bislang kamen dort jeweils etwa 15.000 bis 20.000 Menschen zusammen. Derzeit laufen die Planungen für eine Innenveranstaltung in der Frauenkirche. Dort kann der Zugang kontrolliert werden, es soll auch eine Fernsehübertragung geben.

Tobias Bilz (56) ist Bischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens. Seit 1991 ist der gebürtige Sachse Pfarrer.
Tobias Bilz (56) ist Bischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens. Seit 1991 ist der gebürtige Sachse Pfarrer. © dpa/Ronald Bonß

Das alles stellt Pfarrer und Gemeindemitarbeiter vor große Herausforderungen.

Derzeit planen alle mit A-, B- und C-Varianten, je nachdem wie Ende Dezember die Lage sein wird. Eine Idee, die wir in der Landeskirche umsetzen werden, möchte ich dabei hervorheben: Die, dass man in der Christnacht die Kirche einfach offen hält. Dass man nicht sagt, wir machen viele Veranstaltungen, wo dann sowieso nicht alle kommen können, sondern: Die Kirche ist geöffnet, es gibt Kerzen, es gibt womöglich einzelne Stationen, an denen man vorbeigeht und beten kann. Vielleicht gibt es in Abständen Musik. Und das geht bis in die Nacht hinein und wird mit Familienfeiern zu verbinden sein. Ich könnte mir vorstellen, dass das viele Menschen tröstet und ihnen das Fest erhält.

In anderen Bundesländern gibt es Pläne für Gottesdienste in Stadien oder gar im Zuschauerbereich einer Skisprungschanze.

Wir denken darüber nach, sind aber nicht sicher, ob das rechtlich geht. Gottesdienste sind bei uns bislang auf kirchliche Räume oder kirchlichen Grund und Boden orientiert. Auf öffentlichen Plätzen gelten Regeln, die Zusammenkünfte einschränken. Wenn das für Gottesdienste geändert wird, ergeben sich natürlich viele neue Möglichkeiten. Wir sind etwa in Kontakt mit den Veranstaltern des Langlauf-Weltcups am Dresdner Elbufer, ob die dortige Zuschaueranlage genutzt werden kann. Letztlich passt das irgendwie zu Weihnachten: Das ist auch eine Geschichte vom Unbehaustsein, dass man irgendwo unterkommt, damals eben in einem Stall.

Hat sich Kirche durch Corona verändert? Suchen mehr Menschen Hilfe – oder ziehen sie sich zurück, weil Angebote nur mit Einschränkungen möglich sind?

Das ist gar nicht so einfach zu messen. Aber viele Leute fragen in der Krise mehr nach Glauben und Gott. Es gab eine ARD-Umfrage, wonach die Fragen nach Sinn und Glauben um 50 Prozent gestiegen sind. Die Pandemie wird doch als nachhaltige Störung des normalen Lebensflusses erlebt. Menschen fangen an darüber nachzudenken, was Lebenswerte wie Gemeinschaft und Kommunikation sind. Es wird auch verstärkt gefragt, welchen Wert das Menschsein an sich hat. In der ersten Pandemiephase hatte ich ein kleines Internetformat. Ich habe nichts Besonderes gemacht – aber die Vielzahl an Reaktionen konnte ich kaum bewältigen. Die Menschen haben eine ganz große Sehnsucht danach, dass ihnen jemand in der Krise ein Wort der Ermutigung gibt. Und ich denke, es sind ganz viele dabei, die sonst gar nicht zur Kirche gehen würden.

Zur Kirche gehört ja auch das Gemeindeleben. Hat das sehr gelitten? Unter anderem wurden Konfirmationen verschoben.

Ja natürlich. Wir sprechen in der Kirche von Hochverbundenen, wenn wir von Menschen reden, die regelmäßig Gottesdienste besuchen und Angebote in der Gemeinde wahrnehmen oder organisieren. Sie erleben das alles als schweren Verlust. Wir müssen uns fragen: Wie können wir dafür sorgen, dass die Kirche in der Gesellschaft eine positive Rolle spielt, Zusammenhalt stiftet, Menschen ermutigt, in der Not zusammenzurücken? Das ist eine andere Form von Gemeinschaft, die drückt sich eben nicht nur in Zusammenkünften aus. Die drückt sich auch dadurch aus, dass man jemanden anruft, jemandem einen Brief schreibt. Wir dürfen als Kirche nicht nur darauf achten, ob unsere Veranstaltungen stattfinden. Wir müssen auch schauen, wie es den Menschen um uns herum geht.

Das Gespräch führte Thilo Alexe