Neue Phase in der Dresdner Impfkampagne

Dresden. Der Impfmotor stottert, vor allem in Sachsen. Es ist das einzige Bundesland, in dem weniger als die Hälfte der Menschen durchgeimpft sind. Die Stadt Dresden versucht nun, mit dem Impfstoff dorthin zu gelangen, wo viel los ist – vor Baumärkte, in Parks, in Einkaufszentren. Aber geht dieser Plan auf? Und wie verteilen sich die bisherigen Impfungen auf Rentner, Jugendliche und den großen Rest? Das ist der aktuelle Stand der Corona-Impfaktion mit exklusiven Zahlen des Robert-Koch-Instituts.
Stottert die Impfaktion auch in Dresden?
Ja, Dresden ist von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Im Impfzentrum, in den Hausarztpraxen, bei den Betriebsärzten, in den Krankenhäusern und über die mobilen Teams haben bis einschließlich Sonntag 269.416 Menschen mindestens eine von zwei Impfungen erhalten, 244.533 von ihnen verfügen bereits über einen vollständigen Impfschutz (Zweitimpfung, Einmalimpfung mit Johnson & Johnson, Einmalimpfung für Genesene), teilt das Robert-Koch-Institut mit.
Wie stark das Interesse nachgelassen hat, sieht man erst, wenn man auf die wöchentlichen Impfzahlen schaut. So haben in der letzten Juni-Woche noch 12.548 Menschen in Dresden eine Erstimpfung erhalten, in der letzten Juli-Woche, also in der vergangenen Woche, waren es nur noch 4.114. Zu beachten ist, dass es sich nicht ausschließlich um Dresdner handelt, die sich in der Stadt haben impfen lassen. So durften auch Einwohner anderer Kreise das Impfzentrum in der Messe nutzen. Umgekehrt hatten auch Dresdner die Möglichkeit, ihr Impfzentrum in Sachsen frei zu wählen.
Woran liegt das?
Einen Mangel an Impfstoff gibt es jedenfalls nicht mehr. Dafür gibt es andere Gründe. Zum einen haben die Sommerferien begonnen und viele Menschen, die sich vielleicht noch impfen lassen möchten, befinden sich im Urlaub. Auch einen nicht unerheblichen Teil an Unentschlossenen dürfte es noch geben.
Auf der anderen Seite herrscht Skepsis gegenüber einer Corona-Schutzimpfung. Einer repräsentativen Studie der TU Dresden zufolge, die Mitte Juni veröffentlicht wurde, wollen sich 17 Prozent der Einwohner nicht impfen lassen. Die Impfskepsis in der Landeshauptstadt liegt damit im sächsischen Mittelfeld. So ist die Impfbereitschaft in Leipzig sowie im Landkreis Leipzig, aber auch in den Kreisen Meißen, Zwickau und Vogtland höher, während die meisten Skeptiker in den Landkreisen Bautzen (31 Prozent), Görlitz (30 Prozent) und im Erzgebirge (28 Prozent) leben, so die Forscher um den Politikwissenschaftler Professor Hans Vorländer. Die höchste Impfbereitschaft zeigt sich in der Altersgruppe 60 plus. Die Befragung fand Mitte Mai statt.
Wie viele Ältere sind geimpft?
In Dresden haben sich bis einschließlich Sonntag 114.904 Menschen im Alter von über 60 Jahren ein erstes Mal impfen lassen, 109.615 von ihnen sind auch schon ein zweites Mal geimpft. Wie gesagt, nicht alle von ihnen kommen aus Dresden. "Auch wenn viele ältere Menschen ihre Corona-Impfung bereits erhalten haben: Es gibt noch reichlich Impflücken bei Menschen, die zu Hause gepflegt werden", teilt das Gesundheitsamt mit. "Kommt niemand zum Impfen in die Wohnung, bleiben sie ungeimpft." Durch Vorerkrankungen sei das Risiko nach wie vor hoch, an Corona schwer zu erkranken.
"Das Argument, dass die Patienten nicht mehr nach draußen können und somit das Ansteckungsrisiko gering sei, ist falsch. Denn das Virus kann unbeabsichtigt in die Häuslichkeit kommen: durch pflegende Angehörige, ambulante Pflegedienste, Einkaufshelfer oder ähnliche unterstützende Personen sowie Besucher und Nachbarn – auch wenn alle geimpft wären."
Der Leiter des Gesundheitsamtes, Frank Bauer, rät daher dringend: "Angehörige und nahestehende Personen sollten auf die behandelnden Ärzte zugehen, wenn Pflegebedürftige noch nicht geimpft sind." Auch die Wohlfahrtsverbände oder das Deutsche Rote Kreuz (DRK) seien geeignete Ansprechpartner. "Mobile Impfteams könnten hier helfen."
Dem RKI zufolge müssen über 85 Prozent
der zwölf- bis 59-jährigen Bevölkerung und 90 Prozent der Senioren durch eine
Impfung geschützt sein, um das Coronavirus im Herbst in Schach zu halten. In Dresden leben aktuell rund 153.200 Menschen, die 60 Jahre und älter sind.
Wie viele Jugendliche sind schon geimpft worden?
Offiziell dürfen auch Kinder ab zwölf Jahren gegen das Coronavirus geimpft werden. Die mRNA-Impfstoffe sind für sie zugelassen. Doch was die Empfehlung für solch eine Impfung angeht, herrscht gerade Chaos. Die Gesundheitsminister der Länder sowie die Sächsische Impfkommission raten Eltern jetzt generell dazu, die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut wiederum nur, wenn Kinder und Jugendliche unter Vorerkrankungen leiden.
Fest steht: In Dresden sind bereits 3.790 Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren geimpft worden, 3.021 von ihnen haben schon einen vollständigen Impfschutz. Dabei handelt es sich nicht nur um junge Menschen mit Vorerkrankungen. Dabei sind auch Pflegekräfte-Azubis und Angehörige des Rettungsdienstes, die wegen ihrer Arbeit ein erhöhtes Risiko haben, sich anzustecken.
Bringen die mobilen Impfaktionen der Stadt etwas?
Durchaus. Die Stadtverwaltung und das DRK haben bereits mehrere mobile Impfaktionen organisiert. Die erste fand vorletzte Woche vorm Hygienemuseum statt, im Umfeld eines Dynamo-Spiels und der Museumsnacht. Genau 186 Menschen ließen sich impfen. Auch vor den Obi-Baumärkten in Seidnitz und Weißig hat der Impfbus Stopp gemacht. In Weißig ließen sich am Freitag 183 Menschen immunisieren, in Seidnitz waren es sogar 267, teilt das Gesundheitsamt auf Nachfrage mit.
Seit diesem Montag wird auch im Sozialamt geimpft. Dort erhielten am ersten Tag 80 Menschen eine Impfung. So viele, dass der Impfstoff alle war. Seit diesem Dienstag wolle man nun 100 Dosen am Tag bereithalten. Auf die Frage, ob damit insbesondere ältere ungeimpfte Dresdner angesprochen werden, erklärt Frank Bauer: "Die Inanspruchnahme ist altersgemäß gemischt und das ist auch die erklärte Zielstellung der Angebote. Es wird kein Fokus auf eine bestimmte Altersgruppe gewählt. Jede Person, die sich für eine Impfung entscheidet, ist herzlich willkommen."
Wird der Impfbus weiter durch Dresden touren?
Ja. Weiter geht es an diesem Sonntag. Von 10 bis 16 Uhr wird der Impfbus im Alaunpark am Eingang Bischofsweg halten. Die Impfung ist kostenfrei, ein Termin ist nicht nötig. Mitzubringen sind die Chipkarte, der Personalausweis oder Pass sowie, falls vorhanden, der Impfausweis. Den Aufklärungs- und Anamnesebogen gibt es vor Ort. Geimpft wird der Impfstoff von Johnson & Johnson. Hier reicht eine Spritze aus. Auch das Vakzin von Biontech/Pfizer sei vorhanden. In diesem Fall ist ein zweiter Termin nach drei Wochen notwendig. Dieser kann im Dresdner Impfzentrum am Messering wahrgenommen werden. Ein Erinnerungskärtchen wird ausgegeben.
Geimpft wird auch am nächsten Montag und Dienstag, 8. und 9. August, im Johannstädter Kulturtreff. Zeit: 10 bis 17 Uhr. Wer sich hier für Biontech/Pfizer entscheidet, erhält die Zweitimpfung am 30. oder 31. August ebenfalls im Kulturtreff.
Die weiteren Termine des Impfbusses sind:
- Mittwoch, 11. August, bis Samstag, 14. August: Centrum-Galerie, Trompeterstraße 5, 10 bis 17 Uhr
- Donnerstag, 19. August: Prohliszentrum, 10 bis 17 Uhr
- Freitag, 20. August: Sachsen Forum, Merianplatz 3, 10 bis 17 Uhr
"Lassen Sie sich impfen", sagt Gesundheitsbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke). "Wir sollten die Sommermonate dafür nutzen, denn jetzt ist genug Impfstoff für alle da." Für viele würden in den Sommerferien Reisen anstehen, doch der Herbst rücke näher und die Delta-Variante breite sich weiter aus.
"Wir alle sollten für uns
abwägen, was wir wollen: erneut strengere Maßnahmen und Schließungen oder eine
Vermeidung dessen." Das Argument vieler, die Skepsis gegenüber der Impfung
haben, was die Langzeitfolgen anbelangt, sollten sich auch bewusstmachen, "dass
wir nicht wissen, was Corona langfristig mit uns macht", so Kaufmann weiter. "Wir
sollten uns durch die niedrigen Fallzahlen nicht in Sicherheit wiegen. In
Dresden ist die Delta-Variante mittlerweile die vorherrschende Variante."
Welche Angebote gibt es noch?
Neben dem Impfbus, den Haus- und Betriebsärzten hat auch das Impfzentrum in der Messe weiterhin geöffnet. Dort kann man sich mit und ohne Termin impfen lassen. Die Spontan-Impfung haben bisher 5.190 Menschen in Anspruch genommen, teilt das DRK mit.