Dresden. Es muss etwas anders werden. So kann es nicht weitergehen. Zwar bin ich in selbstgewählter Quarantäne, dank Homeoffice und gut geplantem Lebensmitteleinkauf jede Woche mehrere Tage am Stück. Und doch muss ich ab und zu mal raus. Manchmal lässt sich nicht vermeiden, dass der Abstand zu fremden Menschen dabei kleiner ist als die allseits bekannten 1,50 Meter.
Ich kann mir auch nicht verkneifen, die Möglichkeiten zu nutzen, die sich jetzt noch für Treffen mit Freunden oder Verwandten bieten. Natürlich nur dann, wenn auch sie sich kerngesund fühlen. Zu diesen Möglichkeiten gehören auch mal eine Flasche Bier oder ein Becher Glühwein im Freien. Mit Abstand natürlich, was selbst beim Zuprosten gut funktioniert.
Trinkt man jetzt bei einstelligen Temperaturen einen Glühwein, kann man die Aerosolverteilung nach jedem Schluck gut beobachten. Kommt noch ein kühles Lüftchen um die Ecke, wird schnell klar: 1,50 Meter können auch zu wenig sein. Doch man muss schon suchen, um einen geeigneten Ort für ein solches Abendvergnügen zu finden.
Zwar gibt es in Dresden inzwischen viele Lokale und Buden, die Weißen oder Roten "to go" anbieten. Doch manche meiner Favoriten sind keine Alternative mehr. Zu viele Besucher, zu wenig Abstand. Von "to go" kann keine Rede mehr sein. Wenige Meter entfernt vom Ausschank bleiben die Menschen wie angewurzelt stehen, bilden dichte Trauben und verteilen ihre Aerosole großzügig in der Umgebung.
Ich habe jetzt ein Lokal gefunden, das anders ist. Dort seien schon mehrfach Polizei und Ordnungsamt zur Kontrolle gewesen, sagte die freundliche Frau am Zapfgerät, reichte mir den bestellten Becher Glühwein und forderte mich dann auf, sofort zu gehen. Genau so habe ich es gemacht und mir erst einen Sitzplatz gesucht, als ich ihr die nächste Bestellung längst nicht mehr zurufen konnte.
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Genau dorthin werde ich das nächste Mal wieder gehen, obwohl mir manch anderer Ausschank ähnlich lieb ist. Aber so kann es ja nicht mehr weitergehen. Wenn die Corona-Zahlen ähnlich hoch bleiben, dann droht Dresden weiter die 200er-Inzidenz. Also 200 Infizierte auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen.
Passiert das an fünf Tagen hintereinander, ist Schluss mit dem Glühweinvergnügen "to go". Dann ist der freundlichen Verkäuferin nicht einmal mehr erlaubt, mir bis 20 Uhr einen Becher des leckeren Heißgetränks durchs Bar-Fenster zu reichen.
Das darf nicht passieren und würde letztlich vor allem diejenigen treffen, die uns diese bittere Zeit mit ihrem Engagement versüßen: die Wirte und Geschäftsleute, die alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, um uns auch im Advent 2020 ein wenig Weihnachtsvorfreude zu bescheren. Prost!
An dieser Stelle schreiben Redakteure der Dresdner Stadtredaktion aus ganz persönlicher Sicht über Gedanken, Beobachtungen und Erfahrungen aus dem Alltag im Lockdown.
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