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Wie lässt sich eine Impfpflicht kontrollieren?

Gesundheitsminister Lauterbach plädiert für eine Impfpflicht, aber gegen ein Impfregister. Österreich ist an dieser Stelle weiter.

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Spritzen mit dem Biontech-Impfstoff in Dresden: Kommt die Impfpflicht? Und wie könnte man das kontrollieren?
Spritzen mit dem Biontech-Impfstoff in Dresden: Kommt die Impfpflicht? Und wie könnte man das kontrollieren? ©  Archiv: dpa/Robert Michael

Von Maria Kotsev

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plädiert für eine allgemeine Impfpflicht - allerdings ohne ein nationales Impfregister, das erst geschaffen werden müsste. „Wir können die Impflicht auch monitorieren ohne Impfregister“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag im Deutschlandfunk. Er warne davor, auf ein Register zu setzen. „Der Aufbau eines Impfregisters dauert lange und ist auch datenschutzrechtlich nicht unumstritten.“

In einem Impfregister könnte digital und zentralisiert der Impfstatus der Bevölkerung in Deutschland dokumentiert werden. Es würde Auskunft geben über geimpfte und zu impfende Personen.

Doch ein solches Register aufzubauen, gehe nicht ohne einen „größeren zeitlichen und kapazitätsmäßigen Aufwand“, sagt Hans-Jürgen Papier. Der Jurist und frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts ist skeptisch, wie Sanktionen im Falle eines Verstoßes gegen die Impfpflicht durchgesetzt werden könnten. Ohne ein zentrales Impfregister blieben Impfverweigerer den Behörden in aller Regel unbekannt. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sieht neben der Zeit- auch die Datenschutzfrage kritisch.

Marco Buschmann sieht die Umsetzung eines nationalen Impfregisters skeptisch
Marco Buschmann sieht die Umsetzung eines nationalen Impfregisters skeptisch © Michael Kappeler/dpa (Archiv)

Er sagte der FAZ bereits Ende Dezember, dass er „bei nationalen Registern, die Daten über die gesamte Bevölkerung speichern“, stets zurückhaltend sei. Er bezog sich auf Datenschützer, die „befürchteten hier den Einstieg in einen umfassenden Zugriff des Staates auf alle Gesundheitsdaten der Bürgerinnen und Bürger“.

Wie berechtigt sind die Datenschutzbedenken bei der Debatte um das Impfregister?

Gregor Thüsing sieht im Datenschutz im Gegensatz zum Justizminister keine Hürde bei der Umsetzung eines Impfregisters. Thüsing ist Jurist und Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn. „Der Datenschutz darf kein Vorwand sein, wenn die Politik keine Verantwortung übernehmen will“, sagt Thüsing dem Berliner "Tagesspiegel". Wenn ein Impfregister unter Abwägung des zeitlichen Aufwandes beschlossen würde, würde sich der Datenschutz nicht querstellen, erläutert Thüsing.

„Er zwingt uns, ein Impfregister möglichst datensparsam zu gestalten, aber er will es nicht verhindern.“ In der Praxis hieße das, es müsse gesetzlich festgeschrieben werden, welche Daten gespeichert werden dürfen und wer zu welchen Zwecken Zugriff auf das Register hätte.

Auch der Deutsche Ethikrat hatte sich für ein „datensicheres Impfregister, das die Umsetzung von Impfpflichten, aber auch die Einhaltung von Impfterminen generell erleichtern würde“ ausgesprochen und es als Bedingung für eine Impfpflicht befürwortet. Die Vorsitzende Alena Buyx betonte aber auch, dass es immer wieder überprüft werden müsse.

Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, befürwortet ein zentrales Impfregister.
Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, befürwortet ein zentrales Impfregister. © Archiv: dpa/Michael Kappeler

Gregor Thüsing sagt nämlich auch: „Ein solcher Datenschatz verlockt immer zu mehr Zugriff. Das muss unterbunden werden, wo die Zecke dann doch nicht reichen.“ Skeptisch würde er etwa den Zugriff von Krankenkassen zu Werbezwecken sehen. Oder etwa die Frage, ob bei Menschen, die sich aufgrund von Vorerkrankungen nicht impfen lassen dürfen, jene Erkrankung im Register gespeichert werden dürfte. Selbst eine Verwendung der Daten zu Forschungszwecken könne problematisch sein und müsse genau diskutiert werden, sagt Thüsing.

Dürfte die Wissenschaft auf die Daten eines Impfregisters zugreifen?

Etwas anders äußert sich in dieser Frage ein Sprecher des Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI). Auch er hält ein Register für datenschutzkonform umsetzbar. Allerdings sei es aus seiner Sicht „allein für die Impfpflicht-Prüfung sicherlich nicht verhältnismäßig, da diese auch anders kontrolliert werden könnte“. Als weiteren Zweck nennt der BfDI-Sprecher etwa „bestimmte medizinische Forschung“. Allerdings sei „jetzt zunächst die Politik gefordert, die erläutern muss, was mit einem Impfregister erreicht werden soll“. Der BfDI stehe dann bereit, zu konkreten datenschutzkonformen Lösungen zu beraten.

Doch diese Fragen sollten eine Umsetzung nicht aufhalten, findet wiederum Datenschutzrechtler Thüsing. „Wer sagt, ein Impfregister ist nicht umsetzbar, der sollte zumindest mal einen Blick ins Ausland werfen. Österreich hat schon vor einigen Jahren ein zentrales Impfregister eingeführt. Weder die Europäische Kommission noch der Europäische Gerichtshof haben dies bislang beanstandet. Wir würden also gar kein datenschutzrechtliches Neuland betreten, sondern ein erprobtes Modell übernehmen“, sagt Thüsing.

Wie setzt Österreich die Impfpflicht und das Impfregister um?

Der österreichische Gesundheitsausschuss debattierte am Montag über einen Gesetzesentwurf zur Impfpflicht. Demzufolge soll sie zum 1. Februar in Kraft treten und für alle Österreicher:innen ab 18 Jahren gelten – und nicht, wie ursprünglich geplant, ab 14 Jahren. Ausgenommen sind Schwangere, Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können und Genesene, bei denen eine Infektion weniger als 180 Tage zurückliegt.

Wer ab dem 15. März gegen die Impfpflicht in Österreich verstößt, riskiert ein Bußgeld von bis zu 3600 Euro. Stichprobenartige Kontrollen sollen aber erst ab Mitte März durchgeführt werden. Und auch das nationale Impfregister soll erst ab März zur Kontrolle herangezogen werden. Die technischen Gegebenheiten des Systems seien noch nicht so weit, als dass praktikable Zugriffe auf die Daten gerade möglich wären, erklärt Katharina Paul. Sie ist Politikwissenschaftlerin an der Universität Wien und erforscht Impfdebatten und die Wirkung von Impfregistern auf die öffentliche Gesundheit.

Österreich hat bereits Erfahrung mit Impfregistern. Vor der Coronapandemie führten die Bundesländer dort ihr eigenes Impfregister, in dem lediglich Wohnort, Alter und Geschlecht von Geimpften erhoben wurden. Doch auch über die Einführung eines nationalen, zentralen Impfregisters wurde in Österreich schon früh diskutiert. 2012 schaffte dort der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen dafür. Als die Coronapandemie begann, entschloss man sich, das bundesweite Register als Pilotprojekt an den Start zu bringen.

Doch auch im Nachbarland hätte es vor der Einführung Bedenken gegeben, sagt Katharina Paul. „Auch in Österreich hatten Datenschützer vor der Einführung große Bedenken, deshalb hat die Einführung hier auch so lange gedauert.“ Zudem sei die Erstellung eines zentralen Registers sehr zeitaufwendig und müsse je nach Bedarf und politischer Zielsetzung ausgebaut werden.

Aktuell plant die österreichische Bundesregierung im Corona-Impfregister Daten wie den vollständigen Namen, das Geschlecht, Geburtsdatum, das Impfdatum und den Impfstoff für jede Impfung festzuhalten. Zugriff auf die Daten hätten dann Bezirksbehörden, der Bundesgesundheitsminister, der Dienstleister der elektronischen Gesundheitsakte „ELGA“, Krankenhäuser sowie Amts- und Epidemieärzte. Sie können damit die Impfpflicht kontrollieren und Bürger:innen Erinnerungen an bevorstehende Impfungen zu schicken. Kritisiert wird an dem österreichischen Modell, dass es keine „Opting Out“-Möglichkeit gibt, also Bürger:innen einem Eintrag ins Impfregister nicht widersprechen können. „Hier steht das Gemeinwohl über dem Individualdatenschutz“, erklärt Paul.

„Der Staat muss nicht warten, dass die Leute zu ihm kommen.“

Als Vorteile von Impfregistern sieht Paul vor allem die Möglichkeit, Ungeimpfte zu Impfungen einzuladen. „Dann muss der Staat nicht darauf warten, dass die Leute herkommen, um sich impfen zu lassen, sondern kann sie direkt ansprechen und auffordern.“

Zudem ließen sich dann viel schneller Impfdaten ausrechnen. In Deutschland werden Impfdaten anonymisiert über die Krankenkassen erfasst und liegen durch diesen Meldeprozess erst etwa mit einem halben Jahr Verzögerung vor. Auch die Erfassung von etwaigen Nebenwirkungen wäre zum Beispiel durch eine Kombination von Impfregister und Patientenakte leichter und schneller möglich.

All die Vorteile bedeuteten aber nicht, dass Datenschutzbedenken komplett ausgeräumt wären, sagt Paul weiter. Vielmehr sei die Ausgestaltung von Impfregistern auch immer davon abhängig, wie in dem jeweiligen Land Impfungen organisiert werden und wie viel Vertrauen die Bevölkerung in staatliche Institutionen hege, sagt Paul.

„In nordischen Ländern, wie Dänemark, herrscht ein größeres Vertrauen in den Staat. Dort werden mehr Daten im Impfregister gesammelt, als in Österreich.“ So können etwa in Dänemark Behörden und Wissenschaftler auf Impfdaten in Kombination mit Patientenakten zugreifen. Letztendlich sei ein transparenter Umgang mit den Daten der entscheidende Faktor, sagt Katharina Paul.