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Welcher Abstand zur Zweitimpfung ist ideal?

Neue Empfehlungen für die verschiedenen Impfstoffe gegen das Coronavirus verwirren. Was Mediziner und Hersteller raten.

Von Steffen Klameth
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Spritzen mit verschiedenen Wirkstoffen sind im Impfzentrum Dresden zu sehen.
Spritzen mit verschiedenen Wirkstoffen sind im Impfzentrum Dresden zu sehen. © dpa/Robert Michael

Astrazeneca für alle: Was in Sachsen bereits Praxis ist, soll nun auch für ganz Deutschland gelten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gab gestern bekannt, dass die Priorisierung für den Impfstoff mit der offiziellen Bezeichnung Vaxzevria offiziell aufgehoben wird. Gleichzeitig regte er an, den Zeitraum zwischen Erst- und Zweitimpfung zu verkürzen. Aber ist das überhaupt möglich? Ein Blick auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) beim Robert Koch-Institut (RKI) – und in die Beipackzettel der Hersteller.

Wer entscheidet, welcher Impfstoff in welchem Abstand gegeben wird?

Grundsätzlich ist der Impfarzt dafür verantwortlich, erklärt Dr. Patricia Klein, Ärztliche Geschäftsführerin der Sächsischen Landesärztekammer. Dabei orientiere er sich an der Zulassung der Europäischen Arzneimittelagentur, der Stiko-Empfehlung sowie aktuellen wissenschaftlichen Studien beziehungsweise Datenauswertungen – aber auch „am einzelnen Patienten und seiner Immunkompetenz.“

Wie groß ist derzeit der Abstand zur Zweitimpfung bei Astrazeneca?

Für den Impfstoff von Astrazeneca empfahl die Stiko bisher einen Abstand von zwölf Wochen zwischen Erst- und Zweitimpfung. Der wesentliche Grund für diese lange Zeitspanne war die Hoffnung, auf diese Weise in kürzerer Zeit mehr Menschen mit einer Grundimmunisierung versorgen zu können. Doch negative Schlagzeilen haben den Ruf des Vakzins des schwedischen Herstellers arg beschädigt. Nach Hinweisen zu ernsten Nebenwirkungen, insbesondere vereinzelt aufgetretenen Hirnvenenthrombosen, wurde die Anwendung des Impfstoffs zunächst gestoppt, dann aber wieder freigegeben – allerdings nur für ältere Menschen, die zuvor gar nicht zur relevanten Gruppe gehörten. „Damit ist es gelungen, einen guten Impfstoff in Verruf zu bringen“, sagt Ingrid Dänschel, Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Hausärzteverbandes.

Die Folge spüren die Hausärzte: Viele Patienten lehnen Vaxzevria ab, die Impfzentren in Sachsen bieten ihn nur noch für die Zweitimpfung an. Damit ist eingetreten, was man unbedingt vermeiden wollte: Ein Impfstoff wird zum Ladenhüter – obwohl noch Millionen Menschen auf ihre Corona-Schutzimpfung warten. Die Freigabe für alle und das verkürzte Impfintervall könnten dazu beitragen, die Situation zu entspannen. Aus Sicht des Herstellers spricht jedenfalls nichts dagegen: Astrazeneca gibt für die Zweitimpfung einen Abstand von vier bis zwölf Wochen an.

Wieso ist jetzt im Gespräch, auch den Abstand bei Biontech zu ändern?

Anders sieht es beim Impfstoff Comirnaty von Biontech/Pfizer aus. Der Hersteller rät im Beipackzettel zu einem Impfintervall von drei Wochen, was vielfach auch so praktiziert wird. Doch weil nicht genügend Lieferungen in den Praxen ankommen, bestehe nun „die Gefahr, dass nicht alle anstehenden Zweitimpfungen mit dem Biontech-Impfstoff innerhalb der von der Stiko empfohlenen Frist von drei Wochen stattfinden können“, teilte die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KVS) am Mittwoch in einem Rundschreiben an alle Hausärzte mit. KVS-Chef Klaus Heckemann verband dies mit der Bitte, das Impfintervall notfalls bis auf die von der Zulassung gedeckten sechs Wochen auszudehnen.

Tatsächlich gibt es diesen Spielraum: Auch die Stiko hat – abweichend von der Empfehlung des Herstellers – ein Impfintervall von sechs Wochen vorgeschlagen. Länger sollte es allerdings nicht dauern. Denn von einer Kreuzimpfung – also Zweitimpfung mit einem anderen Impfstoff – rät Biontech/Pfizer im Produktblatt ausdrücklich ab.

Patricia Klein von der Landesärztekammer verweist darauf, dass es zu Impfstoffwechseln (heterologe Impfung) bisher lediglich erfolgreiche Tierversuche gebe und Studien bei Menschen liefen. Eine Ausnahme gelte in Deutschland lediglich für unter 60-Jährige nach einer Erstimpfung mit Astrazeneca.

Wie groß soll der Impfabstand bei Moderna sein?

Eine gewisse Flexibilität beim Impfintervall haben Ärzte auch beim zweiten zugelassenen mRNA-Impfstoff von Moderna. Im Beipackzettel des US-amerikanischen Herstellers heißt es: „Nach der ersten Dosis Covid-19 Vaccine Moderna sollten Sie 28 Tage später eine zweite Dosis des gleichen Impfstoffs erhalten, um die Impfung abzuschließen.“ Die Stiko plädiert dagegen für einen Abstand von sechs Wochen, also 42 Tage – wohl auch wegen des begrenzten Angebots. Lediglich beim Impfstoff Janssen von Johnson & Johnson erübrigt sich diese Frage: Zwar handelt es sich dabei – wie bei Vaxzevria – um einen Vektorimpfstoff. Allerdings genügt hier eine Spritze.

Was ist, wenn ich nicht noch mal mit Astrazeneca geimpft werden soll?

Unterdessen geht die Diskussion um den Impfstoff von Astrazeneca weiter. Die Stiko stellte jetzt klar, die Verabreichung von Vaxzevria an Patienten unter 60 Jahren sei „nach ärztlicher Aufklärung und bei individueller Risikoakzeptanz durch den Patienten möglich.“

Gleichzeitig empfehlen die Experten des RKI für Personen unter 60, die bereits ihre Erstimpfung mit Vaxzevria erhalten haben, in einer Übergangsphase die zweite Impfung mit einem mRNA-Impfstoff von Biontech oder Moderna durchzuführen. Dabei sei auch ein kürzeres Intervall als zwölf Wochen möglich – wenn es „aus logistischen Gründen“ erforderlich sei. An Impfkapazitäten mangelt es jedenfalls nicht, stellte Sachsens Ärztekammerpräsident Erik Bodendieck in dieser Woche wieder fest: „Einziger limitierender Faktor ist nach wie vor der Impfstoffmangel.“