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Corona: Wann endet das Impfchaos in Dresden?

Eine Corona-Impfung in Dresden zu bekommen, hat derzeit viel mit Glück zu tun - und mit Geduld. Das soll sich bald bald ändern. Was geplant ist.

Von Julia Vollmer & Sandro Rahrisch
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Vor dem Dresdner Rathaus hat sich am Mittwochmorgen erneut eine lange Schlange an Impfwilligen gebildet.
Vor dem Dresdner Rathaus hat sich am Mittwochmorgen erneut eine lange Schlange an Impfwilligen gebildet. © Bettina Klemm

Dresden. Samstag, 11 Uhr, Hörsaalzentrum an der TU Dresden: Fünfeinhalb Stunden hat das Deutsche Rote Kreuz (DRK) an diesem Tag für die mobile Impfaktion auf dem Campus angesetzt. Manfred Schaschek hat sich diesen Termin im Internet herausgesucht. Er leidet unter Asthma und will seine Booster-Impfung abholen, sagt er. Bei seinem Hausarzt stehe er auf einer Warteliste. Doch im Hörsaalzentrum angekommen, wird er von einem Plakat gestoppt.

Die Impftermine für diesen Montag seien bereits alle vergeben, man solle sich nicht mehr anstellen, ist darauf zu lesen. "Eine vor Ort angetroffene ältere Dame erklärte mir, dass man bereits früh um 6 Uhr in größerer Zahl angestanden hat", so der über 60-jährige Dresdner. Schon um 9.30 Uhr wären rund 200 Impftermine zeitlich gestaffelt vergeben worden. Um 11 Uhr habe das Team dann begonnen, diese Termine abzuarbeiten. "Sehr viele Impfwillige wurden mit uns zusammen abgewiesen."

Schaschek fragt sich: "Warum werden die Impfzentren nicht zügig wiedereröffnet, mit einer Terminvergabe online?" Das System habe doch funktioniert. "Es war genug Zeit dafür, das Ganze wieder hochzufahren. Bei einer Tsunamiwarnung fangen die Schutzvorkehrungen doch auch nicht erst an, wenn die Welle da ist."

Tatsächlich sollen die Impfkapazitäten schon in den nächsten Tagen deutlich nach oben gefahren werden. Was genau geplant ist, wie viele Dresdner ihre Booster-Impfung bereits erhalten haben und ob Ältere bisher das Nachsehen hatten - das ist das Wichtigste zum Impfen in Dresden im Überblick.

Wie sollen mehr Menschen in Dresden geimpft werden?

Zunächst einmal soll das alte Impfzentrum in der Dresdner Messe reaktiviert werden. Die Rede ist nun von einer "Impfstelle". Das DRK sei derzeit mit dem Wiederaufbau beschäftigt, sagte Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) am Dienstag. Die Mietverträge seien auch schon abgeschlossen. Ein konkretes Startdatum nannte sie allerdings nicht. Was einen Termin angeht, so hält sich auch das DRK bedeckt. Man befinde sich in einer Planungs- und Umsetzungsphase, so DRK-Sprecher Kai Kranich.

Darüber hinaus werden die mobilen Impfteams aufgestockt und sollen ab dem 1. Dezember in ganz Sachsen 9.000 Impfungen am Tag durchführen. Das entspreche laut Köpping einer Verdreifachung der bisherigen Kapazität. Eine weitere Aufstockung werde aktuell vorbereitet.

Außerdem stellt das Land Sachsen der Landeshauptstadt Dresden vier Millionen Euro zur Verfügung, um die Impfaktion auszuweiten. Das Geld soll unter anderem als Anreiz für pensionierte Ärzte und Pflegekräfte genutzt werden, für begrenzte Zeit wieder in den Dienst einzusteigen und zu impfen, so Köpping. Denn genug Impfstoff gibt es, allerdings fehlt es an Personal. Damit die Stadt selbst zusätzliche Impfungen organisieren kann, werde derzeit eine Verwaltungsvereinbarung vorbereitet, die alles auf rechtssichere Füße stellt.

Köpping betont, dass es sich dabei um eine ergänzende staatliche Maßnahme handelt. Hauptträger der Impfungen seien nach wie vor die niedergelassenen Ärzte, die Krankenhäuser und die Betriebsärzte. "Das ist das Regelsystem." Leider sei es so, dass weniger als die Hälfte alle Hausärzte impften. Zwar aus durchaus nachvollziehbaren Gründen, so die Sozialministerin. Doch die impfenden Hausärzte müssten somit die Last der Praxen mittragen, die sich entschlossen haben, nicht gegen Corona zu impfen.

Wird es bei dem Impfchaos mit langen Schlangen bleiben?

Lange Schlangen wie am Montag im Hörsaalzentrum oder am Mittwoch vorm Dresdner Rathaus, um nur zwei Beispiele von vielen zu nennen, sollen schnellstmöglich der Vergangenheit angehören. Das DRK will das Termin-Buchungsportal wiederbeleben, das für die Terminvergabe in den Impfzentren freigeschaltet worden war. Es soll laut Köpping für alle mobilen Impfaktionen zum Einsatz kommen. Aktuell befinde sich diese Online-Terminvergabe noch im Testlauf. Sie soll aber in den nächsten Tagen beginnen.

Köpping ruft die Kommunen eindringlich dazu auf, die in der Kälte Wartenden nicht sich selbst zu überlassen, sondern Zelte und Sitzgelegenheiten aufzustellen und warmen Tee auszureichen. "Das ist eine missliche Lage."

Welchen Beitrag leisten die Betriebe und Betriebsärzte?

Die TU Dresden macht Impfkationen. "Es besteht für Studierende und Beschäftigte der TU Dresden sowie für Bürger die Möglichkeit, sich bei uns im Hörsaalzentrum (HSZ) gegen das Coronavirus impfen zu lassen", so Sprecher Benjamin Griebe. Die Nachfrage sei sehr hoch, sodass man die Impfaktion bis zum 22. Dezember verlängert hat.

Es sind sowohl Erst- als auch Zweitimpfungen sowie Booster-Impfungen gemäß den aktuellen Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission möglich. "Die Impfbereitschaft unter den Mitarbeitern nehmen wir als sehr hoch wahr", so Griebe.

Auch Infineon kümmert sich. "Wir haben im Juni damit begonnen, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über unseren Betriebsarzt eine Erst- und Zweitimpfung anzubieten. Diese Möglichkeit besteht seitdem ununterbrochen", so Sprecher Christoph Schumacher. Nachdem inzwischen eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) für die entsprechende Altersgruppe vorliegt, bereite man gerade vor, auch eine Auffrischungsimpfung über den Betriebsarzt anzubieten.

Die Zweitimpfungen wurden bei Infineon Dresden ab Juli angeboten, voraussichtlich ab Januar wird es die Auffrischungsimpfung geben. Bisher haben mehr als 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Angebot einer Erst- und Zweitimpfung durch den Betriebsarzt angenommen. Infineon Dresden beschäftigt derzeit rund 3.000 Mitarbeiter.

Sachsen-Energie prüft die Voraussetzungen für eine erneute konzerninterne Impfaktion.

Wie viele Booster-Impfungen sind schon verabreicht worden?

In Dresden sind bis einschließlich Montag insgesamt 36.698 Booster-Impfungen verabreicht worden, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet. Davon entfallen 66 Prozent auf über 60-Jährige, 33 Prozent auf 18- bis 59-Jährige und knapp ein Prozent auf Minderjährige. Zwar kommt der Impfstoff insbesondere der gefährdeteren älteren Bevölkerung zugute. In absoluten Zahlen ausgedrückt, haben bisher aber lediglich 24.328 über 60-Jährige eine Auffrischung erhalten - von 153.554 Menschen in dieser Altersgruppe, die in der Stadt leben.

Wie viele genau von ihnen zweifach geimpft sind, ist unklar, denn das RKI erhebt nur den Impfort, nicht den Wohnort der Geimpften. Allerdings lassen die Impfort-Zahlen vermuten, dass ein Großteil der Älteren zweifach geimpft sein dürfte. Laut RKI haben mehr als 182.000 von ihnen ihre Spritzen in Dresden bekommen, darunter auch Menschen, die außerhalb wohnen.

Aus diesem Grund bittet Petra Köpping die Jüngeren, den Älteren den Vortritt zu lassen. Es sei erfreulich, dass sich so viele Menschen für eine Booster-Impfung interessieren, sagt sie. "Erstmal müssen aber die Älteren und Gefährdeten drankommen, sonst schaffen wir das nicht." Man müsse sich solidarisch zeigen, um Menschenleben zu retten.

An Hausärzte, die selbst nicht impfen, appelliert die Ministerin, ihre hochbetagten Patienten nicht einfach wegzuschicken. Sie habe von Fällen erfahren, bei denen über 80-Jährige von ihrem Allgemeinarzt zu einer mobilen Impfstelle geschickt wurden. "Das verstehe ich nicht. Der Arzt sollte wenigstens eine Praxis vermitteln, die impft."

Steigt auch das Interesse an Erstimpfungen?

Erst 3G, dann 2G: Der Druck auf Ungeimpfte hat in den vergangenen Wochen zugenommen. Auf die Zahl der Erstimpfungen hatte dies aber kaum Auswirkungen. In der vergangenen Woche ließen sich gut 2.000 Menschen in Dresden ein erstes Mal gegen Corona impfen. Das waren zwar fast 400 mehr als in der Woche zuvor. Im Vergleich zum Sommer sind es trotzdem sehr wenige. Im August zum Beispiel ließen sich - allerdings wöchentlich - noch zwischen rund 4.000 und 5.300 Personen erstimpfen.