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Das Warten auf den großen Impfschub

Das Corona-Impfzentrum in der Löbauer Messehalle ist nicht ansatzweise ausgelastet - aber sorgt bei Senioren für Freudentränen.

Von Markus van Appeldorn
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Schwester Linda Hanusch impft Helga Fay im Impfzentrum in der Messehalle.
Schwester Linda Hanusch impft Helga Fay im Impfzentrum in der Messehalle. © Matthias Weber/photoweber.de

Ach was, Angst vor Corona. "Da haben wir schon ganz andere Sachen erlebt", sagt Helga Fay. Die 82-Jährige lebt in einem Altenheim in Görlitz. "Ja, da gab's Fälle. Aber ich bin immer viel draußen an der frischen Luft, da hatte ich keine Angst, mich zu infizieren", sagt die Rentnerin. Überhaupt, Fitness und Bewegung sind ganz wichtig. "Ich war immer sportlich, habe mich bewegt - das macht sich jetzt im Alter bezahlt", erzählt sie. Dennoch, sicher ist sicher - deshalb läuft Helga Fay jetzt an diesem Tag mit ihrem Rollator durch die Löbauer Messehalle - Corona-Impfung. "Ich bin schon froh, dass ich jetzt so schnell einen Termin bekommen habe", sagt die Seniorin.

Denn der Impfstoff ist immer noch Mangelware. "Wir bekommen zurzeit täglich 150 Impfdosen", sagt Silke Seeliger vom Roten Kreuz in Löbau, dass das Impfzentrum des Landkreises in der Messehalle betreut. Vier "Impfstraßen" sind in der Halle errichtet worden. "20 Menschen könnten wir pro Impfstraße und Stunde impfen. Und wenn wir erst unter Volllast laufen, haben wir genug Platz, noch mal vier Impfstraßen aufzubauen", erklärt Seeliger. Aber im Moment ist nicht einmal eine davon auch nur annähernd ausgelastet.

Manche rufen nur zum Spaß "Aua!"

Krankenpflegerin Linda Hanusch beugt sich leicht zu Helga Fay vor, die in der kleinen Impfparzelle vor ihr sitzt. "Welchen Arm wollen wir denn nehmen? Links oder rechts?", fragt die junge Frau. Und fast ein bisschen besorgt fragt die Rentnerin zurück: "Wird der dann steif oder was?" Diese Furcht kann Linda Hanusch der Seniorin nehmen. "Nein, aber es kann sein, dass der Arm am nächsten Tag ein bisschen schmerzt", klärt sie Helga Fay auf - deshalb solle man besser den Arm wählen, der im Zweifel weniger belastet wird. "Warten Sie, ich habe noch Trick 17, damit sie nicht den ganzen Pullover ausziehen müssen", sagt Linda Hanusch und hilft der Seniorin den rechten Oberarm freizumachen.

Dann greift die Krankenpflegerin zu einer in einer Papp-Nierenschale bereitliegenden Impfspritze. Ein Piks, Pflaster drauf, fertig. Nur noch den Aufkleber mit dem verwendeten Impfstoff klebt die Krankenpflegerin in das Impfbuch ihrer Kundin. "Och, das merkt man ja gar nicht", sagt Helga Fay und ist glücklich über die vollbrachte Impfung. "Fast alle sagen, dass sie gar nichts bemerkt haben", sagt Linda Hanusch, "manche rufen zum Spaß ,Aua!' - schon vor dem Piks." Gerade mal zwei Minuten war Helga Fay in der Impfkabine. "Danach bleiben die Impflinge noch 15 Minuten zur Nachbeobachtung in einem Aufenthaltsbereich, bevor sie wieder nach Hause gehen können", erklärt Silke Seeliger.

Wie eine große Arztpraxis

Die Impfung als solche steht also fast am Ende der Impfstraße. "Man muss sich das hier vorstellen wie eine große Arztpraxis", sagt Silke Seeliger. Am Straßenanfang steht ein Empfangsschalter. "Hier werden die Krankenversicherungs-Karten der Impflinge eingelesen", sagt sie. Danach geht es in einen Wartebereich. Ein großer Fernseher steht da, auf dem Informationsfilme zum Roten Kreuz oder zum Impfstoff laufen. "Wenn er läuft", sagt Silke Seeliger. An diesem Tag bleibt der Bildschirm dunkel. Weil wegen des geringen Andrangs ohnehin beinahe jeder Kunde direkt von einem Arzt in Empfang genommen, besteht momentan kein Bedarf für Unterhaltungsprogramm.

An einem rund zehnminütigen Gespräch mit einem Impfarzt kommt im Impfzentrum keiner vorbei. "Nur der Arzt entscheidet, ob jemand geimpft werden kann", sagt Silke Seeliger. Viele Ausschlussgründe gibt es nicht - aber wenn jemand gerade zum Beispiel akut Fieber hat, wird nicht geimpft.

Silke Seeliger vom Deutschen Roten Kreuz in Löbau wartet darauf, dass das Impfzentrum mit voller Kapazität fahren kann.
Silke Seeliger vom Deutschen Roten Kreuz in Löbau wartet darauf, dass das Impfzentrum mit voller Kapazität fahren kann. © Matthias Weber/photoweber.de

Leicht verderblicher Impfstoff

Zwischen der Arzt-Parzelle und den Impfräumen gibt's eine Station, deren Arbeit unerlässlich ist, die die Impflinge aber gar nicht zu sehen bekommen: die Impfstoff-Aufbereitung. Denn der zurzeit einzig verwendete Impfstoff von Pfizer/Biontech kann so wie er geliefert wird, nicht verimpft werden. "Der Impfstoff-Ampulle muss noch eine Kochsalzlösung zugegeben werden", erklärt eine auf der Station tätige Apothekerin. Zu jeder Ampulle mit 0,45 Milliliter kommen noch 1,8 Milliliter Kochsalzlösung.

Und diese Aufbereitung ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. "Man darf den Impfstoff nicht schütteln", sagt die Apothekerin. Aus einer Kanüle muss sie die Kochsalzlösung vorsichtig an der Glaswand der Impfstoff-Ampulle herunterlaufen lassen und das Gemisch dann sanft schwenken, zehnmal. Dann zieht sie daraus fünf bis sechs Impfspritzen auf.

Dazu ist der Impfstoff auch noch leicht verderblich. "Wir bekommen ihn hier gekühlt aber nicht gefroren geliefert, dann haben wir fünf Tage Zeit, den zu verimpfen", sagt Silke Seeliger. Allerdings: Einmal mit Kochsalzlösung aufbereitet und auf Spritzen gezogen, schmilzt dieses Zeitfenster auf nur noch fünf Stunden. Kämen dann angemeldete Personen nicht zu ihrem Impftermin müsste kostbarer Impfstoff vernichtet werden. Bisher sei das im Impfzentrum noch nicht passiert - und wenn: "Wir haben eine Reserveliste. Darauf stehen Ärzte, die wir dann anrufen können und die schicken uns kurzfristig höchstpriorisierte Impf-Patienten, die noch keinen Termin hatten", sagt Seeliger. Höchste Priorität - die genießen in der ersten Phase der Impfungen Personen ab dem 80. Lebensjahr oder auch Alten- oder Krankenpfleger.

Beim nächsten Termin gibt's Eierlikör

Den Abschied aus der Impfstraße bereitet an diesem Tag Friedbert Scholz - besonders in Ebersbach bekannt als Betreiber des Kaffee-Museums. "Ich dachte mir, wenn das Museum schon geschlossen hat, kann ich was Gutes tun", sagt er. Deshalb hatte er sich als Helfer für das Löbauer Impfzentrum beworben. "Wir haben über 300 Bewerbungen bekommen, ganz viele von Menschen aus dem Tourismussektor", sagt Silke Seeliger. Das Team von aktuell etwa 16 Helfern ist ein bunter Branchenmix. "Es sind einige mit medizinischer Erfahrung dabei, aber auch ein Hotelier oder der Besitzer einer Bar", sagt sie.

Friedbert Scholz erledigt an diesem Tag das sogenannte "RKI-Monitoring". Darin werden die vorgenommenen Impfungen für die Statistik des Robert-Koch Instituts erfasst. Und bei Scholz geht's familiär zu. Er plaudert mit den Senioren im Wartebereich. Und die freuen sich auch schon auf den Termin für die zweite Impfung drei Wochen später. "Na klar, wir wollen doch den netten jungen Mann hier wiedersehen und einen Eierlikör mit ihm trinken", sagt etwa Ingrid Lunze (82) aus Zittau. Lebensglück wie dieses trifft Friedbert Scholz täglich im Impfzentrum. "Das ist für die Herrschaften ja auch ein Erlebnis, mal rauszukommen", sagt er. Und auch Silke Seeliger erinnert sich: "Wir hatten hier schon einige Menschen mit Freudentränen über die Impfung."

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