Ist der Kreis Görlitz Impfgegner-Land?

Löbau. B96-Proteste, Ring-Spaziergänge, Auto-Korsos - gefühlt ist der Südkreis schon lange das Epizentrum der Proteste gegen Corona-Maßnahmen. Und jetzt ist das quasi amtlich. Eine aktuelle Studie zu Corona-Maßnahmen in Sachsen zeigt: In Sachsen im Allgemeinen und im Landkreis Görlitz im Besonderen herrscht eine viel höhere Skepsis gegenüber Corona-Maßnahmen als im restlichen Bundesgebiet. Und ein MDR-Bericht mit einer Aussage des sächsischen DRK-Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Unger legt nun nahe, dass es hier auch überdurchschnittlich viele Impfverweigerer gibt.
Für die repräsentative Studie "COVID-19 in Sachsen. Sozialräumliche und politisch-kulturelle Rahmenbedingungen des Pandemiegeschehens" hat das an der Technischen Universität Dresden angesiedelte "Mercator Forum Migration und Demokratie" (MIDEM) im Mai 1008 Sachsen befragt.
"(...)Wir haben Regionen beispielsweise in Ostsachsen (...) vor allen Dingen auch im Erzgebirge und im Landkreis Bautzen und Görlitz, wo wir eine viel größere Skepsis bis hin zur Ablehnung von Corona-Beschränkungsmaßnahmen haben", fasst Studienleiter Professor Hans Vorländer das Ergebnis der Untersuchung zusammen. Demnach seien die Sachsen mit 21 Prozent weit über dem Bundesdurchschnitt impfkritisch. Diese Skepsis aber sei in Ostsachsen wesentlich stärker ausgeprägt als im Norden des Freistaats. Es gäbe somit keine üblichen Stadt-Land-Unterschiede, sondern die skeptische Haltung sei in ganzen Regionen verbreitet.
- Hintergrund: Besonders viele Corona-Kritiker in Sachsen
Verwunderung über MDR-Bericht
Und in dieser Hinsicht lässt nun auch ein MDR-Bericht aufhorchen. Zum Thema "Zahlen zum Impfen in Sachsen" heißt es dort: "Laut DRK Sachsen fällt besonders auf, dass im Erzgebirgskreis und im Landkreis Mittelsachsen weniger Menschen zum Impfen gehen als in anderen Landesteilen." Und: "Termine in Löbau, Riesa, Mittweida, im Erzgebirge und Vogtland sind nicht so stark nachgefragt", sagte DRK-Vorstandsvorsitzender Rüdiger Unger.
Silke Seeliger, als Löbauer DRK-Chefin Hausherrin des Impfzentrums des Kreises in der Löbauer Messehalle, reibt sich ob dieser Aussage etwas verwundert die Augen. "Wir sind quasi jeden Tag komplett ausgebucht", sagt sie. Mit bis zu über 1.500 Impfungen täglich gehört das Löbauer Impfzentrum nach Leipzig, Dresden und Chemnitz zu den größten der insgesamt 13 Zentren im Freistaat. Und auch mit Zahlen lässt sich nicht belegen, dass das Impfzentrum Löbau nicht genügend ausgelastet wäre.
Auf dem Serviceportal des Roten Kreuzes und des Freistaats zur Impfung sind auch die freien Termine aller Impfzentren aufgeführt. Diese Echtzeit-Funktion zeigt (Stand 20. Juni, 17.30 Uhr) für das Impfzentrum Löbau bis zum 3. Juli 200 Termine. Das etwa gleich große Impfzentrum in Eich im Vogtland weist dagegen 543 freie Termine aus, das auch etwa gleich große in Chemnitz 166. An sehr vielen Tagen aber ist das Löbauer Impfzentrum auch zu diesem Zeitpunkt bereits restlos ausgebucht.
Impfzentrum Löbau als Geheimtipp
Dennoch: An der Aussage von DRK-Chef Rüdiger Unger ist was dran. Silke Seeliger bestätigt, dass sich in Löbau in großer Zahl Menschen aus anderen Landkreisen impfen lassen, etwa aus dem Nachbarkreis Bautzen. "Aber es kommen auch Leute bis aus Leipzig hierher", sagt sie. Das Löbauer DRK führt allerdings keine Statistik darüber, wie viele Personen das konkret sind. Besonders in der Vergangenheit hörte Seeliger immer wieder Beschwerden von Menschen aus dem Landkreis darüber, dass diese im Impfportal keinen Termin bekommen hätten. Sie hält es daher für nicht ausgeschlossen, dass Ortsfremde den Hiesigen die Impftermine gewissermaßen "wegklicken", obwohl es im Landkreis an sich eine hohe Impfbereitschaft gebe.
Sachsens DRK-Pressesprecher Dr. Kai Kranich sieht dagegen einen anderen Zusammenhang. "Anhand der im Impfportal angegebenen Postleitzahlen können wir ersehen, dass Leipziger oder Dresdner viel mehr Impftermine buchen als Menschen aus anderen Regionen", erklärt er. Im Impfportal könne man sich frei aussuchen, in welchem Impfzentrum man sich impfen lassen wolle. Und die Großstädter würden sich dabei eben als viel mobiler als andere erweisen und auch einen langen Anfahrtsweg in Kauf nehmen.
In Leipzig und Dresden seien frei werdende Termine in den Impfzentren immer innerhalb weniger Minuten ausgebucht. "Das Impfzentrum Löbau hat sich dabei zu einer Art Geheimtipp entwickelt", sagt Kranich. Und es sei eben so, dass die ins Portal gestellten Termine in Löbau wesentlich langsamer abfließen als in den Großstädten. Die schwierige Buchungslage habe sich aber mittlerweile beruhigt. "Die Belastung der Buchungsportale hat abgenommen", so Kranich.
- DRK im Podcast: So funktioniert das sächsische Impfportal.
Digitaler Impfpass jetzt gestartet
Indes ist Silke Seeliger froh, im Impfzentrum nun endlich einen weiteren Service anbieten zu können: den digitalen Impfpass. Den können sich dort nun Kunden ausstellen lassen, die zu ihrer zweiten Impfung erschienen sind. Der Service hatte eigentlich schon am 14. Juni starten sollen, hat sich aber wegen technischer Probleme verzögert. "Seit Donnerstag (17. Juni) funktioniert es endlich. Und sehr viele unserer Impflinge nutzen ihn auch", sagt sie. Seeliger weist darauf hin, dass das Impfzentrum den digitalen Impfpass nicht nachträglich ausstellen kann. Wer bereits doppelt geimpft ist, muss sich dafür an eine Apotheke wenden.
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Das Ausstellen des digitalen Impfpasses im Impfzentrum ist zwar jeweils nur eine Sache von Sekunden - dennoch musste Seeliger dafür das Personal aufstocken. Der Counter dafür im Wartebereich der Messehalle ist stets mit zwei Mitarbeitern besetzt. "Ich habe vier zusätzliche Leute eingestellt", sagt sie. Und Seeliger sucht auch noch Personal. "Damit wir die Urlaubszeit im August personell überbrücken können, brauche ich noch ein paar Leute, gerne Studenten", lockt Silke Seeliger mit einem Job für die Semesterferien.