Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich gegen Sonderrechte für Geimpfte ausgesprochen. "Viele warten solidarisch, damit einige als Erste geimpft werden können. Und die Noch-Nicht-Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisch gedulden", sagte Spahn den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Keiner sollte Sonderrechte einfordern, bis alle die Chance zur Impfung hatten." Diese gegenseitige Rücksicht halte die Nation zusammen. "Gegen die Pandemie kämpfen wir gemeinsam - und wir werden sie nur gemeinsam überwinden."
Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich gegen Sonderrechte ausgesprochen. Wer gegen Corona geimpft ist, sollte aus seiner Sicht keine Sonderrechte bekommen. "Eine Unterscheidung zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften kommt einer Impfpflicht gleich. Ich bin aber gegen einen Impfzwang", sagte der CSU-Politiker der "Bild am Sonntag". "Wir alle stecken in dieser Krise. Und wir sollten uns gemeinsam und solidarisch heraus kämpfen."
Auch Sonderrechte privater Unternehmen wie von Fluglinien oder Konzertveranstaltern für Geimpfte lehnt Seehofer ab. "Ich kann davor nur warnen", sagte er dem Blatt. Dies spalte die Gesellschaft. "Des einen Privileg ist die Benachteiligung des anderen."
Genau elf Monate nach Bekanntwerden einer ersten Corona-Infektion in Deutschland begannen am Sonntag in allen Bundesländern die Impfungen gegen das Virus. Zuerst sollen Menschen über 80 Jahre sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Krankenhauspersonal immunisiert werden. Dazu werden vor allem mobile Impfteams unterwegs sein. Die mehr als 400 Impfzentren werden größtenteils erst in den nächsten Tagen in Betrieb genommen.
Welt-Ärztepräsident hält Privilegien für denkbar
Welt-Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hält es dagegen für denkbar, langfristig gegen das Coronavirus geimpften Menschen besondere Rechte einzuräumen. "Im Moment, wo man gar nicht allen Menschen eine Impfung anbieten kann, verbietet sich ein solches Vorgehen", sagte Montgomery am Montag im Deutschlandfunk. Später einmal, wenn alle Menschen die Chance zur Impfung hätten und über den Nachweis von Immunität im Blut mehr bekannt sei, seien entsprechende Entscheidungen möglich.
Er verwies auf Einreisverbote einiger Länder für Menschen, die nicht gegen Gelbfieber geimpft sind. Zudem gebe es eine Masern-Impfpflicht als Voraussetzung für die Aufnahme in einer Kindertagesstätte in Deutschland.
Impfstoffproduktion soll erhöht werden
Bundesgesundheitsminister Spahn ist unterdessen zuversichtlich, dass die Produktion des Corona-Impfstoffs in Deutschland bald hochgefahren werden kann. "Wir tun alles zusammen mit Biontech-Pfizer, dass es zusätzliche Produktionsstätten hier in Deutschland etwa in Marburg in Hessen geben kann", sagte Spahn am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". "Ziel ist, noch im Februar/März dort auch Produktion möglich zu machen. Und das würde die Menge enorm erhöhen."
Biontech hat die Marburger Produktionsanlage von dem Schweizer Pharmariesen Novartis übernommen. Nach Angaben des Unternehmens sind dort nun einige Umstellungen nötig, bevor es auch dort mit der Produktion des Covid-19-Impfstoffs losgehen kann. Forderungen nach mehr Tempo wies Spahn zurück. Die Herstellung von Impfstoffen sei überaus anspruchsvoll, sie könne nicht in drei oder vier Wochen beliebig hochgefahren werden. "Das braucht Vorlauf, und das ist in Vorbereitung in Marburg", betonte er.
Mit Befremden reagierte Spahn auf den Vorschlag des Linken-Gesundheitspolitikers Achim Kessler, Impfstoff-Hersteller zu zwingen, anderen Unternehmen eine Lizenz zum Nachproduzieren zu gewähren. "Eine Produktion für einen Impfstoff ist hoch anspruchsvoll und hochkomplex, die kann man nicht mal eben per Lizenz bei einem anderen Unternehmen machen", sagte er. Gerade auch für das Vertrauen in den Impfstoff ist es wichtig, dass alle Qualitätsanforderungen eingehalten würden.
Generell sei es einfach falsch, wenn der Eindruck entstehe, alle Länder außer Deutschland hätten genügend Impfstoff: "Der ist überall knapp, für alle auf der Welt." Die Bundesregierung arbeite daran, dass es bald mehr Impfstoff gebe. "Aber wir machen das so, dass dann anschließend auch die Qualität stimmt." (dpa/epd)