Wie kann man Patienten helfen, die nach einer überstandenen Corona-Infektion plötzlich oder immer noch Beschwerden haben? Mit dieser Frage beschäftigt sich auch die Post-Covid-Ambulanz am Universitätsklinikum Jena – gegründet als eine der ersten dieser Art in Deutschland. Die SZ sprach mit dem Leiter, Professor Andreas Stallmach. Er ist Infektiologe und Internist.
Herr Professor Stallmach, was gab den Anstoß für die Eröffnung der Ambulanz?
Wir hatten bereits während der ersten Welle beobachtet, dass sich viele Patienten besonders nach der stationären Entlassung nicht wieder so gesund fühlten wie vor ihrer Covid-19-Erkrankung. Wir wollten die Ursachen ergründen und den Patienten helfen. So entstand die Idee der Ambulanz. Wobei ich gestehen muss, dass wir den zeitlichen und personellen Aufwand bei der Betreuung der Patienten zunächst unterschätzt hatten.
Inwiefern?
Es gibt kein klares Erkrankungsmuster, jeder Patient muss individuell betrachtet werden. Beim ersten Kontakt wird die Krankengeschichte ausführlich beschrieben, das dauert schon mal 90 Minuten. Es folgen ein umfangreiches Untersuchungsprogramm mit Labor, Ultraschalluntersuchungen oder Funktionstests und schließlich die Therapieempfehlungen. Daran sind Experten unterschiedlicher Fachrichtungen beteiligt – Neurologen, Kardiologen, Pneumologen, Psychiater, Gastroenterologen, Arbeitsmediziner.
Wie viele Patienten haben Sie bisher behandelt?
Seit August 2020 waren es über einhundert Patienten. Anfangs haben wir Sprechstunden an zwei Tagen in der Woche vergeben, jetzt sind es fünf. Und trotzdem müssen neue Patienten inzwischen bis zum Sommer auf einen Termin warten.
Welche Beschwerden sind am häufigsten?
Bei etwa 60 Prozent diagnostizieren wir ein chronisches Erschöpfungs- bzw. Fatigue-Syndrom. Die Menschen sind in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt, haben keinen Antrieb und sind oft müde. Auch Schlafstörungen, Konzentrationsschwächen und Depressionen treten auf. Häufig klagen Patienten über Luftnot beim Treppensteigen. Viele Menschen fühlen sich allgemein krank, teils auch ohne klare Symptome.
Wann treten diese Beschwerden auf?
Auch da gibt es keine Regel. Etwa zwei Drittel kommen schon zwei bis drei Wochen nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus zu uns, weil ihr Zustand nicht besser wird. Bei den anderen hatte es zunächst den Anschein, dass sie genesen sind, bis plötzlich wieder Fieber oder Luftnot auftritt.
Betrifft das vor allem ältere Patienten?
Nein. Interessanterweise ist keine Altersgruppe von einer Post-Covid-Erkrankung ausgenommen. Unser jüngster Patient war 17 Jahre alt, der älteste 84. Das Mittel liegt bei 51 Jahren.
Wie können Sie den Betroffenen helfen?
Der Erfolg hängt maßgeblich von den Beschwerden und ihren Ursachen ab. Eine Herzmuskelschwäche kann man gut medikamentös behandeln. Bei Entzündungen hilft oft die Gabe von Cortison. Sind Gefäßverschlüsse in der Lunge für die Luftnot verantwortlich, verordnen wir Blutverdünner. Patienten mit Konzentrationsschwierigkeiten überweisen wir zum Beispiel an unser Gedächtniszentrum.
Und bei Erschöpfung?
Die Behandlung ist schwierig. Hilfreich ist ein strukturierter Tagesablauf. Dazu sollte auch ein Sportprogramm gehören, pro Woche dreimal 45 Minuten. Die Pandemie schränkt die Möglichkeiten zwar ein. Aber man kann ja auch Online-Kurse nutzen, im Wald spazieren gehen, Rad fahren und langsam joggen. Wichtig ist es, den Körper zu belasten, ohne ihn zu überlasten.
Führen Sie eine Erfolgsstatistik?
Die große Mehrheit unserer Patienten sagt, dass es ihnen langsam besser geht. Ehrlicherweise muss ich aber auch sagen, dass wir nicht allen helfen können. Man sollte bedenken, dass uns diese Probleme erst seit zehn Monaten beschäftigen – in der Medizin ein relativ kurzer Zeitraum. Wir lernen jeden Tag dazu.
Das Gespräch führte Steffen Klameth.