Dresden. Die Coronapandemie wirkt sich in Sachsen zunehmend auch auf die Versorgung von Krebspatienten aus. Laut SZ-Recherchen gibt es Defizite insbesondere in der Diagnostik und Nachsorge. Außerdem häufen sich die Probleme bei der Akutbehandlung.
Das Klinikum Chemnitz berichtet bereits von einem Rückgang der onkologischen Behandlungszahlen. Betroffen seien alle Bereiche, allerdings aus verschiedenen Gründen, sagt der Direktor des Onkologischen Zentrums, Dr. Mathias Hänel. „Bei den Tumorchirurgen fehlt die postoperative ITS-Kapazität, in der Radioonkologie mussten Betten für Covid-Patienten umgewidmet werden.“ In allen Bereichen gebe es zudem erhebliche Personalausfälle.
Ein weiteres Problem schildert das Uniklinikum Dresden. „Es kommen immer mehr Patienten, die nicht nur Krebs haben, sondern auch noch mit Corona infiziert sind“, sagt Professor Martin Bornhäuser, Geschäftsführender Direktor des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen. Für das Dresdner Klinikum bedeute das einen erheblichen Mehraufwand, für Angehörige strengere Restriktionen. Ungeachtet dessen seien bisher alle dringenden Operationen, Strahlen- und Chemotherapien durchgeführt worden.
Angst vor Ansteckung
Ähnlich äußert sich der Direktor des Universitären Krebszentrums am Uniklinikum Leipzig, Professor Florian Lordick: „Alle notwendigen Eingriffe und Therapien werden durchgeführt.“ Wegen der anhaltenden Pandemie und der damit verbundenen hohen Belastungen der Gesundheitsversorgung sei allerdings zu befürchten, dass in Sachsen insgesamt weniger Krebserkrankungen diagnostiziert werden und es zu Verzögerungen komme.
Konkrete Zahlen können die Kliniken noch nicht nennen. Sie sollen in den nächsten Wochen für das Krebsregister aufbereitet werden. Die Helios-Gruppe, zu der acht Kliniken in Sachsen gehören, hat in einer eigenen Studie einen Rückgang der stationären Aufnahmen von Krebspatienten um durchschnittlich zehn bis 20 Prozent ermittelt – allein während des ersten Lockdowns. Besonders bedenklich sei, dass es 2020 nicht deutlich weniger Krebserkrankungen gab, „sondern die Erkrankungen wahrscheinlich erst später festgestellt wurden“, erklärten die Autoren der Studie. Gründe könnten die Angst vor Ansteckung oder geschlossene Praxen sein.
Ob und wie sich das auf die Überlebensprognosen auswirkt, werde man erst in einigen Jahren wissen, sagt Bornhäuser. Eine englische Studie prognostiziert bereits eine bis zu 17 Prozent höhere Sterblichkeit. Für Deutschland ist der Mediziner optimistischer: „Unser Gesundheitssystem ist besser aufgestellt.“