Mehr Hilfe für Sachsens Kinder und Jugendliche

Dresden. Geschlossene Kitas und Schulen, überforderte Eltern zwischen Homeoffice und Homeschooling, Lockdown – die Corona-Pandemie hat Kinder und Jugendliche enorm belastet. Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe waren geschlossen, die jungen Menschen hatten keine Möglichkeit dem Alltag zu entfliehen.
Das hat Folgen: Im Corona-Jahr 2020 ist die Zahl der Verfahren zur Kindeswohlgefährdung in Sachsen stark gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Kamenz haben die Jugendämter insgesamt in 8.335 Fällen gewichtige Anhaltspunkte zur Gefährdung des Kindeswohls überprüft und damit 33 Prozent mehr Fälle bearbeitet als im Vorjahr.
Bei den Überprüfungen 2020 wurden 3.146 Fälle von akuter oder latenter Kindeswohlgefährdung festgestellt – 874 mehr als im Jahr zuvor. In den meisten Fällen gab es Anzeichen für Vernachlässigungen, in 134 Fällen Anzeichen für sexuelle Gewalt, 639 Mal kam es zu körperlichen Misshandlungen und 751 Mal zu psychischen Misshandlungen.
Nicht nur Kitakind und Schüler
„Die Auswirkungen der Pandemie werden uns noch eine ganze Weile begleiten“, sagt Dresdens Jugendamtsleiterin Sylvia Lemm. In der Landeshauptstadt nahm 2020 die Zahl der Fälle von Kindeswohlgefährdung um 38 Prozent zu. Auch der Beratungsbedarf steigt, sagt Lemm. Bei einem Viertel geht es um das Thema getrennte Eltern.
Die Kinder- und Jugendhilfe sollte im weiteren Verlauf der Pandemie stärker und bewusster als das wahrgenommen werden, was sie für Familien in Krisen darstellt: das letzte Sicherheitsnetz der Gesellschaft. „Wir müssen die jungen Menschen in ihrer aktuellen Gesamtlebenssituation abholen und unterstützen und sie nicht nur als Kitakind oder Schülerinnen und Schüler sehen“, so Lemm.
Zwar hätten die Sozialarbeiter in den Schulen sowie Kinder- und Jugendhäusern ihre Arbeit während der Pandemie umgestellt, und auch über Video, Telefon oder WhatsApp Beratungen angeboten. „Aber nach einer Weile haben wir so die Kinder und Jugendlichen nicht mehr erreicht“, berichtet Lemm. Der persönliche Kontakt, das Gespräch mit einer Freundin in einem geschützten Umfeld oder einfach nur mal abhängen und nichts tun können – all das fehlte. Jetzt sei es schwer, die Kinder zurückzuholen. „Wir müssen ihnen ja erst mal klarmachen, dass die Einrichtungen offen sind.“
Mehr Fachkräfte
„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jugendämtern sind täglich in der Verantwortung“, sagt Sozialministerin Petra Köpping (SPD). Das Angebot an Hilfen und Unterstützung sei vielfältig, um Gefährdungen möglichst im Vorfeld zu verhindern. Angebote der Kinder- und Jugendhilfe müssen deswegen wieder aktiviert, erhalten und weiterentwickelt werden „Die Jugendämter dürfen in ihren Aufgabenstellungen aber nicht allein gelassen werden.“
Köpping stellte am Freitag ein Handlungsprogramm vor, mit dem die Kinder- und Jugendhilfe umfangreich unterstützt wird. Das Programm soll ein Signal sein, „sich wieder intensiver mit den Anliegen, Wünschen und Interessen von jungen Menschen zu beschäftigen“. Sachsen will unter anderem die Ehrenamtsstrukturen stärken, indem die Ausbildung zum Jugendleiter beitragsfrei möglich ist. Das Landesjugendamt startet ab Oktober eine Offensive zur Gewinnung und Qualifizierung von Fachkräften für die Jugendarbeit. Außerdem ist eine Digitalisierungsoffensive für Träger der freien Jugendhilfe und Schulsozialarbeit geplant. Es wird eine Servicestelle für Gewaltprävention sowie eine Landesfachstelle zur Prävention von sexualisierter Gewalt aufgebaut.
Das Programm soll aber über die bloße Bewältigung der Corona-Folgen hinausgehen. Damit mehr Angebote vor Ort in den Landkreisen und Großstädten möglich sind, erhöht der Freistaat die Jugendpauschale. Sie steigt von 13,4 Millionen Euro auf 14,2 Millionen Euro im Jahr 2021 und 15 Millionen Euro 2022. Köpping mahnte die Kommunen, dieses Geld auch wirklich in die Kinder- und Jugendhilfe zu stecken.