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"Die dritte Welle ist da"

Das Vogtland leuchtet schon länger rot auf den Corona-Karten. Virus-Varianten haben die Infektionen dort offenbar massiv befeuert.

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Rolf Keil (CDU), Landrat vom Vogtlandkreis, sieht die dritte Corona-Welle als angekommen.
Rolf Keil (CDU), Landrat vom Vogtlandkreis, sieht die dritte Corona-Welle als angekommen. ©  dpa/Jan Woitas

Greiz/Plauen. Beim Blick auf die Infektionszahlen im Vogtland ist man sich in Thüringen und Sachsen einig: Die Lage ist ernst. Wie die in dem Ländereck besonders heftig wütende Corona-Pandemie eingedämmt werden soll, darüber gibt es jedoch in Thüringen Streit. Während die rot-rot-grüne Landesregierung auf harte Einschränkungen besteht, will die CDU-Landrätin des Kreises Greiz, Martina Schweinsburg, gezielte Lockerungen und - wie im benachbarten sächsischen Vogtlandkreis - eine Impffreigabe für über 18-Jährige in der Region.

Der Kreis Greiz im östlichen Zipfel ist schon seit längerem der Corona-Brennpunkt in dem ohnehin Hotspot-Land Thüringen. Mit einem Wert von zuletzt mehr als 500 weist die Region auch die höchste Zahl an Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von einer Woche in ganz Deutschland auf. Im benachbarten Vogtlandkreis, dem sächsischen Corona-Brennpunkt, ist die Lage nicht minder dramatisch. Dort schwankt die Sieben-Tage-Inzidenz um die 300. "Die dritte Welle ist da", sagt Landrat Rolf Keil (CDU).

Blick auf die Altstadt von Greiz: Der gleichnamige ostthüringer Landkreis weist derzeit die bundesweit höchste Sieben-Tage-Inzidenz auf.
Blick auf die Altstadt von Greiz: Der gleichnamige ostthüringer Landkreis weist derzeit die bundesweit höchste Sieben-Tage-Inzidenz auf. © dpa/Bodo Schackow

Einen Grund für die steigenden Infektionszahlen sehen sowohl Keil als auch seine Thüringer Amtskollegin Schweinsburg in vermehrten Tests. Beide verweisen zudem auf überdurchschnittlich hohe Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen. "Wir haben von Mitte Februar bis Mitte März 935 Kontaktpersonen von Infizierten ohne Symptome getestet - davon war ein Drittel positiv", so Landrätin Schweinsburg. Von diesen positiv Getesteten seien wiederum 151 Kinder und Jugendliche im Alter von bis zu 18 Jahren gewesen.

Erwachsene stecken sich bei Kindern an

Im Vogtlandkreis, mit vielen Einpendlern aus dem massiv von Corona betroffenen Tschechien, werden laut dem Landrat täglich mehr als 4.000 Menschen getestet. An etwa 30 Schulen und 25 Kitas gebe es derzeit Infektionsherde. Und das, obwohl Kitas und Grundschulen seit Anfang März wieder geschlossen seien und nur eine Notbetreuung anböten, berichtet Keil. Sorge bereitet dem Landrat vor allem die rasante Ausbreitung der deutlich infektiöseren Virus-Varianten.

"Wir beobachten jetzt, das sich Erwachsene bei Kindern anstecken, das hatten wir in der ersten Welle kaum", sagt auch der Jenaer Infektiologe Mathias Pletz. Er ist alarmiert. Das Virus habe sich fortlaufend weiterentwickelt - die neuen Varianten seien schneller übertragbar und hätten eine höhere Viruslast. "Wir sehen ein verändertes Infektionsgeschehen, das nicht nur mit der Pandemiemüdigkeit zusammenhängt", ist der Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Jenaer Universitätsklinikum überzeugt.

Die Greizer Landrätin zieht daraus vor allem einen Schluss: "Wir müssen jetzt die mobilen Altersgruppen impfen." Sie fordert eine Impffreigabe für Einwohner ab 18 Jahren, wie sie die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) noch vor dem zeitweiligen Impfstopp für das Präparat von Astrazeneca für den Vogtlandkreis angekündigt hatte.

Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) steht im Impfzentrum Plauen. Im sächsischen Vogtlandkreis kann jeder Erwachsene geimpft werden - wenn genügend Impfstoff da ist.
Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) steht im Impfzentrum Plauen. Im sächsischen Vogtlandkreis kann jeder Erwachsene geimpft werden - wenn genügend Impfstoff da ist. ©  dpa/Jan Woitas

Im Thüringer Gesundheitsministerium herrscht indes Verärgerung über die Greizer Landrätin. "Es reicht nicht allein der Ruf nach Impfungen für alle. Denn es gibt nicht genügend Impfstoffe", redet Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) Klartext. "Dieser Ruf muss auch mit entsprechenden Maßnahmen untersetzt werden." Landrätin Schweinsburg hatte erst auf Druck und unter Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen diese Woche schärfere Corona-Regeln erlassen. Bewohner im Kreisgebiet dürfen nun nur noch aus triftigen Gründen ihre Wohnungen verlassen.

Es sei schwer zu vermitteln, wieso es zusätzliche Impfstoffe für Hotspots wie Greiz brauche, wenn vorher nicht alles getan werde, um die Infektionszahlen vor Ort zu verringern, argumentiert die Ministerin. So gebe es nach wie vor auch private Feiern und es halte sich ein gewisser Teil der Menschen nicht an die notwendigen Schutzmaßnahmen.

Trotz nach wie vor knapper Impfstoffe dürfen laut Werner im Landkreis Greiz zusätzlich auch Menschen aus der Priorisierungsgruppe drei geimpft werden. Dazu gehören unter anderen Menschen ab 60 Jahren und alle Lehrer des Landkreises. Ministerin Werner: "Solange wir nicht mehr Impfstoffe zur Verfügung haben, ist das der einzige Weg." (dpa)