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Forderung nach Aufarbeitung der Corona-Politik wird lauter

RKI-Protokolle zu Corona-Krisenberatungen veröffentlicht, Grünen-Fraktionschefin verteidigt Corona-Maßnahmen, vierter Jahrestag vom ersten Lockdown -Hilfen - unser Newsblog zu Corona.

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Vier Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie mit Zehntausenden Toten in Deutschland wird der Ruf nach einer Aufarbeitung der staatlichen Politik zur Eindämmung des Virus immer lauter.
Vier Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie mit Zehntausenden Toten in Deutschland wird der Ruf nach einer Aufarbeitung der staatlichen Politik zur Eindämmung des Virus immer lauter. © Symbolfoto: Ronald Bonss

Coronavirus in Sachsen, Deutschland und der Welt – das Wichtigste in Kürze:

Dienstag, 26. März: Forderung nach Aufarbeitung der Corona-Politik wird lauter

Vier Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie mit Zehntausenden Toten in Deutschland wird der Ruf nach einer Aufarbeitung der staatlichen Politik zur Eindämmung des Virus immer lauter. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai verlangte am Dienstag eine kritische Beschäftigung damit und forderte das Einsetzen einer Enquete-Kommission des Bundestags. Auch Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann machte sich dafür stark, diese Fragen im Parlament zu diskutieren. AfD-Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel forderte einen Corona-Untersuchungsausschuss.

Djir-Sarai sagte in Berlin: "Dass auch rationale Kritik an den verhängten Freiheitseinschränkungen oftmals in die Nähe von Corona-Leugnern gerückt wurde, hat zur Spaltung unserer Gesellschaft beigetragen." Gerechtfertigte Forderungen nach einem gemäßigten Kurs, wie sie der heutige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gestellt habe, seien diffamiert worden. Dringend nötig sei eine Enquete-Kommission, um die begangenen Fehler klar zu benennen und künftig zu vermeiden. "Auch Teile der Politik werden ihre Rolle während dieser Zeit erklären müssen."

Die Grünen-Politikerin Haßelmann wies dagegen viel stärker auf die Erfolge der deutschen Corona-Politik hin und verteidigte staatliche Auflagen in der Hochphase der Pandemie. "In der Rückschau können wir mit Erleichterung feststellen, dass unser Land die Corona-Pandemie und ihre Folgen gut bewältigt hat", sagte sie der dpa in Berlin. "Die getroffenen konsequenten Maßnahmen haben sehr vielen Menschen das Leben gerettet."

Politik und Gesellschaft seien aufgefordert, aus "dieser einzigartigen Krise" zu lernen, sagte Haßelmann über die Pandemie. "Wir alle wissen, wie sehr die Pandemie die Lebenssituation von vielen Menschen, vor allem von Kindern und Jugendlichen, beeinflusst hat." Sie betonte, es sei wichtig, sich im Nachgang damit zu befassen sowie Lehren und Schlussfolgerungen zu ziehen. "Schließlich waren wir alle noch nie mit einer solchen Extremsituation konfrontiert. Wir sollten diese Fragen im Parlament diskutieren, dort wo schwierige Abwägungen getroffen wurden, um für die Zukunft daraus zu lernen."

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann hat die staatlichen Auflagen in der Corona-Pandemie verteidigt.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann hat die staatlichen Auflagen in der Corona-Pandemie verteidigt. © dpa

Die AfD-Politikerin Weidel sagte dazu: "Jede geschwärzte Passage muss wieder lesbar gemacht werden. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, was damals wirklich passierte." Weidel äußerte die Vermutung, dass es sich bei den geschwärzten Passagen um mehr als unkenntlich gemachte Namen handelt.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer unterstützte die Forderungen nach einer Aufarbeitung der Corona-Politik: "Ich halte eine Aufarbeitung – in welcher Form auch immer – für wichtig, um für die Zukunft zu lernen und auch, um den Riss zu kitten, der zwischen Befürwortern und Gegnern der Corona-Maßnahmen entstanden ist", sagte die SPD-Politikerin dem Nachrichtenportal "t-online".

Der Linken-Politiker Gregor Gysi sagte "t-online", eine Enquete-Kommission müsse klären, "welche Maßnahmen richtig und notwendig waren, welche bei einem ähnlichen Fall nicht wiederholt werden dürfen und ob es wesentlich weniger beeinträchtigende Alternativen zu den getroffenen Entscheidungen gibt".

Montag, 25. März: RKI-Protokolle zu Corona-Krisenberatungen veröffentlicht

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist Vermutungen über eine äußere Einflussnahme auf eine grundlegende Risiko-Einschätzung des Robert Koch-Institut (RKI) zu Beginn der Corona-Krise 2020 entgegengetreten. "Das RKI hat unabhängig von politischer Weisung gearbeitet", sagte der SPD-Politiker am Montag in Köln zu einem Bericht des Online-Magazins "Multipolar", das teils geschwärzte Protokolle des RKI-Krisenstabs von Januar 2020 bis April 2021 veröffentlicht hat. Aus Teilen der Opposition wurden Rufe nach einem Untersuchungsausschuss laut.

In einem Protokoll vom 16. März 2020 ist laut dem Bericht von einer vorbereiteten neuen Gefahreneinschätzung des RKI die Rede: "Es soll diese Woche hochskaliert werden. Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald (Passage geschwärzt) ein Signal dafür gibt." Das Magazin "Multipolar" leitete daraus ab, dass die Verschärfung der Risikobewertung als Grundlage für spätere Corona-Beschränkungen nicht auf einer fachlichen Einschätzung des Instituts beruht habe, sondern auf der politischen Anweisung eines externen Akteurs. Dessen Name sei im Protokoll geschwärzt.

Lauterbach sagte, der "geschwärzte Mitarbeiter" sei ein Mitarbeiter des RKI. "Es gab also keine politische Weisung, auf die das RKI hier reagiert hätte." Wenn es in den Papieren Schwärzungen gebe, betreffe dies meistens Mitarbeiter, die vor der Öffentlichkeit geschützt werden müssten. Wie das Ministerium erläuterte, machte das RKI am 17. März 2020 die neue Gefahreneinschätzung für die Bevölkerung in einer Pressekonferenz bekannt. Sie wurde von "mäßig" auf "hoch" gesetzt.

Freitag, 22. März, 12.59 Uhr: Drosten zum Lockdown-Jahrestag: Gut durch die Corona-Pandemie gekommen

Vier Jahre nach Beginn des ersten Corona-Lockdowns in Deutschland hat der Virologe Christian Drosten eine insgesamt positive Bilanz der deutschen Krisenstrategie gezogen. "Aus medizinischer Sicht sind wir gut durch die Pandemie gekommen", sagte er im Deutschlandfunk am Freitag. Verglichen mit anderen großen europäischen Industrieländern habe Deutschland die Pandemie gut überstanden - auch wenn es hätte besser laufen können.

Am 22. März 2020 war der erste Corona-Lockdown in Deutschland in Kraft getreten. Die Folge waren weitreichende Kontaktbeschränkungen. Das öffentliche Leben kam weitgehend zum Erliegen. Die Maßnahmen sollten dabei helfen, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.

Die deutsche Reaktion auf die erste Welle sei international gelobt worden - sie habe als deutsches Wunder gegolten, sagt Drosten. Es sei mit "relativ milden Bekämpfungsmaßnahmen" gelungen, dass es in der ersten Welle nur eine sehr niedrige Zahl von Todesfällen gegeben habe.

Prof. Dr. Christian Drosten
Prof. Dr. Christian Drosten © Michael Kappeler/dpa

Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass Versammlungs- und Ausgangsbeschränkungen, Homeoffice-Regelungen, Schulschließungen, Maskengebote sowie die Testpflichten und Kontaktverfolgung erfolgreich gewesen seien. Schlechte Evidenz gebe es bei der Schließung von Geschäften. Auch der Erfolg der Hygienekonzepte seien aus Sicht der Wissenschaft bisher nicht geklärt. "Die Evidenz ist manchmal auch deswegen wackelig, weil die Studien dazu nicht gut genug angelegt waren", sagt Drosten.

Am Mittwoch hatte die FDP erneut auf eine Aufarbeitung der Corona-Politik in einer Kommission des Bundestages gedrängt. In einem Schreiben an die Fraktionsführungen von SPD und Grünen bitten FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann und FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki, in Gespräche über die Einsetzung einer Enquete-Kommission einzutreten. Davon hält Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht viel: "Eine Enquete Kommission ist typischerweise eine sehr politisch aufgeladene Angelegenheit", sagte er am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". Man würde dort politisch agieren und weniger wissenschaftlich bearbeiten.

Drosten würde sich einen gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozess anstatt einer Enquete wünschen. "Eine politische Kommission würde eher dazu führen, dass bestimmte Kräfte da eine Bühne bekommen, die gar nicht im Zentrum der Diskussion stehen sollte", sagte der Virologe im Deutschlandfunk.