Corona-Fälle in Moritzburg: Ferienlager war nicht korrekt angemeldet

Moritzburg. Der nachlässige Umgang mit dem Corona-Ausbruch in einem Moritzburger Kinderferienlager hat ein Nachspiel. Betreuer, die bereits zu Wochenbeginn auf einen Abbruch der Ferienfreizeit gedrungen hatten, wollen nun die zuständige Projektleiterin anzeigen. Es gehe um unterlassene Hilfeleistung und Kindeswohlgefährdung.
Jacqueline Muth arbeitet beim gemeinnützigen Jugendverein Roter Baum e.V. mit Sitz in Dresden. Die ehemalige Dresdner Stadträtin, die immer noch in der Linkspartei aktiv ist, war für die Ferienfreizeit im Karl-May-Dorf verantwortlich. Nachdem bereits vergangenen Sonntag ein erstes Kind Corona-positiv getestet worden war, hätten Betreuer die Projektleiterin informiert, die habe aber nichts unternommen. "Wir hatten nur noch eine Handvoll alter Tests, bei einem Großteil war die Platine gebrochen, sodass sie kein verlässliches Ergebnis anzeigten", erinnert sich einer der Betreuer.
Ferienlager in Moritzburg: "Kritische" Hygiene-Zustände
Ein anderer spricht von fehlender Schutzausrüstung, es habe weder Mundschutz noch Desinfektionsspray, Handschuhe oder Kittel gegeben. In der Folge hätten sich mindestens 20 der knapp 60 Kinder und sieben Betreuer infiziert. Einige mit so schweren Symptomen, dass sie ins Krankenhaus gebracht werden mussten.
Das Gesundheitsamt des Landkreises Meißen erfuhr erst am 12. Juli von dem Corona-Ausbruch, drei Tage nach dem ersten positiven Test. Für die Betreuer steht fest, dass die Ereignisse nicht nach draußen dringen sollten, wohl auch, weil das Lager gar nicht offiziell angemeldet war. Das verlangt das Landratsamt, auch damit Feuerwehr und Rettungsdienst im Notfall wissen, wie viele Personen sich auf dem Gelände aufhalten.
Unterdessen werden immer mehr Details zu den Verhältnissen der vergangenen Woche bekannt. Da parallel zu den Kindern auch viele Betreuer, die unter anderem aus Berlin, Leipzig und Hamburg stammten, erkrankten, waren zeitweise nur drei Aufsichtspersonen für die Kinder da. Es sei schwierig gewesen, das Essen vorzubereiten, auch für den Abwasch blieb kaum Zeit. Die hygienischen Zustände seien kritisch gewesen, das bestätigten auch Mitarbeiter des Lebensmittelüberwachungsamtes nach einer ersten Kontrolle am 12. Juli.
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In der Nacht vom Mittwoch, 13. Juli, zum Donnerstag eskalierte die Situation völlig, rief sogar die Feuerwehr auf den Plan. Nachdem einige erkrankte Kinder von ihren Eltern bereits abgeholt worden waren, sollen sich noch gut 40 Kinder und drei Betreuer auf dem Gelände befunden haben. Einige Kinder waren unbeaufsichtigt am Steinkreis, in dem zuvor Knüppelbrot gebacken worden war, und hatten große Baumstämme herangeschleppt.
Das Feuer drohte, außer Kontrolle zu geraten und wurde schließlich von der Reichenberger Feuerwehr gelöscht. "Wir hätten die Kinder dort nie allein lassen dürfen, das ist richtig", gibt ein Betreuer zu. Allerdings hätten seine beiden Kollegen die Kinder in zwei Baracken beaufsichtigt, während er am Bett eines Corona-kranken Mädchens auf den Notarzt wartete.
Lager im Karl-May-Dorf verwüstet, Scheiben zertrümmert
David Röhrig vom Karl-May-Dorf-Verein zeigt sich von den Geschehnissen erschüttert. Das Gelände steht seit 1997 für Schüler- und Ferienfreizeiten zur Verfügung. Die Übernachtungsmöglichkeiten entsprächen den geforderten Standards, so Röhrig. Seit fünf Jahren wird es Gelände ehrenamtlich von dem Verein Karl-May-Dorf e.V. bewirtschaftet. Die Kooperation mit dem Roten Baum ist neu und scheint nun beendet, bevor sie richtig begonnen hat. "Derzeit gehe ich nicht davon aus, dass dieser Verein unser Objekt noch mal mieten darf", sagt David Röhrig.
Es seien durch den kurzen Aufenthalt enorme Schäden entstanden, die in die Tausende Euro gehen. Am Freitag kehrte er stundenlang Schamottsteine der Feuerstelle aus dem Volleyballfeld. Das Lager sei verwüstet und auch einige Fensterscheiben seien zu Bruch gegangen. "Wir werden jetzt das Wochenende nutzen, um zu reparieren, denn bereits ab Montag sind die 70 Betten teilweise neu vermietet", so Röhrig.
Das Karl-May-Dorf ist keineswegs das einzige Objekt, das der Dresdner Jugendverein nutzt. 1.600 Buchungen liegen nach Angaben der Geschäftsführung für diese Sommersaison vor. Es gibt auch Unterkünfte in der Sächsischen Schweiz, im Vogtland, auf Usedom und Rügen. Unter welchen Bedingungen die Kinder jeweils untergebracht sind und wie sie dort betreut werden, das dürfte nun auch die Behörden interessieren.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Verein Ärger mit der Gesundheitsbehörde hatte. Bereits im Juli 2007 schritt das Landratsamt Meißen ein, als eine Schulklasse in Radebeul in einem ehemaligen Frühgemüsezentrum untergebracht war. Die Behörden bemängelten die Sauberkeit und fehlendes Trinkwasser. Die gesamte Wasserversorgung erfolgte widerrechtlich aus einem Brunnen. Außerdem reichte die Toilettenanzahl nicht für die 40 untergebrachten Kinder. Das Lager wurde geräumt und die Kinder zogen nach Bad Sonnenland bei Moritzburg um.
Die damalige Projektleiterin im Auftrag des Roten Baums war Annekatrin Klepsch, heute Zweite Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Dresden, zuständig für den Geschäftsbereich Kultur und Tourismus. Sie machte damals allerdings den Betreiber für die Missstände verantwortlich.