Boostern: "Wir haben heute leider keinen Impfstoff mehr"

Dresden. Immer wieder erreichen die Redaktion in den vergangenen Wochen Anrufe und Zuschriften zum Thema Booster-Impfung. Ärger und Verwirrung sind offenbar groß. Die Leser berichten von Schwierigkeiten, einen Termin zu bekommen und Frust bei den mobilen Impfterminen. Aber was ist dran, an dem Ärger? Ich will es in dieser Woche wissen und versuche, selbst eine Impfung zu bekommen.
Seit meiner zweiten Spritze ist etwas mehr als ein halbes Jahr vergangen. Ich möchte mich boostern lassen, ein Stück mehr Unbeschwertheit.
Zuerst versuche ich mein Glück bei Hausärzten. Da ich noch nicht lange hier wohne, habe ich noch keinen eigenen. Ich versuche es am Montag bei einer Praxis in der Nähe meines Wohnorts. Wenn ich dort dauerhaft Patient werden wolle, könne man mir in ungefähr zwei Wochen einen Termin anbieten, erklärt mir die Sprechstundenhilfe am Telefon. Ich nehme erst mal dankend an, erkläre aber, dass ich noch versuchen will, einen früheren Termin zu bekommen. Andere Hausärzte, die auch Fremdpatienten impfen, geben mir ähnliche oder längere Wartezeiten an.
Also zwei Wochen oder mehr bis zur Impfung. Dann ein bis zwei Wochen, bis die Auffrischung wirkt. Somit ungefähr vier Wochen, bevor ich gleichen Schutz genieße wie nach der Zweitimpfung. Das ist mir angesichts der Corona-Zahlen zu lang.
Meine Hoffnung sinkt
Deshalb breche ich am Freitagvormittag zur Impfaktion an der Braunsdorfer Straße auf, die ich auf der Internetseite des DRK gefunden habe. Ich gehe fest davon aus, dort die Spritze zu bekommen, denn für die Aktionen sind keine Termine erforderlich. Als ich in die Straße einbiege, sehe ich ungefähr 30 Menschen. Einige reden wild gestikulierend auf Mitarbeiter des DRK ein. Meine Hoffnung sinkt. Und wirklich, als ich mein Anliegen vortrage, fragt ein Mitarbeiter nach meiner Nummer. Eine Nummer? Davon stand online nichts. Doch viele Impfwillige waren anscheinend bereits in den frühen Morgenstunden am Impfort. Sie haben Nummernkärtchen ausgeteilt bekommen, mit denen sie zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen können. „Wir haben für heute leider keinen Impfstoff mehr“, sagt mir indes ein Mitarbeiter des DRK. Es ist jetzt zehn vor zwölf. Um zwölf sollte die Impfaktion starten.
Sebastian und Tina aus Cotta werden ebenfalls vom frühen Ende überrascht. Ihr Hausarzt konnte ihnen erst im Februar einen Termin anbieten. Am Dienstag ein Anruf beim Roten Kreuz. Dort wurde ihnen versichert, dass sie keinen Termin brauchen. „Es fühlt sich nun aber an wie eine Terminvergabe“, sagt Tina. „Wir wollen uns impfen lassen und dann werden uns Steine in den Weg gelegt. Dafür habe ich kein Verständnis“, ergänzt Sebastian. Die beiden wollen es noch mal am kommenden Freitag probieren.
Eine Schlange um den ganzen Block
Ich möchte noch nicht aufgeben. Schließlich ist die Braunsdorfer Straße nicht der einzige Impfort in Dresden. Ich fahre zum Gesundheitsamt am Brauhaus. Dort findet ab 13 Uhr eine weitere Impfaktion des DRK statt. Als ich pünktlich dort ankomme, sinkt mein Mut erneut. Eine Schlange von Impfwilligen zieht sich vom Eingang die gesamte Straße entlang. Ihr Ende ist nicht abzusehen, denn sie verschwindet hinter einer Hausecke. Nun bin ich allerdings schon dort und will auch nicht unverrichteter Dinge abziehen. Je weiter ich die Schlange ablaufe, desto verdrießlicher schauen die Menschen drein. Als ich um die Ecke zur Bautzener Straße komme, traue ich meinen Augen kaum. Denn auch hier reicht die Schlange noch einige Meter bis zur Haltestelle "Waldschlösschen". Obwohl ich rund 250 Impfwillige vor mir gezählt habe, stelle ich mich an. Vor mir steht eine junge Mutter aus Prohlis. Sie möchte ihre Zweitimpfung bekommen. Sie hat ihrer Tochter die Impfung versprochen, damit die beiden trotz der 2G-Regeln schwimmen gehen können.
Hinter mir steht ein Bauarbeiter aus Freiberg. Er ist extra von einer Baustelle gekommen. "Ich kriege nun Minusstunden, weil mein Arbeitgeber nichts von der Impfung hält", erzählt er. Deswegen kann er sich auch nur freitags impfen lassen. Sein Arbeitgeber würde einen Arbeitsausfall wegen Nebenwirkungen nicht hinnehmen.
Bereits um 14 Uhr lichtet sich die Schlange. Mitarbeiter erklären uns die Lage. Eine Zählung hat ergeben, dass bis 17.30 Uhr nur noch ein Bruchteil der Anstehenden geimpft werden kann. Der Rest wird nach Hause geschickt. Ich habe Mitleid mit den Mitarbeitern des DRK, denn der Frust der Impfwilligen entlädt sich auf sie. Eine Seniorin schreit einen Angestellten an, andere winken unter Unmutsbekundungen ab.
Auch ich ziehe nun unverrichteter Dinge und ohne Impfung ab. An der Straßenbahn treffe ich den Bauarbeiter und die junge Mutter wieder. Sie haben sich zusammengetan und wollen es in einer Reisepraxis in der Nähe erneut versuchen.
Mein Fazit: Wer sich momentan in Dresden impfen lassen möchte, muss viel Willen und Geduld mitbringen - und hat Fragen.
Warum muss das DRK viele Menschen nach Hause schicken?
"Unsere mobilen Teams sind eigentlich nur als Unterstützungsstruktur für die Hausärzte und das Land angelegt", erklärt Kai Kranich, Pressesprecher des DRK Sachsen.
Aktuell gebe es eine Kapazität der Teams von 3.000 Impfungen pro Tag in Sachsen. Geimpft würden vom DRK allerdings bereits 5000 Personen pro Tag. Die Impfangebote können die Nachfrage nicht bewältigen.
"Wir machen alles, was möglich ist, aber die mobilen Teams waren eigentlich für 60-80 Impfungen in Pflege- und Altersheimen gedacht. Das ist die Struktur mit der wir jetzt arbeiten" sagt Kranich.
Die Terminkärtchen seien nur eine Krücke um des Ansturms Herr zu werden. Es ist eine Online-Terminstruktur geplant und auch Personal, Technik und Räumlichkeiten sollen aufgestockt werden, so der Pressesprecher.
Was können Impfwillige tun?
Kranich bittet die Dresdner für eine Booster-Impfung, zuerst den Hausarzt zu kontaktieren. Wenn der keine Termine mehr hat, kann auf Ärzte, die auch Fremdpatienten impfen, zurückgegriffen werden. Eine Liste dieser Ärzte in Dresden findet sich auf der Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen.
DRK-Sprecher Kranich ist sauer auf die Politik: "Ich kann den Frust der Menschen verstehen, allerdings bleibt mir in der momentanen Situation auch keine andere Möglichkeit, als sie um Geduld zu bitten."