Freies Impfen ab Montag – das sagen Ärzte im Rödertal

Radeberg. Ab Montag müssen Hausärzte bei der Corona-Schutzimpfung nicht mehr streng nach Alter oder Beruf der Patienten gehen. Der Freistaat hebt die bisher gültige Impfpriorisierung, wonach nur ältere Menschen oder bestimmte Berufsgruppen wie Pfleger oder Erzieher berechtigt sind, in den Praxen auf. Bei Medizinern im Rödertal fallen die Reaktionen darauf ganz unterschiedlich aus.
Dr. Klaus Lorenzen, Hausarzt in Langebrück und stellvertretender Vorsitzender des Hausärzteverbandes Sachsen, bereitet die Aufhebung der Priorisierung im Augenblick mehr Sorgen, als Freude, wie er sagt. „Wenn ich für nächste Woche zwar Impfstoff bestellen kann, aber nur zwölf Dosen Biontech geliefert bekomme, frage ich mich natürlich, was eine Aufhebung soll. Insofern muss ich natürlich in gewisser Weise weiter priorisieren und kann nicht jeden impfen, der bei mir nachfragt und den ich bis zu dieser Frage vielleicht noch nie gesehen habe.“
Mediziner fordert flexiblere Bestellzeiten
Ihn stört auch, dass er nur einmal pro Woche Impfstoff bestellen darf, nämlich immer dienstags 14 Uhr. „Diese Planwirtschaft kann nicht funktionieren. Wenn ich Mittwoch oder Donnerstag merke, ich brauche noch Impfstoff, muss ich bis nächste Woche Dienstag warten, bis ich wieder bestellen kann. Und dann dauert es fast eine Woche, bis geliefert wird. Das ist zu lange.“ Dennoch kann er auf eine beachtliche Bilanz zurückblicken. „Wir haben seit dem Start der sächsischen Impfkampagne als Pilotpraxis Mitte März mehr als 400 Impfungen vornehmen können, davon 280 mit Astrazeneca und 140 mit Biontech. Wenn wir die rund 190 Biontech-Dosen als mobiles Impfteam im DRK-Pflegeheim in Langebrück hinzurechnen, kommen wir sogar auf mehr als 600 Impfungen.“ Bekäme seine Praxis genug Impfstoff, dann könnten jede Woche etwa 80 bis 100 Impfungen erfolgen.
Nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Aufhebung der Priorisierung steht die Entscheidung des Radeberger Hausarztes Yves Reinhardt. Er wird keine Erstimpfungen mehr vornehmen. „Wir impfen jetzt noch alle unsere Patienten, bei denen die zweite Dosis ansteht. Sind sie alle versorgt, dann werden wir die Impfungen einstellen“, sagt er. Patienten seiner Praxis, die sich jetzt noch für eine Impfung anmelden wollen, empfiehlt er, sich einen Termin in einem Impfzentrum geben zu lassen. Grund für diesen Schritt ist nach seinen Angaben der Impfstoffmangel. „Wir bekommen viel zu wenige Dosen. Wie lange sollen wir bei dem Mangel noch impfen. Hinzu kommt der bürokratische Aufwand. Die Impfzentren werden staatlich unterstützt. Sie sollten die Aufgabe erledigen“, sagt der Arzt.
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Außerdem müssen die anderen Patienten in der Praxis versorgt werden. Diese Aufgabe dürfe nicht vernachlässigt werden. Auch wenn seine Entscheidung, die Corona-Schutzimpfungen in seiner Praxis auslaufen zu lassen, nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Ende der Priorisierung steht, sieht er die Neuregelung skeptisch. „Ich hätte an ihr festgehalten und einem 65-Jährigen bei der Impfung immer den Vorrang gegenüber einem gesunden 30-Jährigen gegeben. Das gebietet auch unser hippokratischer Eid“, sagt der Radeberger.
Ein ganz anderes Bild in der Praxis von Dr. Peter Bacar in Radeberg. „Wir arbeiten nach und nach die Warteliste der Impfpatienten ab“, sagt Schwester Jana Ronge. Dabei sei man inzwischen gut vorangekommen. Schon jetzt habe man darauf geachtet, dass die gelieferten Dosen zügig geimpft werden. „Es wurde niemand weggeschickt, weil er vielleicht in einem Beruf arbeitet, der bisher nicht zur Priorisierung gezählt hat“, sagt sie. Sie rechnet damit, dass in der nächsten Woche die Liste der eigenen Patienten abgearbeitet ist. „Dann könnten sich durchaus Interessenten bei uns nach einem Impftermin erkundigen, wie weit dann Impfdosen vorhanden sind, muss man sehen.“
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In diesem Punkt bremst Peggy Adler, Inhaberin der Mohren Apotheke am Radeberger Marktplatz. „Gerade was Erstimpfungen angeht, kann ich in der nächsten Woche keine einzige Impfdosis ausliefern. Es werden vorrangig die bestellten Dosen für die Zweitimpfung abgegeben. Es handelt sich dabei um die Stoffe der Hersteller Biontech und Johnson&Johnson“, sagt sie. Die Apothekerin sieht die zusätzliche Belastung der Ärzte durch die Aufhebung der Priorisierung. „Die Nachfrage nach einem Termin steigt sicher noch einmal. Dem gegenüber steht der Mangel an Impfdosen. Das zu handhaben, ist keine leichte Aufgabe für die Ärzte.“
Nach ihren Worten können ab dem 7. Juni auch Betriebsärzte die Corona-Schutzimpfung verabreichen. „Nach meinen Informationen läuft die Bestellung ihrer Impfdosen separat von denen der Hausärzte. Wir hoffen, dass dann die Impfkampagne weiter an Fahrt aufnimmt.“ Das Sächsische Sozialministerium weist darauf hin, dass die Priorisierung ab dem 24. Mai nur in Arztpraxen aufgehoben wird. „Bei den mobilen Teams und in den Impfzentren wird die Priorisierung beibehalten“, teilt eine Sprecherin mit. Wann auch hier eine Freigabe erfolgt, ist unklar. „Die Beratungen dazu sind noch nicht abgeschlossen. Klar ist aber in jedem Fall: Der Bund muss genügend Impfstoff zur Verfügung stellen.“
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