Mobiles Impfen in Dresden: eine erfolgreiche Strategie?

Dresden. Wenn der Bürger nicht zum Impfzentrum kommt, muss das Impfzentrum eben zum Bürger kommen, könnte man meinen. Immerhin liegt die Landeshauptstadt mit einer Impfquote von 46,8 Prozent unter dem sächsischen Durchschnitt. Seit dem 24. Juli bietet Dresden deshalb dezentrale Impfaktionen an, begonnen wurde damals mit großem Erfolg am Rande eines Dynamo-Spiels. Bisher hat es acht weitere Impfaktionen an 18 Impftagen gegeben.
An diesem Mittwoch bilden sich Schlangen vor dem mobilen Impfzentrum der Malteser im Alten Schlachthof. Mittendrin steht Familie Sieg aus Baden-Württemberg, die eigentlich nur für eine Stadtbesichtigung nach Dresden gekommen ist. Doch nun haben sich die Eltern kurzentschlossen angestellt, um ihre Kinder impfen zu lassen. "Ich hatte die Impfpässe der Kinder in der Hoffnung mitgenommen, dass die Ständige Impfkommission ihr Okay zu den Impfungen ab 12 Jahren gibt. Als das passiert ist, haben wir gesagt: Das machen wir jetzt", sagt Mutter Stefanie Sieg. Große Angst vor dem Stich haben die Kinder an diesem Nachmittag nicht: "Ich habe schon viele Impfungen bekommen und glaube, dass auch diese gut verlaufen wird", sagt die 12-jährige Tokessa.

Neben den Kindern der Siegs haben sich allein am Mittwoch zwischen 10 und 13 Uhr insgesamt 130 Menschen im Alten Schlachthof immunisieren lassen.
Aber lassen sich die Dresdner damit wirklich locken? Und was hat sie bislang daran gehindert, ins Impfzentrum zu gehen? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:
Wie viele Menschen sind bereits mobil geimpft worden?
Bis dato konnten über die dezentralen Angebote 2.862 Impfungen verabreicht werden, sagt Frank Bauer, der Leiter des städtischen Gesundheitsamtes. Weitere Angebote dieser Art sind noch bis Ende September an verschiedenen Orten geplant. Eine fortlaufende Liste wird unter www.dresden.de/corona geführt.
Unter den Orten ist auch die Altmarkt-Galerie, in der sich am Mittwoch, dem 1. September, von 10 bis 17 Uhr alle Interessenten ohne Termin und kostenlos impfen lassen können. Ein mobiles Impfzentrum wird dann auf dem Herbert-Wehner-Platz am Eingang der Altmarkt-Galerie eingerichtet.
"Wir freuen uns, dass so viele Partner bereit sind, die Impfkampagne zu unterstützen und uns die Möglichkeit geben, die Menschen vor Ort abzuholen", sagt Juliane Morgenroth, die Pressesprecherin des Sächsischen Sozialministeriums.
Nach welchen Kriterien werden die Standorte ausgewählt?
Bei der Auswahl der Standorte für die dezentralen Impfangebote wird auf belebte Plätze und Veranstaltungen ebenso geachtet, wie auf eine Verteilung der Angebote über verschiedene Stadtteile, sagt Gesundheitsamtsleiter Bauer. Hierbei werden in der Regel Kooperationen mit Partnern vor Ort gesucht, die durch Räume und Flächen die mobilen Impfteams unterstützen können.
Der Alte Schlachthof ist beispielsweise ausgesucht worden, um zwischen Pieschen und Neustadt ein Angebot vorzuhalten, das mit den öffentlichen Verkehrsmitteln - sozusagen im Vorbeifahren - erreichbar ist. "Zudem wollen wir auch niedrigschwellige Angebote mit Parkmöglichkeiten vorhalten, damit beispielsweise immobile Personen möglichst nah an das Impfangebot kommen", sagt Bauer.
Was reizt Einkaufszentren und Konzert-Organisatoren, ihre Räume zur Verfügung zu stellen?
Für den Betreiber und Eigentümer des Alten Schlachthofs, Rodney Aust, war es keine Frage, seine Räumlichkeiten für ein mobiles Impfzentrum zur Verfügung zu stellen: "Die Veranstaltungen, die wir normalerweise machen, funktionieren einfach nicht mit Abstand – weder emotional, noch wirtschaftlich." Zwar habe es in den vergangenen Monaten einige Veranstaltungen gegeben, doch hätten diese nur mit einem Bruchteil der eigentlich geplanten Gäste stattfinden können und entsprechend nicht die erhofften Erlöse eingebracht, um kostendeckend zu sein. "Da wir wieder wirtschaftlich sinnvolle Veranstaltungen machen wollen, müssen wir testen und auch impfen", so der 50-Jährige.

Die Altmarkt-Galerie Dresden sei als zentraler und viel frequentierter Ort in Dresden bestens dafür geeignet, ein einfaches und niedrigschwelliges ergänzendes Impfangebot zu bieten. Man wolle damit weitere Zielgruppen für eine Impfung erreichen, sagt Center-Manager Jens Preißler. "Wir hoffen, dass möglichst viele Menschen dieses Angebot nutzen, damit die Corona-Lage mit einer weiter steigenden Impfquote verbessert und die Gefahr weiterer Lockdowns vermieden werden kann." Für den Handel wäre eine weitere Schließung eine Katastrophe.
Wie aufwändig sind die Aktionen für Ärzte und Pflegekräfte?
"Ärzte und Schwestern arbeiten im Akkord und das Impfangebot wird sehr gut angenommen", sagt Rico Bäßler, der Leiter des Einsatzteams der Malteser. Und das, obwohl im Vorfeld nur wenig Werbung für die Aktion im Alten Schlachthof gemacht wurde. Insgesamt waren an diesem Tag zwölf Fachkräfte im Einsatz. Neben je einem mobilen Impfteam der Malteser und Johanniter arbeiten noch zwei Ärzte und vier Krankenschwestern daran mit, möglichst viele Menschen zu impfen.
Einer der Ärzte ist Max Pyl. Nachdem er Anfang des Jahres auf einer Corona-Station gearbeitet und dort gesehen hat, wie schlecht es den Patienten mit schweren Verläufen erging, hat er sich für ein mobiles Impfteam beworben. "Ich dachte damals, wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, die Menschen vor dieser Infektion zu schützen, dann muss ich das unterstützen", erklärt der 25-Jährige.
Bevor er seinen Patienten die Spritze verabreicht, klärt er sie geduldig über mögliche Nebenwirkungen der Impfung auf. "Wenn sich Menschen bei der Impfung unwohl fühlen, sage ich ihnen, dass sie auch gern an einem anderen Tag wiederkommen können. Ich möchte überzeugen, nicht überreden", sagt Max Pyl.
Warum gibt es den Johnson & Johnson-Impfstoff nur für über 60-Jährige?
Manche Impfwillige sind zu den mobilen Angeboten gekommen, weil sie sich für die Einmal-Impfung interessieren, die mit dem Vakzin vom Hersteller Johnson & Johnson möglich ist. Damit wollen sie sich einen zweiten Termin im Impfzentrum sparen. Doch vor Ort wird ihnen gesagt, dass dieser nur für über 60-Jährige verwendet wird. Das sorgt mitunter für Ärger.
Die Basis für die Entscheidung ist sowohl die Empfehlung der Sächsischen Impfkommission (Siko) als auch der Ständigen Impfkommission (Stiko) am Robert-Koch-Institut, wonach der Impfstoff von Johnson & Johnson in der Regel Menschen ab 60 Jahren verabreicht werden soll, sagt Ministeriumssprecherin Morgenroth. Es obliege jedoch immer dem Arzt beim Aufklärungsgespräch zu entscheiden, welcher Impfstoff verabreicht wird.