Dresden. Sophia ist weit gelaufen. Von Johannstadt nach Tolkewitz. Eine Stunde lang. In ihrer Hand hielt die Zwölfjährige eine Laterne. Darin trug sie das Friedenslicht aus Bethlehem zur Dresdner Bethlehemkirche - die vorletzte Etappe einer Botschaft, die zahlreiche Dresdner erreichen wird.
Erst in diesem Jahr wurde Sophia getauft. Ihre Gemeinde hat sie auserwählt, um für sie das Friedenslicht abzuholen. Jedes Jahr bringt es ein Mitglied der Kirchgemeinde Dresden-Blasewitz zuerst in die Bethlehemkirche an der Marienberger Straße. Von dort erreicht es auch die Heilige-Geist-Kirche Blasewitz und die Versöhnungskirche Striesen.
Österreichische Pfadfinder haben das Licht zuvor in Betlehem entzündet und per Flugzeug nach Wien gebracht. Seit 1986 gibt es diesen Brauch vom Weihnachtsfrieden, der bei der Geburt Christi in Bethlehem verkündet wurde. Von Wien aus verteilen die Pfadfinder, unterstützt von zahlreichen Organisatoren, das Friedenslicht in der ganzen Welt.

Per Zug ist es auch nach Deutschland und schließlich nach Dresden gekommen. Seit dem dritten Advent brennt es in der Bethlehemkirche, wo normalerweise jeder, der das Friedenslicht bei sich zu Hause leuchten haben möchte, es mit einer eigenen Laterne abholen kann.
"Da fließen wirklich Tränen"
Doch im Corona-Jahr ist auch in Dresdens Kirchen alles anders als es immer war. Gottesdienst können zum Schutz vor Ansteckung mit dem Virus nicht wie gewohnt stattfinden. Zahlreiche Kirchenvorstände haben sich in den vergangenen Wochen die Köpfe darüber zerbrochen, wie sie den Gläubigen dennoch den für sie so wichtigen Besuch in ihrer Kirche ermöglichen können.
"Wir hatten erst geplant, unsere drei Kirchen mit Hygienevorkehrungen von nachmittags bis zum Abend offen zu halten, auch wenn kein Gottesdienst stattfinden kann", sagt Hans-Peter Hasse. Der Pfarrer der Kirchgemeinde Dresden-Blasewitz hatte alles organisiert: Helfer, die nur eine bestimmte Anzahl Menschen gleichzeitig einlassen und Musiker, die für besinnliche Stimmung sorgen.
"Aber wir haben in unserem Kirchenvorstand Mitglieder, die in Krankenhäusern arbeiten und besser als alle anderen wissen, was dort zurzeit passiert", sagt Pfarrer Hasse. So kamen die Entscheider zu dem Entschluss, dass es angesichts der dramatischen Verhältnisse unverantwortlich sei, Menschen in den Kirchen zusammenkommen zu lassen und womöglich die Gesundheit der Helfer und Musiker zu gefährden.
"Die Entscheidung, die Kirchen zu schließen, ist uns sehr schwer gefallen. Da fließen wirklich Tränen", sagt er. Auch für ihn sei es schwer zu ertragen, zum ersten Mal keine Christvespern abhalten und niemanden im Gotteshaus begrüßen zu dürfen. Folglich ist es auch nicht möglich, das Friedenslicht dort abzuholen.
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Aber Pfarrer Hans-Peter Hasse hat eine Idee: "Ich bringe das Friedenslicht aus Bethlehem zu jedem nach Hause, der sich das wünscht", sagt der 61-Jährige. Seit er sein Vorhaben in der Gemeinde bekannt gemacht hat, klingelt unaufhörlich sein Telefon. Von 14 bis 20 Uhr wird er von Haus zu Haus gehen und ausgestattet mit Maske und Laterne das Licht kontaktlos an die ihm gebotenen Kerzen der Menschen übertragen. "Ich komme zu niemandem in die Wohnung", sagt er. Auf keinen Fall möchte er jemanden gefährden, und auch er selbst zähle schließlich schon zur Risikogruppe.
Am Abend wird das Friedenslicht auch den Weg zu ihm nach Hause finden. "Dann verbringe ich den Heiligabend daheim mit meiner Frau."
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