Gut, wenn Kapellmeister das 360-Grad-Dirigieren beherrschen. Nicht anders könnte derzeit Daniel Orén im Kulturpalast die CD-Aufnahmen zu Verdis Oper „La Traviata“ leiten. Dresdens Philharmoniker sitzen mit erheblichem Abstand auf der vergrößerten Bühne. Die Solisten und der Chor der Staatsoper sind im Parkett und auf den Rängen verteilt. Trotz Distanz sind die Emotionen groß. Klar, bei mitreißenden und anrührenden Weisen wie „Auf, trinket in durstigen Zügen“, „E strano – wie seltsam“ und „O lass uns fliehn“.
„La Traviata – die vom Wege Abgekommene“, passt im übertragene Sinne zur Situation des städtischen Orchesters. Denn der Klangkörper ist seit März 2020 durch Corona gezwungen, eingefahrene Wege zu verlassen und neue zu suchen. Trotz Kurzarbeit und Lockdowns wurden interessante Formate etabliert, digitale Angebote entwickelt und ausgebaut sowie mit einem tragfähigen Hygienekonzept Konzerte mit Publikum ermöglicht. Insgesamt gab es seit vergangenem Juni 129 große Veranstaltungen – davon 58 der musikalischen Bildung – und über 300 kleine. „Corona ist eine krasse Zäsur und unsere Lernkurve steil“,so Intendantin Frauke Roth am Donnerstag. „Dass vieles und viel Neues möglich war, ist von Anfang an eine Teamleistung aller Musiker, aller Mitarbeiter.“
Neues Publikum durch neue Formate
Ursprünglich wollte die Philharmonie ihr Jubiläum groß feiern. Das Orchester beruft sich auf eine 150-jährige Historie, die eigentlich größer ist, wenn man die Ära der allerersten städtischen Musiker, die der Stadtpfeifer, mitrechnet. Das meiste an den geplanten, repräsentativen Jubiläumsvorhaben fiel aus. Als ein normaler Musikbetrieb unmöglich war, wurden CDs wie „Fidelio“, Schuberts C-Dur-Sinfonie und dessen „Unvollendete“ realisiert. Einige Aufführungen wie die Haydn-Hindemith-Programme im Juni und das 150-Jahre-Festkonzert im November spielten die Künstler als Radiokonzerte oder Livestreams.
Ein neues, ein anderes Publikum konnten sie mit Formaten wie den neu etablierten „1:1Concerts“ und „phil_zu_zweit“-Miniauftritte in Pflege- und Sozialeinrichtungen erreichen. „Das Gesamt-Onlineformat ,#weiterhören’ fand anfangs großes Interesse“, so Roth. Insgesamt gab es dort gut 400.000 Zugriffe, „wobei die Verweildauer zwischen wenigen Sekunden und vier Minuten zeigt, dass digitale eben die Live-Angebote nicht ersetzen können“.
Bis ein Konzertbetrieb wieder läuft, ackern die Philharmoniker so weiter. Im April nehmen sie Belcanto-Arien auf. Im März und April entstehen Rundfunkbeiträge, etwa mit Chefdirigent Marek Janowski.
Um Offerten zu optimieren, sucht die Philharmonie das Gespräch mit Besuchern. Wer angerufen werden möchte, kann sich unter [email protected] oder telefonisch unter 0351 486 6866 melden.