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Es ist falsch, nur auf Inzidenzen zu schauen

Infektionszahlen sind nur ein Indiz für die aktuelle Corona-Lage. Politik muss flexibel bleiben.

Von Gunnar Klehm
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© dpa

Der Plan für Lockerungen der Corona-Maßnahmen soll in Sachsen also noch strenger an die täglichen Inzidenzzahlen des Robert-Koch-Instituts gekoppelt werden. Die Arbeit der Wissenschaftler dort ist wichtig. Sich politisch von den RKI-Zahlen abhängig zu machen, ist aber falsch.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens ist das die Testintensität, die sich täglich ändern kann. Nur ein Beispiel. Nicht alle Labore testen und übermitteln sonntags Daten. Die monatelange Praxis zeigt eindeutig, dass jede Woche die Infektionszahlen montags und dienstags besonders niedrig sind und jeden Donnerstag und jeden Freitag am höchsten.

An vier aufeinander folgenden Tagen darf ein Grenzwert nicht überschritten werden. Sonst gehen Lockerungen wieder flöten. Das wird nun ein Zittern vor dem Donnerstag geben. Dabei kennt der Virus gar keine Wochentage. Dieses Datum ist nicht virus- sondern menschengemacht.

Parallelwelten bei Datenübermittlung

Zweitens ist selbst das RKI von seinen eigenen Zahlen weniger überzeugt als von denen der Gesundheitsämter. Die RKI-Wissenschaftler erheben selbst keine Infektionszahlen, sondern sind darauf angewiesen, dass sie ihnen übermittelt werden. In Zeiten hochentwickelter Informationstechnologien sollte das kein Problem sein. Das Ergebnis dürfte eigentlich nur einen Tastendruck entfernt sein. Ist es aber nicht!

Beispiel Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: Das RKI veröffentlicht seit drei Tagen eine Inzidenz von unter 100, zweimal sogar unter 90. Das Gesundheitsamt in Pirna aber für die gleichen Tage Zahlen weit über 100. Das Landratsamt gibt seine Werte ins Programm Octoware ein, weil es sich bewährt hat. Andere arbeiten mit dem Programm Sormas.

Das RKI gibt auch deshalb die Verantwortung an die Gesundheitsämter ab und erklärt: Deren Zahlen sind maßgebend! Das Sächsische Sozialministerium legt aber fest: Die RKI-Zahlen sind maßgebend! Es gibt viele Erklärungen, wie es zu den Parallelwelten bei der Datenübermittlung kommt. Aber noch keine, weshalb man sich politisch auf nur eine Welt festlegt.

Medizinische Versorgung ist maßgebend

Die Zielrichtung der Maßnahmen war mal eindeutig. Es hieß, dass die medizinische Versorgung nicht gefährdet werden darf. Das stand im Dezember örtlich tatsächlich infrage. Die Situation hat sich aber verbessert. Die Notfallversorgung war zu jeder Zeit gesichert. Das ist ein entscheidender Maßstab. Spielt für Maßnahme-Lockerungen aber überhaupt keine Rolle mehr.

Klar ist inzwischen bei allen, dass das Coronavirus mit Maßnahmen demnächst nicht komplett ausgerottet wird. Aber ebenso, dass die wirtschaftlichen Einschränkungen nicht endlos aufrechterhalten werden können.

Deshalb ist es zwingend, dass die Entscheidungsträger flexibel bleiben. Maßnahmen dürfen nicht davon abhängen, welche Software bei der Verwaltung der Corona-Pandemie verwendet wird oder an welchem Wochentag Infektionszahlen ermittelt und weitergeleitet werden.

So sehr auch diese Sehnsucht in der Bevölkerung wächst: Die einfache Lösung gibt es nicht. Dafür sind die Ereignisse zu komplex. Auf globaler Ebene sowieso, aber auch auf der kommunalen. Dass das einzelne Menschen überfordert, ist nachvollziehbar, darf aber nicht Grundlage des politischen Handelns werden.

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