EU bereitet digitalen Impfpass vor

Von Detlef Drewes
Brüssel. Griechenland, Kroatien und etliche andere sind schon vorgeprescht. Wer den vollen Impfschutz hat oder eine Covid-19-Infektion überstanden hat, darf bereits jetzt ohne Test und Quarantäne einreisen und sich an den Stränden tummeln. Die meisten anderen warten noch – vor allem auf den grünen Impfpass, den die EU seit Wochen vorbereitet.
Dabei geht es genau genommen nicht um einen Pass und auch nicht um einen Ersatz für das gelbe Büchlein, das jeder Bürger hat und das alle seine Impfungen belegt. Die Union arbeitet vielmehr an einem fälschungssicheren QR-Code, der in der dazugehörigen App nur wenige Informationen speichert: Namen, Impfstoff und Impfdatum des Inhabers plus einer digitalen Signatur. Das reicht.
Wer diesen Code auf seinem Mobiltelefon, seinem Pad oder ausgedruckt auf Papier vorweisen kann, dem sollen sich zunächst innerhalb der Union die Grenzen wieder öffnen. Grenzbeamte, Airlines, Hotels, Restaurants und andere Anbieter können dann per Scan den Gesundheitsstatus der Person auslesen, ohne dass dabei Datenschutz-Standards verletzt werden.
Impfangebot für 70 Prozent im Juli?
Als Start gibt die EU-Kommission den 1. Juni 2021 an, andere sprechen dagegen von Ende dieses Monats. Die kleine Ungenauigkeit hat ihren Grund: in Brüssel weiß man, dass es nicht nur darum gehen darf, Personen mit vollem Impfschutz ihre Rechte wiederzugeben. Auch der Fairness-Grundsatz müsse beachtet werden, betonen EU-Kreise immer wieder.
Das heißt: Der Impfpass kann erst dann kommen, wenn alle die Chance hatten, eine Impfung zu bekommen. Deshalb schließt sich mit diesen Daten aus Sicht der EU-Behörden ein Kreis. Erst in der Vorwoche hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen betont, angesichts des immer breiteren Stroms an zur Verfügung stehenden Impfstoffen – ein neuer Vertrag über 1,8 Milliarden Dosen mit Biontech/Pfizer steht wohl kurz vor dem Abschluss – könne das gesteckte Ziel früher als bisher erwartet werden: Demnach wäre es nämlich schon bis Juli möglich, 70 Prozent aller Erwachsenen in der Union ein Impfangebot zu machen.
EU-weit nach den gleichen Maßstäben
Unabhängig von der Frage, ob es auch jeder annimmt, gilt diese Marke als wichtiger Punkt, ab dem die alten Freiheiten wiederkehren könnten. Wer nicht geimpft werden möchte, dürfte dann natürlich trotzdem reisen, muss aber die Auflagen der Mitgliedstaaten akzeptieren: Dann werden Tests und in den meisten Ländern auch Quarantäne-Zeiten fällig.
Die EU-Kommission baut derzeit die technische Infrastruktur auf, denn das Zertifikat selbst bleibt Sache der Mitgliedstaaten. Die Codes werden nur in allen EU-Ländern nach den gleichen Maßstäben bereitgestellt, so dass sie überall gelesen werden können.
Gültigkeit für sechs Monate?
Die Herausforderungen dafür sind hoch: Allein in der Bundesrepublik müssen 40 Impfzentren und rund 55.000 Praxen angeschlossen werden, um den Code zu generieren und dann digital der geimpften Person zur Verfügung zu stellen. Nach der Einführung soll dies parallel zum Piks geschehen. Wer bis dahin bereits geimpft ist, kann sich nachträglich seinen persönlichen Code beim Arzt oder in den Impfzentralen abholen.
In Brüssel würde man das digitale Dokument gerne als generellen Türöffner verstehen, der Einkaufen, Restaurant- und Theater-Besuche, Hotel-Aufenthalte, Flüge, Bahnreisen und andere möglich macht. Doch diese Details sollen die Mitgliedstaaten festlegen und dabei zugleich bestimmen, ob jedes Unternehmen und jeder Betrieb vom Schwimmbad bis zum Friseur das Recht hat, den QR-Code auszulesen– zumal in Deutschland geplant ist, den grünen Impfpass der EU im kommenden Jahr mit der Gesundheitskarte zu verschmelzen.
Und noch eine Frage ist derzeit offen: Wie lange behält ein Impf-Zertifikat seine Gültigkeit? Bisher geht man in Brüssel von rund sechs Monaten aus. Ob diese Frist auch verlängert werden kann, müssen die Mediziner beantworten. Denn das hängt allein davon ab, wie lange der Impfschutz anhält.