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Moritzburger Ärztin wegen falscher Corona-Maskenatteste in Haft

Eine Medizinerin soll gegen Geld Gefälligkeitsatteste wie Befreiungen von der Maskenpflicht ausgestellt haben. Mehr als 100 Fälle sind bekannt. Nicht ihr erster Konflikt mit dem Gesetz.

Von Ulrich Wolf & Dominique Bielmeier & Ines Mallek-Klein
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Eine sächsische Ärztin soll Patienten pauschal gegen Geld Atteste ausgestellt haben, die sie von der Maskenpflicht befreiten. Nun wurde die Frau festgenommen.
Eine sächsische Ärztin soll Patienten pauschal gegen Geld Atteste ausgestellt haben, die sie von der Maskenpflicht befreiten. Nun wurde die Frau festgenommen. © Marijan Murat/dpa

Moritzburg/Dresden. Der Zugriff der Polizisten erfolgte am frühen Dienstagmorgen. Die Ärztin Bianca W. aus Moritzburg wurde verhaftet. Es habe akute Fluchtgefahr bestanden, begründet der Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft, Jürgen Schmidt, diesen Schritt. Die 66-Jährige praktiziert in der Gemeinde als Fachärztin für Allgemeinmedizin, hat sich aber auch auf Pharmakologie und Toxikologie spezialisiert.

Die Staatsanwaltschaft Dresden wirft ihr vor, in mindestens 162 Fällen unrichtige Gesundheitszeugnisse ausgestellt zu haben. Diese ließ sie sich offenbar bezahlen und hat so 12.500 Euro eingenommen. „Wir gehen von einer deutlich höheren Schadensumme und auch Fallzahl aus“, so Sprecher Jürgen Schmidt. Bei den nun verhandelten Fällen sei der dringende Tatverdacht nachgewiesen.

Die falschen Atteste wurden dabei nicht nur an Patienten aus der Region vergeben. Die beschuldigte Ärztin arbeitete offenbar auch mit Heilpraktikern und Bestattungsinstituten außerhalb von Sachsen zusammen, die unter anderem ihre Räume für Sammeltermine zur Verfügung stellten.

Die Ermittlungen in dem Fall reichen bis in den März des vergangenen Jahres zurück. Ende September 2022 kam es dann zu Durchsuchungen in insgesamt 84 Objekten, darunter vier in Sachsen, neun in Brandenburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg sowie 71 in Mecklenburg-Vorpommern. Insgesamt habe man dabei 317 unrichtige Atteste sichergestellt.

Der Pressemitteilung der Dresdner Staatsanwaltschaft zufolge waren damals 225 Polizeibeamte in die Ermittlungen eingebunden. Sie führten auch zu vier Bediensteten der sächsischen Polizei, gegen die Ermittlungen angekündigt wurden, weil sie sich ebenfalls Gefälligkeitsatteste von der Ärztin haben ausstellen lassen.

Die Papiere bescheinigen dem Patienten, dass er aus gesundheitlichen Gründen keinen Mund-Nasenschutz tragen muss, dass ein Impfverbot jeglicher Art bestehe und dass Corona-Tests nicht über die Nase, sondern nur mit Speichel durchgeführt werden dürfen.

Bei der Festnahme am Dienstagmorgen wurde ein Handy und ein vierstelliger Bargeldbetrag sichergestellt.

Verhungerte Schafe und illegaler Waffenbesitz

Die Ärztin ist bereits polizeibekannt. Im Januar 2013 erstatteten Mitarbeiter des Meißner Tierschutzzentrums Anzeige, nachdem sie nach einem Hinweis auf einer Weide bei Moritzburg neun tote Schafe entdeckt hatten, ein zehntes Schaf starb vor ihren Augen. Alle Tiere waren über Tage und Wochen vernachlässigt worden. Sie starben an Auszehrung, in ihren Mägen fand man Folienreste, sie hatten offenbar alles gefressen, was sie auf der winterlichen Weide finden konnten. Tierhalterin damals war besagte Medizinerin, die aber argumentierte, ihr Vater hätte es nicht mehr geschafft, sich um die Tiere zu kümmern.

Ein Jahr später, 2014, hatte Bianca W. erneut Ärger mit der Justiz. Die Hobby-Falknerin, die sich mit ihren Eulen und Greifvögeln auch auf der Messe Jagen-Reiten-Fischen in Dresden präsentierte, steht wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz vor Gericht. Sie hatte elf, teilweise nicht gemeldete, Waffen und mehrere Hundert Schuss Munition gehortet, war auch Mitglied im Moritzburger Schützenverein.

Dass sie damals ihren Personalausweis abgab, weil sie die Bundesrepublik als Staat nicht anerkennt, schützte sie nicht vor der Strafverfolgung. Sie musste 2.700 Euro zahlen und bekam von der Landesdirektion Sachsen zeitweise ihre Zulassung als Ärztin aberkannt. Das sorgte damals für Aufregung bei ihren Patienten, sie fürchteten um ihre medizinische Betreuung und baten selbst den Moritzburger Gemeindechef um Unterstützung.

Dabei gibt es in der Gemeinde mit den umliegenden Ortsteilen drei weitere Allgemeinmediziner. Eine Ärztedichte, von der andere ländliche Regionen nur träumen können. Bianca W. praktizierte zwischenzeitlich wieder. Nachbarn sprechen von regem Zulauf und im Internet findet man noch aus dem März 2022 Einträge, die sie als „Ärztin mit ganz viel Herz“ loben und als Ärztin, „die wirklich an der Gesundheit der Menschen interessiert“ sei.

Daten von 317 möglichen Kunden ermittelt

Am Dienstag wurde Bianca W. dem Haftrichter vorgeführt. Er entscheidet, ob sie bis zum Verfahrensbeginn in U-Haft bleiben wird. Kann ihr im anstehenden Verfahren das gewerbsmäßige Ausstellen falscher Gesundheitszeugnisse in besonders schwerem Fall nachgewiesen werden, drohen ihr zwischen drei Monate und fünf Jahre Haft - für jeden einzelnen Fall.

Bianca W. ist in der sächsischen Ärzteschaft kein Einzelfall, auch wenn der Sprecher der Landesärztekammer Sachsen erklärt, dass mehr als 99 Prozent der Mediziner die Coronaschutzmaßnahmen strikt eingehalten haben. Und dennoch, der Kammer sind in den vergangenen Jahren immer wieder Fälle zugetragen worden, in denen falsche Atteste und Impfnachweise ausgegeben wurden. „Wir haben all diese Fälle an die zuständigen Behörden weitergeleitet“, so Knut Köhler und er ergänzt „uns ist wichtig, dass auch das Fehlverhalten von Medizinern entsprechend sanktioniert wird“.

Im Zuge der Ermittlung gegen Bianca W. wurden auch die Daten von 317 Personen ermittelt, die sich die Atteste haben ausstellen lassen. Wie sie belangt werden, müsse nach Aussage des Sprechers der Staatsanwaltschaft im Einzelfall ermittelt werden.