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Macht endlich wirklich was für Familien!

In Sachsen bleiben heute viele Schulen zu. Das ist Mist. Aber es geht wohl nicht anders. Warum Familien jetzt mehr Unterstützung brauchen.

Von Marc Hippler
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Familien kommen in der Corona-Politik immer noch zu wenig vor.
Familien kommen in der Corona-Politik immer noch zu wenig vor. © dpa

Dresden. Am Montag machen in Sachsen wieder viele Schulen zu, und das ist keine gute Nachricht. Doch leider geht es wohl nicht anders. Nach mehr als einem Jahr Pandemie sind alle Eltern müde, wütend oder eben mütend. Niemand will seinen Kindern das ewige Hickhack weiter zumuten, ihnen die Freunde vorenthalten und schon gar nicht eine gute Bildung. Und niemand will, dass ein Kind krank wird oder andere infiziert.

Um noch einmal daran zu erinnern: Die eigentliche Bedrohung kommt nicht von der Idee, Schulen und Kindergärten in letzter Konsequenz zu schließen. Die Bedrohung kommt von einem Virus, das für manche Menschen lebensgefährlich ist, viele schwer krank macht und das möglicherweise zu Langzeitfolgen auch bei Kindern führt. Damit müssen wir umgehen.

Sachsen hat die höchste Corona-Inzidenz bei Kindern

Wir könnten jetzt darüber reden, dass zwischendurch der Eindruck entstanden war, Kinder seien von einem magischen Schutzschild umgeben, das sie vor Corona bewahrt. Wir könnten darüber reden, dass eine Inzidenz von 200 in der Gesamtbevölkerung eine deutlich höhere Inzidenz bei Kindern bedeutet, wenn mehr Ältere geimpft sind (Sachsen hat übrigens die höchste Inzidenz unter Kindern und Jugendlichen in Deutschland). Und wir könnten über Eltern reden, die sich eben nicht nur darum sorgen, wie sie Arbeit und Familie unter einen Hut bekommen – sondern die sich fragen, wer sich eigentlich um ihre Kinder kümmert, sollten sie selbst schwer krank werden.

Alle sind genervt, immer mehr sind mütend. Zu Recht. In der Corona-Politik gibt es schon lange kein kommuniziertes Etappen-Ziel mehr, sondern ein einziges Durchwurschteln, bis endlich genügend Menschen geimpft sind. Natürlich ist es für Politiker schwer, das Richtige zu tun in so einer Lage. Aber für Familien sieht es gerade weder nach konsequentem Gesundheitsschutz noch nach vehementen Einsatz für Bildung aus. Allein der willkürliche Grenzwert von 165 wäre ein Witz, wenn es nicht so traurig wäre. Wir machen das hier doch nicht seit letztem Dienstag, meine Damen und Herren!

Niemand regiert und Familien baden es aus

Schon im vergangenen Jahr war klar: Entweder wir bekommen Schule mit Masken, Luftfiltern, halben Klassen und verpflichtenden Tests so sicher wie nur möglich hin oder wir organisieren strukturierten Distanzunterricht so gut, dass weder Kinder noch Eltern wahnsinnig werden. Leider stellen wir fest: Hat beides nicht geklappt. Also machen wir irgendwas, aber nichts konsequent.

Niemand regiert und die Familien, Lehrerinnen und Erzieher baden es aus. Die meisten von ihnen übrigens ziemlich still und regelkonform, aber mit wachsendem Groll und Verzweiflung. Seit. Einem. Jahr. Da helfen auch ein paar Kinderkrankentage zusätzlich nicht.

Wenn der Corona-Spuk vorbei ist, gibt es eine Menge gutzumachen

Die allermeisten Eltern schicken ihre Kinder zur Schule, trotz ausgesetzter Präsenzpflicht. Einige tun es mit keinem guten Gefühl, sondern weil sie keine Wahl haben. Weil Homeoffice nicht geht, weil Homeschooling unmöglich ist oder weil sie alleinerziehend sind und niemanden haben, der sich kümmern kann. Übrigens hilft es auch sozial schwachen Familien, wenn die Inzidenz niedrig ist. Denn sie sind nachweislich stärker von Corona betroffen als Familien, die mehr Geld haben.

Wenn der Spuk vorbei ist, gibt es eine Menge gutzumachen. Denn was diese Krise gezeigt hat: Familien kommen in der Politik kaum vor. Kinder sind Schüler mit Lerndefiziten, Eltern sind gestresste Arbeitnehmer im Notbetreuungsdilemma. Und die einzigen, die mit Kindern reden, sind Figuren der Augsburger Puppenkiste.

Wenn uns Familien und Kinder wirklich so wichtig sind, müssen wir ihnen das zeigen. Wir müssen Familienpolitik zur wichtigsten Aufgabe machen. Nicht nur in den nächsten Corona-Monaten, sondern immer.

Hier ein paar Vorschläge für die nächste Zeit.

  • Wir erklären dieses Schuljahr für beendet, ohne von einer verlorenen Generation zu tönen. Für Abschlüsse finden wir eine Lösung, alles andere halten wir aus und machen den Kindern nicht auch noch zusätzlichen Druck, sondern kümmern uns vor allem um ihre psychische Gesundheit.
  • Wir helfen Familien, die Unterstützung bei Erziehung und Bildung brauchen, ab sofort mit aller Kraft und auch dann noch, wenn die Inzidenz schon längst wieder so gering ist, dass sie niemand mehr messen kann.
  • Familien bekommen Extra-Urlaubstage. Vielleicht findet sich ja sogar jemand im Kollegenkreis, der sie spenden will.
  • Wenn die Restaurants wieder geöffnet sind und die Zweijährige schreit, wäre es total schön, wenn keiner die Augen verdrehen würde. Auch das sorgt für ein familienfreundliches Klima.
  • Freiwilliges Homeoffice wird normal, wo immer es geht. An vielen Stellen hat es in vergangenen Monaten gut funktioniert und kann das Leben von vielen Familien deutlich flexibler machen.
  • Wenn ein Kind ein gebrochenes Bein hat oder der Schulbus nicht kommt, macht es einfach per Video beim Unterricht mit.

Niemand hat sich diese Krise ausgesucht. Wofür wir uns aber entscheiden können, ist, nach der Krise nicht so weiterzumachen wie bisher. Und dann immer noch mindestens so leidenschaftlich um das Wohlergehen von Familien zu streiten wie in der Frage, wie wichtig es ist, morgens um 8 in einem Klassenraum zu sitzen.