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„Mehr als die Hinrunde wird nicht gehen“

Freitals Leistungsträger Rico Tänzer spricht über die aktuelle Fußball-Saison - und wie er einst per Mail einen neuen Verein suchte.

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Wurde beim Chemnitzer FC ausgebildet: Rico Tänzer.
Wurde beim Chemnitzer FC ausgebildet: Rico Tänzer. © Archiv: Matthias Rietschel

Freital. Die Saison in der Fußball-Landesliga ist unterbrochen. Das erklärte Ziel des Sächsischen Fußball-Verbandes: Wenigstens die Hinrunde mit insgesamt 19 Spieltagen beenden. Aktueller Tabellenführer ist der SC Freital.

Einer der auffälligsten Akteure beim Spitzenreiter war bisher der gebürtige Chemnitzer Rico Tänzer, der auch die Kapitänsbinde für den verletzten Marian Weinhold trug. Der 24-Jährige, der im 7. Semester Heilpädagogik studiert und noch ledig ist, kam im Vorjahr vom Liga-Kontrahenten Einheit Kamenz.

Herr Tänzer, seit dem 6. November gab es kein Pflichtspiel mehr. Wie sehr fehlt Ihnen der Fußball?

Sehr. Fußball ist ein fester Bestandteil meines Lebens. Dreimal Training pro Woche und die Spiele am Wochenende sind fest in meiner Planungsstruktur verankert. Der enge Kontakt zu Mitspielern, Trainern, Verantwortlichen oder Fans, mit denen ich viel Zeit auf und neben dem Fußballplatz verbringe, fehlen mir jetzt. Selbstverständlich kann ich die frei gewordene Zeit mit anderen Dingen ausfüllen, aber letztendlich ist es nicht das, was mir der Fußball gibt. Bei Familienvätern ist das sicher etwas anderes. Da sind einige Sachen vielleicht liegengeblieben, die jetzt abgearbeitet werden können. Am Ende hat der Fußball aber für uns alle einen hohen Stellenwert.

Sie studieren in Görlitz. Der Präsenz-Unterricht wird auch sicher immer weniger, oder?

Seit November haben wir nur noch Online-Vorlesungen. Mich trifft es aber nicht so hart, da ich im letzten Semester bin und nicht mehr die Fülle an Veranstaltungen absolvieren muss.

Im Nebenjob arbeiten Sie für eine pädagogisch-therapeutische Jugendwohngruppe. Wie bekommen Sie das während der Fußball-Saison zeitlich alles unter einen Hut?

In Görlitz gibt es ein Modell, dass Montag und Freitag für Praxistage freigeblockt wurden. Ich war also nur von Dienstag bis Donnerstag in der Neißestadt zum Präsenzstudium, habe dort bei Kommilitonen gewohnt. Das hat gut gepasst, auch mit dem Training in Kamenz.

Warum dann der Wechsel nach Freital?

Ich habe die ersten zwei Jahre meines Studiums bei Einheit gespielt. Das passte gut, aber ich konnte die Fahrgemeinschaften bei Einheit nicht nutzen. Ich war daher meistens allein auf der Autobahn unterwegs - von Dresden nach Görlitz, weiter nach Kamenz und zurück in die Landeshauptstadt. Das schlaucht dann irgendwann, kostet auch mental ein paar Kräfte. Da ich in Dresden-Löbtau wohne, hat sich der Wechsel nach Freital angeboten.

Wären Sie auch gekommen, hätte der Vorgängerklub Hainsberger SV 2020 den Landesliga-Aufstieg verpasst?

Das ist eine sehr gute Frage. Ich denke, ich wäre trotzdem gewechselt. Es hätte nur einen einzigen sportlichen Grund gegeben, in der Lessingstadt zu bleiben.

Welchen?

Als die Landesliga-Saison 2019/20 abgebrochen wurde, lagen wir nach 17 Spieltagen ungeschlagen an der Spitze. Das Präsidium hat dann aber den Aufstiegsverzicht erklärt. Ich glaube, ein weiteres Oberligajahr hätte ich mir nicht entgehen lassen. Ich habe insgesamt vier Jahre für Einheit gespielt, unter anderem 2017/18 in der Oberliga. Ich habe diese Herausforderung genossen.

Nach dem Aufstieg der Hainsberger und der folgenden Fusion hat der Sportclub 18 Punktspiele in der Sachsenliga bestritten und noch nie verloren. Der Oberliga-Aufstieg ist Pflicht, oder?

Der Wille, aufzusteigen, ist bei uns allen. Von einer Pflicht würde ich aber nicht sprechen, niemand übt da Druck auf die Spieler und Trainer aus. Wir ziehen alle an einem Strang, niemand muss extra motiviert werden. Bisher haben wir kein Punktspiel verloren und diese Zahlen sprechen für uns.

Ihr Team hat in der aktuellen Saison in elf Punktspielen nur ein Gegentor kassiert. Offensiv weist der SCF hingegen nur einen Mittelwert auf. Bedingt das eine das andere?

Nein, das würde ich nicht sagen. Wir haben achtmal gewonnen und dreimal remis gespielt. Sicher hätten wir alle Partien gewinnen können, denn wir verzeichneten immer genügend Torchancen. In der ersten Landesliga-Serie waren wir etwas effektiver. Wir arbeiten daran, dort wieder hinzukommen, werden aber auch weiterhin unsere Defensive nicht vernachlässigen.

Sie wechselten 2016 aus dem Nachwuchsabteilung des Chemnitzer FC nach Kamenz. Wie kam er Wechsel zustande?

Angefangen habe ich zu Hause bei der SG Adelsberg. Ab der D-Jugend habe ich beim CFC gespielt, ab der B-Jugend war ich auf dem Sportgymnasium in Chemnitz. Wie fast alle Jungs dort hatte ich den Traum, mein Geld als Profi zu verdienen. Im A-Juniorenbereich habe ich aber gemerkt, dass es für ganz nach oben nicht reichen wird. Da ich das Abi in der Tasche hatte, studieren wollte und nach Dresden umgezogen bin, habe ich zusammen mit Kurt Herzig, der ja auch beim Sportclub spielt, einen neuen Verein gesucht.

Wie sind Sie vorgegangen?

Wir haben E-Mail-Anfragen an Einheit Kamenz, den Bischofswerdaer FV und den VfL Pirna-Copitz geschickt und dort auch Probetrainings absolviert. Am Ende wurde es Kamenz und es folgten vier schöne und erfolgreiche Jahre beim SV Einheit.

Viele Spieler und Trainer gehen davon aus, dass nach der Hinrunde, also nach 19 Spieltagen, abgerechnet wird. Was sagt Ihr Bauchgefühl?

Ich denke auch: Mehr als die Hinrunde wird nicht gehen. Dann hätte zumindest jede Mannschaft im 20er-Feld einmal gegen die anderen Vereine gespielt. Danach abzurechnen wäre zwar keine optimale, aber unter den Gegebenheiten eine faire Lösung.

Das Gespräch führte Jürgen Schwarz.