Gebirgsorte sind Corona-Spitzenreiter

33 neue Corona-Fälle innerhalb einer Woche. So viele Neuinfektionen verzeichnete die Gemeinde Jonsdorf zuletzt. Auf den ersten Blick sieht diese Zahl gering aus - auch wenn man sie mit der Gesamtzahl im Landkreis Görlitz von 1.675 Fällen vergleicht. Und doch katapultiert diese Zahl den Gebirgsort in eine Spitzengruppe, in der Jonsdorf nur ungern ist. Der kleine Ort im Zittauer Gebirge gehört zu den sächsischen Gemeinden mit dem höchsten 7-Tage-Inzidenz-Wert. Der liegt bei 2.131. Nur die Gemeinde Weißkeißel hat im Landkreis Görlitz einen höheren. Das geht aus internen Unterlagen der Staatsregierung hervor, die der Sächsischen Zeitung vorliegen.
Für die Jonsdorfer Bürgermeisterin Kati Wenzel (parteilos) ist die hohe Zahl an Corona-Fällen unerklärlich. "Wir haben ein Altenpflegeheim, in dem die Situation bei Bewohnern und Personal durchaus kritisch ist", sagt die junge Gemeindechefin. Das könne aber nicht die alleinige Erklärung dafür sein, glaubt sie. Es seien derzeit kaum Menschen auf der Straße unterwegs, Jonsdorf wirke wie "ausgefegt", so Kati Wenzels Eindruck. Diejenigen, die sich noch draußen bewegen, halten sich meistens an die aktuellen Corona-Regeln, sagt die Bürgermeisterin. Und so ist nicht klar erkennbar, warum sich so viele Jonsdorfer mit Corona anstecken.
Grenznähe: Kein Grund für hohe Corona-Zahlen
Mancher hat eine schnelle Erklärung zur Hand: Die Grenznähe sei schuld, so die Vermutung. Zwar machte Jonsdorf vor einigen Tagen Schlagzeilen, weil tschechische Schüler in der Eishalle waren. Sie können aber keinesfalls der Grund für die hohen Corona-Zahlen im Kurort sein, ist sich Kati Wenzel sicher. Denn die Tschechen seien unter sich geblieben, hatten keinen Kontakt zu Jonsdorfern. "Und andere tschechische Bürger kommen derzeit nicht über die Grenze", sagt die Bürgermeisterin.
Ihre Seifhennersdorfer Amtskollegin Karin Berndt (UBS) hält den Vorwurf, die Grenznähe sei Schuld, gar für gefährlich. "Ich mag solche Diskussionen gar nicht. Damit zündelt man mental", meint sie. Auch Seifhennersdorf gehört zu den Kommunen mit den höchsten Inzidenzwerten in ganz Sachsen. Laut den Unterlagen der Staatsregierung liegt die 7-Tage-Inzidenz in der Oberlandstadt bei 1.666. Dieser Wert resultiert aus 61 neuen Corona-Fällen innerhalb von einer Woche.
Karin Berndt findet ebenfalls keine eindeutige Erklärung für den hohen Wert. Ein Grund könnte die Überalterung der Bevölkerung sein. Aber das ist nur eine Vermutung, weil immer wieder erklärt wird, dass Senioren in Sachen Corona gefährdeter sind.
Ein Grund könnte auch in Seifhennersdorf der Pflegestift sein. Heimleiterin Inge Jandt bestätigt gegenüber der SZ, dass es mehrere Corona-Fälle in der Einrichtung gab. Wie viele es genau sind, will sie nicht öffentlich machen. Erst nachdem einige Bewohner Symptome hatten, sei in der Einrichtung umfassend getestet und das Ausmaß der Corona-Infektionen deutlich geworden. Das Pflegestift in Seifhennersdorf steht noch bis mindestens Dienstag unter Quarantäne.
Pflegeeinrichtungen sind Corona-Hotspots
Die Pflegeeinrichtung in der Oberlandstadt ist keinesfalls ein Einzelfall. In den vergangenen Wochen sind immer wieder größere Corona-Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen bekannt geworden. Der Landkreis zählt derzeit 25 Pflegeeinrichtungen zu den Corona-Hotspots, wie Kreissprecherin Julia Bjar auf SZ-Nachfrage mitteilt. Dabei handele es sich um fünf Einrichtungen der Behindertenhilfe und 20 Altenheime. Sie wurden unter Quarantäne gestellt. Betroffen sind neben dem Seifhennersdorfer Heim auch Einrichtungen in Jonsdorf, Olbersdorf, Ostritz und Oybin. Alle diese Gemeinden haben eine 7-Tage-Inzidenz von über 1.000.
Wie Kati Wenzel angemerkt hatte, können die Corona-Ausbrüche in den Seniorenheimen nicht der alleinige Grund für die hohen Fallzahlen sein. Denn auch Schönau-Berzdorf zählt zu den Gemeinden mit einer sehr hohen 7-Tage-Inzidenz (1.164). Und dort gibt es kein Pflegeheim. Bürgermeister Christian Hänel ist selber überrascht über diesen traurigen Spitzenwert. Es sei alles ruhig in Schönau-Berzdorf und seinem Ortsteil Kiesdorf, die Einwohner verhalten sich nach seinen Worten ordentlich. Und dennoch gab es laut der Liste der Landesregierung 17 neue Corona-Fälle innerhalb einer Woche. Einzelne Erkrankungen seien ihm bekannt, aber es seien nur Einzelfälle, keine Hotspots.
Auch die Kreisverwaltung kann keine eindeutige Erklärung liefern. Das Infektionsgeschehen in den Gemeinden mit hohen Inzidenzwerten lasse sich nicht auf Einzelereignisse, sogenannte "Superspreader-Events", zurückführen, teilt Kreissprecherin Julia Bjar mit. Oft bleibe unbekannt, wo sich die Corona-Erkrankten angesteckt haben, bestätigen die Bürgermeister aus eigenem Erleben.
Inzidenzwert kann sich schnell ändern
Julia Bjar gibt zu bedenken, dass sich in einwohnerschwachen Gemeinden schon wenige Neuinfektionen erheblich auf die Inzidenz auswirken. Das gilt auch für den Fall, wenn deutlich weniger neue Corona-Fälle festgestellt werden. Dann sinkt der Inzidenzwert schnell wieder. Jonsdorf kann vielleicht schon bald etwas aufatmen: Am Donnerstag und Freitag wurde insgesamt nur eine Corona-Neuinfektion in dem Kurort festgestellt. Ebenfalls nur einen Fall hatte Oybin.
Ganz anders stellt sich die Situation in Ostritz dar: Hier registrierte das Kreisgesundheitsamt am Donnerstag und Freitag 40 Corona-Neuinfektionen - deutlich mehr als in den sieben Tagen zuvor. Bei einer Einwohnerzahl von knapp über 2.200 ist die Neißestadt damit wahrscheinlich bald die sächsische Gemeinde mit dem höchsten Inzidenzwert.
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