Die große Rebellion ist ausgeblieben. Bundesweit sollten am Montag tausende Restaurants, Läden, Salons, Kinos und Solarien ihre Türen öffnen. Tatsächlich beteiligte sich kaum jemand am Bruch der Corona-Regeln, zu denen der Krefelder Kosmetikstudio-Betreiber Macit Uzbay seit Anfang Januar aufgerufen hatte.
Unter dem Motto "Wir machen auf" war geplant, Läden widerrechtlich zu öffnen, um den Lockdown in Eigenregie zu beenden und fortan wieder Geld einzunehmen. Auf einer Online-Liste wollte der Initiator vorab nach Kategorien geordnet alle Einrichtungen präsentieren, die ab dem 18. Januar wieder öffnen, damit jede und jeder in der eigenen Stadt entsprechende Läden findet. Die Liste hat er veröffentlicht. Doch sie war kurz.
34 Einträge finden sich darauf. Die meisten aus Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Aus sieben Bundesländern inklusive Hamburg und Bremen steht kein einziger Eintrag darauf, aus Sachsen einer: ein Nähladen in Wurzen.
Spezialeinsatz der Polizei findet keine Verstöße
Vier von fünf sächsischen Polizeidirektionen gaben auf Nachfrage an, dass in ihren Bereichen keine widerrechtlichen Ladenöffnungen bekannt geworden seien, die fünfte Direktion - Leipzig - war nicht erreichbar. Die Dresdner Direktion hatte sogar einen separaten Einsatz orchestriert und fand trotzdem keine Verstöße.
Dabei waren allein dem Haupt-Kanal "Wir machen auf" via Messengerdienst Telegram beinahe 60.000 Menschen gefolgt. Noch vor zehn Tagen kündigten so viele Unternehmerinnen und Unternehmer an, ihre Läden zu öffnen oder geöffnete Läden zu besuchen, dass sich etwas später Regional-Gruppen für Bundesländer gründeten. Doch Uzbay verschob den zunächst für den 11. Januar angekündigten Protest um eine Woche, damit die Bundesregierung vor der Aktion der Aufforderung nach einer Stellungnahme nachkomme, man Rechtssicherheit habe.
Am eigentlich angesetzten Termin fand stattdessen die Aktion "Wir machen aufmerksam" statt, deren Initiatoren sich von Uzbay und widerrechtlichen Ladenöffnungen distanzieren - neben der Ablehnung von Regelbrüchen nicht zuletzt auch wegen Uzbay selbst, der im August auf einer Demonstration von selbsternannten Querdenkern sprach und mit seinem Aufruf massenweise Publikum aus dem verschwörungsideologischen Spektrum anzog. Auch die Aktion "Wir machen aufmerksam" demonstrierte die prekäre Situation des Einzelhandels und forderte Entschädigungen seitens der Bundesregierung für lockdownbedingte Ausfälle.
"Wir machen auf" zersplittert im Streit um Radikalität
Dass die Aktion "Wir machen auf" entgegen der Erwartungen, die es noch vor dem zunächst angesetzten Termin gab, so wenige mobilisiert hat, könnte neben den terminlichen Irritationen an zwei weiteren Gründen liegen: Zwar feierte man in den internen Telegram-Chats Regelbrecher aus Italien, Polen und Österreich, die geteilten Videos zufolge ihre Läden und Restaurants geöffnet hatten. Gleichzeitig blickten viele mit Angst auf die drohenden Strafen. Uzbay etwa soll vom Krefelder Ordnungsamt ein Bußgeld in Höhe von 2.500 Euro angedroht worden sein. Der Initiator hat weder am 11. noch am 18. Januar geöffnet.
Neben dem Bußgeld, das vom sächsischen Sozialministerium bei widerrechtlichen Ladenöffnungen zuletzt bei 150 Euro veranschlagt wurde, mag auch der interne Streit in den Gruppen einige abgeschreckt haben. Die anfängliche Euphorie der Mitredenden in den Chatgruppen wich zunehmend gegenseitigen Vorwürfen und verbalen Attacken, etwa, wenn der eine Teilnehmer dem anderen nicht radikal genug war, das Virus, die Wirksamkeit von Impfungen oder die stasiartige Steuerung des Staates nicht anzweifelte. Zuletzt hat Uzbay in einigen Gruppen die Chat-Funktion deaktiviert, "um die Gespräche freundlich zu halten", wie er schrieb.
Ob es das nun war, mit der Aktion "Wir machen auf"? Noch am Sonntag kündigte Uzbay in einer Pressemitteilung an, dass "wir die Lockdown-Maßnahmen ab dem 18.01.2021 nicht mehr" tragen. Man berufe sich auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. "Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und stellen uns schützend vor die verfassungsmäßige Ordnung unseres Grundgesetzes, vor die Menschen, die wir zu ernähren haben, und vor die Bevölkerung, deren Versorgung gesichert werden muss."
Dass so wenige sich an der Aktion beteiligt haben, dürfte ihr aber einen weiteren Dämpfer verliehen haben. Am Montag schrieb der Initiator, dass es nicht um ihn gehe, sondern um zehntausende Unternehmer und Arbeiter, die vor dem Ende stünden. Seinen artikulierten Plan zu deren Rettung teilt das Gros der Angesprochenen nicht.
Eine Pirnaer Händlerin, die am Montag in ihrem Laden Kleider abfotografiert, um sie per WhatsApp ihren Stammkundinnen anzubieten, scheint nicht zu glauben, dass Uzbay eine Hilfe ist. "Ich will mit dem Krefelder, mit Querdenken oder Corona-Leugnern nichts zu tun haben", sagt sie. Ähnlich gehe es allen Händlern, die sie kenne. So wie jetzt gehe es nicht weiter, die Wirtschaft fahre "gegen die Wand". "Aber die rechten Typen, die Corona leugnen, helfen uns nicht." Im Gegenteil. "Ohne die hätten wir wahrscheinlich gar nicht so viele Infektionen."