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Kreis Bautzen: Keine Hilfe an der Corona-Hotline

An einem Freitag fällt ein Schnelltest bei einer Frau aus Kamenz positiv aus. Damit beginnt für sie eine lange Odyssee. Warum gibt es kein besseres Krisenmanagement?

Von Ina Förster
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Unzählige Male wählte Nicole Busack aus Kamenz nach ihrem positiv ausgefallenen Schnelltest die Nummer der Corona-Hotline des Bautzener Landratsamtes. Erfolglos.
Unzählige Male wählte Nicole Busack aus Kamenz nach ihrem positiv ausgefallenen Schnelltest die Nummer der Corona-Hotline des Bautzener Landratsamtes. Erfolglos. © dpa-tmn/Christin Klose (Symbolfoto)

Kamenz. Der Corona-Selbsttest oder Schnelltest positiv - und dann? Vor allem kurz vorm Wochenende kann das zum Problem werden. Nicole Busack hat es erlebt. "Tage, die man nicht braucht", beschreibt sie ihr vorletztes Wochenende.

Die Kamenzerin ist froh, dass der Schlamassel für sie mittlerweile vorbei ist. Und dass es am Ende positiv ausging. "Das Wort positiv kann ich aber nicht mehr hören", sagt die 31-Jährige und lacht. Ihren Humor hat sie zurück. Doch ein bisschen Wut, Angst und ganz viel Unverständnis klingen nach.

Freitag nach eins macht jeder seins?

Nicole Busack ist Bäckereifachverkäuferin, sie muss sich regelmäßig testen. Und tut das immer dienstags und freitags. Als sie am 9. April einen Termin im Testzentrum des Gesundheitsamtes in Kamenz wahrnimmt, ist das für sie also Routine. Nach dem Mittag ruft sie das Ergebnis per QR-Code ab: Positiv! "Da sieht man rot", sagt sie. "Das sind schreckliche Gefühle."

Als Erstes bittet die junge Mutter ihren Lebensgefährten, von der Arbeit heimzukommen und den gemeinsamen Sohn Oskar aus der Kita zu holen. Dort ist man gleich alarmiert, übergibt das Kind vorsichtshalber im Freien. "Man weiß in dem Moment nicht, was man tun soll. Und wie man es richtig tut. Sofortige Selbstisolierung - klar, das hat man schon gehört. Aber wer alles? Kind und Mann auch? Muss ich meinen Kollegen Bescheid sagen? Der Kita? Woher bekomme ich eine Arbeitsbefreiung?" All diese Fragen gehen der jungen Frau durch den Kopf.

An einem Freitag fiel bei Verkäuferin Nicole Busack aus Kamenz ein Schnelltest positiv aus. Damit begann für die junge Frau eine Odyssee. Denn übers Wochenende war niemand zu erreichen, der ihr sagen konnte, wie es nun weitergeht.
An einem Freitag fiel bei Verkäuferin Nicole Busack aus Kamenz ein Schnelltest positiv aus. Damit begann für die junge Frau eine Odyssee. Denn übers Wochenende war niemand zu erreichen, der ihr sagen konnte, wie es nun weitergeht. © Matthias Schumann

Das Wochenende steht vor der Tür. Nicole Busack schiebt leichte Panik. "Irgendwie will man nichts falsch machen. Was, wenn man gegen Auflagen verstößt?" Mithilfe ihres Lebensgefährten sucht sie nach Antworten. Vor allem auf die Frage: Wo bekomme ich jetzt einen PCR-Test? Doch es ist Freitag. "Das Sprichwort 'Freitag nach Eins macht jeder seins' traf auf unsere Lage zu. Wir haben das Wochenende eine echte Odyssee durchlebt", sagt Busacks Lebensgefährte Michael Klinkicht.

Kritik am Krisen-Management

An diesem 9. April sind die Inzidenzzahlen im Landkreis Bautzen bereits stark am Steigen. Einen Wert von 131,1 gibt das RKI am Morgen an. In den Kliniken des Landkreises liegen 88 Patienten auf der Corona-Station, 22 davon auf einer Intensivstation. 176 Neu-Infektionen meldet das Landratsamt am Nachmittag. Und doch ist die Corona-Hotline seit 13 Uhr nicht besetzt. "Wir haben im Internet recherchiert, mehrfach angerufen. Alles ohne Erfolg. Auch unsere Hausärztin hatte bereits zu", berichtet Michael Klinkicht.

Was ist los mit dem Krisen-Management des Landratsamtes? Erst am Sonnabendvormittag gibt es für drei Stunden wieder die Chance, an der Corona-Hotline jemanden zu erreichen. Doch das gelingt Familie Busack-Klinkicht nicht. "16 Mal habe ich die Nummer angeklingelt, und 16 Mal kam nur eine Ansage. Dass entweder besetzt ist oder leider niemand erreichbar sei", sagt Klinkicht.

Viele Anrufe - aber keine wirkliche Hilfe

Die Hilflosigkeit produziert Wut, aber die Familie gibt nicht auf. "Ich wollte doch nur wissen, wie ich schnellstmöglich an einen PCR-Test heran komme und was die weiteren Schritte sind", sagt Nicole Busack. Sie fragt sich vor allem: Müssen wir uns kümmern oder ruft jemand uns an?

Sie probieren es über die Corona-Hotline des Freistaates Sachsen und erreichen dort auch Gesprächspartnerinnen. "Sie waren nett und haben uns beruhigt, doch uns hat auch hier ein roter Faden gefehlt", sagt Michael Klinkicht. Nirgendwo gebe es eine Broschüre, finde man Fakten. Auch unter der Rufnummer der Kassenärztlichen Vereinigung habe es keine Hilfe gegeben. Sie finden heraus, dass man im Testzentrum auf dem Dresdner Flughafen einen PCR-Test machen lassen kann - für 129,90 Euro.

Landratsamt bemüht sich um neues Personal

Es wird Sonntag, und Nicole Busack wartet mittlerweile über 48 Stunden. Dann kommt der Anruf des Landratsamtes, dass sie sich in Quarantäne zu begeben hat. Intuitiv hat sie also alles richtig gemacht. Doch Zweifel am System bleiben. "Uns wird seit Wochen erzählt, dass die dritte Welle rollt. Dass es schlimm in den Krankenhäusern aussieht. Dass wir uns alle zusammenreißen sollen. Warum ist dann in angeblich so schwierigen Zeiten die Corona-Hotline so halbherzig besetzt?", fragt Michael Klinkicht. "Ist doch alles nicht so schlimm?" Diesen Eindruck könne man durchaus gewinnen.

Im Landratsamt kennt man die Kritik: "Derzeit ist wieder ein deutlich erhöhtes Anruf-Aufkommen zu verzeichnen, sodass es zeitweise zu längeren Wartezeiten kommen kann und die Hotline in der Tat aktuell schwer zu erreichen ist", teilt Pressesprecherin Sabine Rötschke mit. Man beobachte die Entwicklung stetig. Eine Ausweitung der Telefonzeiten sei vorgesehen. "Doch dies ist vom verfügbaren Personal abhängig. Das Gesundheitsamt führt derzeit in Größenordnungen neues Personal zu", sagt sie. Dieselbe Aussage kam aber auch schon vor über einer Woche.

Selbst im März 2020 war die Hotline besser besetzt. Damals konnte man einen Ansprechpartner wochentags von 9 bis 17 Uhr erreichen. Ruft man gegenwärtig an, bekommt man montags, mittwochs und freitags nur bis Mittag jemanden ans Telefon.

Am Ende noch Stress mit dem Quarantäne-Bescheid

Nicole Busack und Michael Klinkicht können das alles nicht nachvollziehen. Ihre Odyssee war übrigens noch nicht so schnell zu Ende. Zwar stellte sich der Schnelltest vom 9. April als "falschpositiv" heraus. Das könne immer mal vorkommen, sei ihnen von einem Sachbearbeiter gesagt worden. So ging das Paar dann am Donnerstag also wieder arbeiten und Oskar in die Kita.

Trotzdem flatterte ihnen am 16. April doch noch ein schriftlicher Quarantäne-Bescheid ins Haus. Und so einfach habe sich dieser nicht rückgängig machen lassen, da er rechtskräftig war. Also setzte noch einmal eine bürokratische Beweisführung ein, hatte die Familie Stress, musste unzählige Telefonate führen, weil die Übermittlung im Amt nicht funktioniert hatte.

Eines steht für Nicole Busack jetzt jedenfalls fest: "Ich lasse mich nie mehr an einem Freitag testen."

Der Beitrag wurde am 20.04.2020, 21.20 Uhr, korrigiert. In der früheren Fassung hieß es, dass Nicole Busack auf eine E-Mail bezüglich ihres positiven Corona-Schnelltests ans Landratsamt bisher keine Antwort erhalten hat. Das ist nicht korrekt. Eine Antwort-Mail kam am 12. April, wurde aber laut Aussage von Nicole Busack von ihr übersehen, da sie im Spam-Ordner landete.

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