Dresden. Leiden Sie unter Allergien? Nein. Haben sie Fieber? Nein. Nehmen Sie irgendwelche Medikamente? Nein. Arzt Jan Matschke will die Frau auf der anderen Seite des Tisches schon in die Impfkabine schicken. Nichts scheint dagegen zu sprechen. Aber nicht nur er hat Fragen, wie der Mediziner an diesem Montagmorgen immer wieder feststellen muss. Die Patienten wollen ebenfalls Antworten.

Matschke sitzt in einer viermal vier Meter großen Kabine in der Dresdner Messehalle 4. Dort hat am Montag der Impf-Marathon gegen das Coronavirus begonnen. Neben einem Tisch und zwei Stühlen gibt es in der Kabine nicht viel zu sehen. Die weißen Wandaufsteller werden sonst für Messen wie die Karrierestart genutzt, die in diesen Tagen stattgefunden hätte. So etwas wie eine Zimmerdecke existiert nicht.
Matschke muss einschätzen, ob die Patienten, die sich für eine Corona-Schutzimpfung entschieden haben, dafür überhaupt tauglich sind. Der 27-Jährige hat gerade sein Medizin-Studium abgeschlossen. Bis sein Job auf der Intensivstation des Uniklinikums beginnt, hätte er die freien Wochen genießen können. Stattdessen meldete er sich, um bei der größten Impf-Aktion zu helfen, die es bisher auf diesem Planeten gegeben hat. Dienstzeit: 8 bis 18 Uhr.

Infekte mit Fieber würden gegen eine Impfung sprechen, sagt er. Erhöhte Vorsicht wäre auch bei schweren Allergien geboten. Das alles habe sie aber nicht, versichert Babette Steffen, die Matschke gegenübersitzt.
Sie fühle sich kerngesund, habe allerdings selbst ein paar Fragen. „Muss ich den Mundschutz jetzt trotzdem noch tragen?“, will sie wissen. Jan Matschke erklärt, dass nach der ersten Impfung ein 52-prozentiger Schutz gegen eine Corona-Erkrankung bestehe, nach der zweiten Impfung, die drei Wochen später verabreicht wird, seien es 95 Prozent.
Ob sie danach noch eine Maske tragen und Abstand halten müsse, wisse er jedoch nicht. Dies sei eine politische Entscheidung, keine ärztliche, sagt er. „Und kann man das Virus denn weiterhin an Personen übertragen“, fragt Babette Steffen.
Das wisse man leider noch nicht genau, muss der Arzt zugeben und verabschiedet die junge Frau mit einem „Tschüß, alles gute Ihnen“ aus der Anamnese-Kabine.
Babette Steffen hat Glück. Sie begleitet ein Ehrenamt, um das sie wahrscheinlich nicht viele Menschen beneiden. Sie ist Feuerwehr-Frau bei der Freiwilligen Feuerwehr in Klotzsche. Notrufe zu jeder Tages- und Nachtzeit gehören dazu.
Ihre Uniform ist jedoch auch die Eintrittskarte ins Impfzentrum. Denn in dieser Woche werden dort Berufsgruppen mit höchster Priorität geimpft. Das sind Rettungsdienst-Mitarbeiter und ambulante Pflegekräfte.
Ein Privileg, denn für die Masse öffnet das Impfzentrum erst in der kommenden Woche. Ab Montag sollen sich zunächst alle über 80-Jährigen im Ostragehege impfen lassen können. Voraussetzung ist, dass sie vorab einen Termin buchen – über das Internet oder telefonisch.
"Die Impfung wird schon kritisch gesehen"
„Ich freue mich, diese Möglichkeit zu haben“, sagt Babette Steffen. Verwandte und Freunde seien schon ein wenig neidisch. „Aufgrund meines Alters wäre ich sonst mit eine der letzten, die an der Reihe wäre.“
Es gebe allerdings viele Feuerwehr-Kollegen, die abwarten wollten, bis der zweite oder dritte Impfstoff verabreicht werden, um eventuell wählen zu können. „Ja, die Impfung wird schon kritisch gesehen.“ Manche lehnten sie auch ganz ab. Sie selbst sei dagegen überzeugt davon, dass es funktionieren werde - keine Impfschäden, dafür ein Schutz vor Covid-19.
Zehn vor Zehn hatte Babette Steffen das mit Sonnenlicht durchflutete, gläserne Foyer der Dresdner Messe betreten und sich am Tresen angemeldet. Die farbigen Streifen auf dem Boden lotsten sie in Dresdens größtes Wartezimmer.
Jetzt, 15 Minuten später, krempelt sie in der Impf-Kabine ihren linken Ärmel hoch. Dort nimmt Anne Fischer die bereits aufgezogene Spritze aus der grauen Papp-Nierenschale und sticht die nicht allzu lange, dünne Nadel in den Oberarm. „Normalerweise sage ich zu meinen Patienten: Tief einatmen, langsam ausatmen“, erzählt die Medizinische Fachangestellte, die sonst in einer Arztpraxis arbeitet.
So etwas wie Nervosität kann sie bei Babette Steffen aber nicht spüren. Im Gegenteil: Die Patienten bedankt sich: „Sehr sanft, super gestochen.“ Rund 60 Dresdner haben ihre Impfung hier seit dem frühen Morgen schon bekommen.

Noch darf die Feuerwehr-Frau die Messe nicht verlassen. Das Wege-Leitsystem führt sie in den Wartebereich, in dem sie noch 15 bis 30 Minuten sitzen muss. Das ist der Zeitraum, in dem sich schwere allergische Reaktionen zeigen müssten, sollte es welche geben.
„Sollte es zu Schwierigkeiten kommen, werden sofort Erste-Hilfe-Maßnahmen eingeleitet“, sagt Ulrike Peter, die Dresdner Sprecherin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Medikamente zur Bekämpfung einer allergischen Reaktion seien jederzeit griffbereit.
Das DRK organisiert die Corona-Impfaktion in Sachsen. Innerhalb weniger Tage haben die Mitarbeiter der Hilfsorganisation das Impfzentrum in der Messe aufgebaut. Insgesamt sind vier sogenannte Impfstrecken eingerichtet worden. Das sind aneinandergereihte Kabinen – je zwei für die Einschätzung der Impffähigkeit und vier für die Impfungen selbst.
Aktuell seien aber nur zwei Strecken geöffnet, so Ulrike Peter. Denn mehr als 400 Impfdosen pro Tag könnten derzeit nicht verabreicht werden. Mehr Impfstoff stehe einfach nicht zur Verfügung. „Wir könnten mit einem Tag Vorlauf auf 800 Impfungen erhöhen.“ Alle im Impfzentrum hoffen, dass dieser Tag bald kommt.

Ohnehin beschert der Impfstoff den Helfern im Impfzentrum viel Arbeit. Alle drei Tage wird das Biontech-/Pfizer-Vakzin bei minus 70 Grad angeliefert. Zwölf Stunden braucht es dann, um aufzutauen, weitere 30 Minuten, um auf Impftemperatur zu kommen.
Aber nicht nur die Temperatur ist ein heikler Punkt. Denn eine Ampulle enthält fünf bis sechs Dosen Impfstoff in konzentrierter Form. Vor Ort müssen sie mit Kochsalzlösung verdünnt werden.
Das braucht Fingerspitzengefühl, wissen Apothekerin Sylva Richter und Marina Hennig. Sie arbeiten in einem Bereich, den Patienten nicht zu Gesicht bekommen – zwischen den Impfstrecken, hinter den Kabinenwänden.
Dort wird der Impfstoff so vorbereitet, dass er impffertig ist. Dabei müssen die Frauen nicht nur darauf achten, die richtige Menge aufzuziehen. Beim Mischen mit der Kochsalzlösung darf der Impfstoff auch nicht geschüttelt werden. Vorsichtig schwenken, egal wie groß Zeitdruck im Impfzentrum auch sein mag, heißt die anspruchsvolle Aufgabe.

Ihre anspruchsvolle Aufgabe dieses Tages hat Babette Steffen nun hinter sich. Die Wartezeit ist um. „Und mir ist kein dritter Arm gewachsen“, sagt sie. Überhaupt spüre sie bis jetzt keinerlei Nebenwirkungen.
Die Einstichstelle ist nicht einmal gerötet. Reichlich 30 Minuten hat das erste Impf-Prozedere für sie gedauert. „Beim Arzt wartet man unter Umständen länger“, sagt die Feuerwehr-Frau. In drei Wochen wird sie wieder hier sitzen.
Wichtige Informationen zum Impftermin
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