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Wie Kita im Corona-Modus klappt

Bildungsqualität trotz Einschränkungen – geht das? Ein neuer Leitfaden will Erziehern in Sachsen Antworten geben.

Von Jana Mundus
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Zurück im Sandkasten: Mitte Februar dürfen die Kitas in Sachsen wieder öffnen – im eingeschränkten Regelbetrieb. Wie das trotzdem funktioniert, wird jetzt erforscht.
Zurück im Sandkasten: Mitte Februar dürfen die Kitas in Sachsen wieder öffnen – im eingeschränkten Regelbetrieb. Wie das trotzdem funktioniert, wird jetzt erforscht. © Symbolfoto: dpa/Monika Skolimowska

Sie dürfen wieder. Am 15. Februar, fast genau zwei Monate nachdem die sächsischen Kitas im aktuellen Lockdown schließen mussten, sehen sich die Kinder nun wieder. Die Entscheidung dafür fiel erst wenige Tage vorher. Nicht viel Zeit also für die Verantwortlichen in den Einrichtungen, um alles für die Rückkehr der Jungen und Mädchen vorzubereiten. „Das vergangene Jahr war für das Personal in den Kitas und auch für Tagespflegepersonen kein einfaches“, sagt Andrea Eckhardt.

Pandemie? Welche Konzepte da noch funktionieren, wie Kinder in solchen Zeiten überhaupt betreut werden dürfen und können, dafür gab es vor Corona keine Pläne. Andrea Eckhardt und die Beteiligten eines besonderen Forschungsprojekts wollen das nun ändern. Seit November 2020 untersuchen die Wissenschaftler der Evangelischen Hochschule Dresden und der Hochschule Zittau-Görlitz, wie Kita auch in Corona-Zeiten funktionieren kann. Im Sommer soll ihr Leitfaden für die pädagogische Arbeit in Pandemiezeiten fertig sein.

Die Unsicherheiten waren zu Beginn groß. Als sich Anfang 2020 das Coronavirus in Deutschland ausbreitete und damit plötzlich auch der Normalbetrieb in den Kindertagesstätten ein Ende fand, war vieles unklar. „Die Frage war, wie auf der Grundlage der neuen Vorgaben der Bildungsauftrag umgesetzt werden kann“, schildert die Professorin der Fakultät Sozialwissenschaften an der Hochschule Zittau-Görlitz die Herausforderungen der vergangenen Monate. Viele Fachkräfte hätten jedoch schnell gute Lösungen für die neuen Probleme gefunden. Auch dann, wenn sich gerade zu Beginn der Pandemie Vorgaben immer wieder änderten, weil erst nach und nach mehr über die Verbreitung des Virus bekannt war. „Wir müssen festhalten: Vielen Kitas gelingt es auch in diesen Zeiten, eine qualitativ gute Arbeit zu machen.“ Trotzdem bleiben bei manchen Beteiligten Zweifel, ob das reicht.

Der Kontakt zu den Eltern fehlt

Die Forscher wollen zuhören. Dafür treffen sie sich insgesamt dreimal zu Workshops mit Fachkräften aus unterschiedlichen Kitas und mit Vertretern aus der Tagespflege. Die erste Workshop-Phase fand vor Kurzem statt. Dabei wurden auch die Sorgen der Erzieherinnen und Erzieher deutlich. „Momentan können die Einrichtungen ihrem Erziehungs- und Betreuungsauftrag nur eingeschränkt nachkommen“, schildert die Professorin. Für viele ein Umstand, der nicht leicht wegzustecken ist.

Auf der einen Seite wollen sie auf einem qualitativ hohen Niveau pädagogisch arbeiten. Schließlich haben die Kinder ein Recht auf eine hochwertige Bildung und Erziehung. Auf der anderen Seite machen es die Einschränkungen aktuell schwer, genau das umzusetzen. Offene Konzepte sind nicht mehr möglich, feste Gruppen an der Tagesordnung. Die freie Entscheidung der Kinder, nach eigenen Bedürfnissen in Themenräumen zu spielen – derzeit undenkbar. Die Zusammenarbeit mit externen Partnern, die Sport-, Musik- oder Fremdsprachenangebote in den Kitas unterbreiten – aktuell nicht erlaubt. Individuelle Gespräche zwischen Erziehern und ihren Schützlingen in einer ruhigen Ecke – mit festen Gruppen in festen Räumen eher schwierig machbar.

Wichtige Erkenntnisse haben sich die Wissenschaftler aus den ersten Gesprächen mit den Pädagogen bereits mitgenommen. Im Frühjahr finden zwei weitere Workshop-Phasen statt. „Wir merken, dass wir mit unserer Themensetzung auf jeden Fall auf dem richtigen Weg sind.“

Ein weiteres Problem, das aktuell viele Kita-Beschäftigte umtreibt: der fehlende Kontakt zu den Eltern. Die berühmten Zwischen-Tür-und-Angel-Gespräche gehören normalerweise zum täglichen Arbeiten in der Kita dazu. Jetzt geben Eltern ihre Kinder auf Abstand ab, während der Schließzeit war der Kontakt zu ihnen in vielen Fällen total abgebrochen. „Für Eltern ist das schwierig“, sagt Andrea Eckhardt. Im künftigen Leitfaden soll deshalb auch stehen, welche Ideen es gibt, den Kontakt auch in diesen Zeiten zu halten. „Das würde vielen Eltern helfen, die sich in den vergangenen Monaten auch einfach überfordert fühlten.“ Die Professorin weist außerdem auf einen Umstand hin, der dringend berücksichtigt werden muss. Nicht in allen Elternhäusern wachsen Kinder gut behütet auf. „Die Frage ist in diesem Fall, wie wir Kindswohlgefährdung verhindern können, wenn die Kinder und ihre Eltern für das pädagogische Fachpersonal gar nicht erreichbar sind.“

Viele kreative Lösungen

Im Forschungsprojekt wollen die Wissenschaftler aber auch noch tiefer in den Kita-Kosmos eintauchen. Was passiert, wenn bisher umfänglich gelebte Kita-Konzepte aufgrund einer Pandemie geändert werden müssen? Was macht das mit den Kindern, die bisher nichts anderes kannten? Wie ertragen sie es dann beispielsweise, wenn der beste Freund oder die beste Freundin eben nicht Teil der neuen festen Gruppe ist?

Möglichst konkret soll der Handlungsfaden sein, der am Ende des Projekts veröffentlicht werden soll. Deshalb sammeln die Forscher der beiden Hochschulen viele Beispiele, wie Kita-Arbeit in Pandemiezeiten aussehen kann. „Da gibt es wirklich viele kreative Lösungen“, erzählt Andrea Eckhardt. Ob Online-Treffen mit den Kindern während der Schließzeit oder Bastelanleitungen via Zoom-Konferenz – vieles wird ausprobiert. Die Professorin hofft, dass nach dem Ende der Pandemie nicht alle Entwicklungen in Vergessenheit geraten. „Es wäre im Anschluss wichtig, dass sich Kitas fragen, welche positiven Entwicklungen es in diesen Monaten womöglich auch gegeben hat.“ Was hat Erziehern und Kindern eventuell gutgetan? Was könnte also auch in die Zukunft mitgenommen werden?

Bis Ende Juni sammeln die Wissenschaftler aus Dresden und Zittau/Görlitz noch Antworten auf diese und viele weitere Fragen. Unterstützt wird ihr Projekt auch vom Sächsischen Kultusministerium. „Ich hoffe, wir können den pädagogischen Fachkräften in den Kitas und in der Tagespflege mit unseren Ergebnissen eine wichtige Orientierungshilfe mit auf den Weg geben.“

In Zukunft könnten Pandemien wieder eine Rolle in unserem Leben spielen. Solch ein Leitfaden wäre dann hilfreich für künftige Generationen. Dafür sei es natürlich notwendig, ihn immer wieder anzupassen, erklärt die Forscherin. Vor allem dann, wenn in den kommenden Jahren die Auswirkungen der aktuellen Situation auf die Bildung der Kinder immer weiter erforscht wurde. „Sachen verändern sich, überholen sich“, sagt die Professorin. Wichtig sei es, Dinge in der Empfehlung immer wieder zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Pandemie und Kita – dafür gäbe es dann endlich einen Plan.