Dresden. Um Infektionsketten des Coronavirus in Dresden besser ermitteln zu können, fordert der Dresdner Stefan Scharf (FDP) jetzt, dass Ehrenamtliche im Gesundheitsamt bei dieser Arbeit aushelfen sollen. Dazu hat er eine Online-Petition gestartet, die bis zum Dienstagnachmittag rund 70 Unterstützer mitgezeichnet haben.
Ziel der Forderung ist es, Infektionsketten bis zu einer Inzidenz von 200 zu unterbrechen. "Das Virus bedroht unsere Gesundheit und unser Leben, der Lockdown gleichzeitig auch die Existenzen vieler Selbstständiger und Arbeitnehmer", heißt es in der Petition weiter.
Zudem soll Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) bis Ende Juli Strategien entwickeln, um einen erneuten Ausbruch kurzfristig unterbrechen zu können. Dazu solle die Verwaltung "erfolgreiche Strategien der Eindämmung anderer deutscher Städte in ihre Planung einfließen lassen". Scharf verweist dabei auf die Hansestadt Rostock.
Dort lag die Inzidenz, die Zahl der Infizierten pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen, am Dienstag bei 43,5. Zum Vergleich: In Dresden sind es aktuell knapp 90. Scharf fordert weiter, dass die Planungen in regelmäßigen Abständen vom Stadtrat überprüft werden und dass der Rat die notwendigen finanziellen Mittel dafür bereitstellt.
"Nachverfolgung erheblich verstärken"
Hintergrund ist, dass Bund und Länder Lockerungen der aktuell gelten Lockdown-Regelungen ab einer Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in Aussicht stellen. Aus seiner Sicht schöpft Dresden noch nicht alle verfügbaren Mittel aus, um die Infektionszahlen zu senken. "Es ist ein Unding, wenn eine Nachverfolgung ab einer Inzidenz von 50 nicht mehr machbar sein soll. Das heißt, dass dem Gesundheitsamt ab etwa 40 Neuinfektionen pro Tag die Hände gebunden sein sollen und wir uns weiterhin mit Lockdowns abfinden müssten."
Tatsächlich warteten Dresdner, deren Coronatest positiv ausgefallen war, mitunter drei Wochen oder noch länger auf ihren Quarantäne-Bescheid. "Für eine effektive Nachverfolgung muss die Kontaktaufnahme jedoch schnellstmöglich geschehen", so Scharf. Weil inzwischen zunehmend vor mutierten Viren-Stämmen gewarnt wird, müssten die Möglichkeiten zur Nachverfolgung erheblich gesteigert werden.
"Die Unterzeichner der Petition fordern die Stadt deswegen auf, freiwillige Helfer bei der Nachverfolgung des Virus einzubinden, einen Plan für einen neuen Ausbruch zu erarbeiten und bitten den Stadtrat, notwendige Mittel bereitzustellen", erläutert Scharf. Er führt die zahlreichen ehrenamtlichen Unterstützer an, die sich bei den Freiwilligen Feuerwehren, beim Deutschen Roten Kreuz und beim Technischen Hilfswerk engagieren.
Auch die Elbehochwasser hätten gezeigt, wie groß die Bereitschaft ist, freiwillig zu helfen. Das Virus sei eine neue Herausforderung, es bedrohe Leben und Gesundheit. Aber: "Der Stillstand im Lockdown zermürbt die Menschen, zerstört Existenzen und nimmt uns Hoffnung." Deshalb hoffe er, dass die Stadt Dresden Freiwillige helfen lässt.
Personal im Gesundheitsamt aufgestockt
Doch das ist nicht so einfach umzusetzen, wie Frank Bauer, Leiter des Dresdner Gesundheitsamtes auf SZ-Anfrage erklärt. "Die Einbindung von Freiwilligen wird aus verschiedenen Gründen nicht als ein gängiges Modell angesehen." Zunächst spiele der fachliche Hintergrund eine Rolle. Die aktuelle Praxis zeige, wie nötig und wichtig es sei, dass die eingesetzten Personen fachliche Unterstützung und Anleitung bekommen, vor allem dann, wenn es Fragen gibt. "Beides ist nur über eine Einbindung in die Organisation gegeben."
Des Weiteren handele es sich - und das dürfe man nicht vergessen, so Bauer - um hoheitliches Handeln. "Am Ende der Kontaktpersonennachverfolgung steht die Entscheidung über die Quarantäne, also eine durchaus einschneidende Maßnahme." Dieses hoheitliche Handeln durch Freiwillige vollziehen zu lassen, sei nicht möglich.
Auch die Einsichtnahme in die medizinischen und persönlichen Daten könne nicht jedermann gestattet werden. "Daher ist eine Einbindung Freiwilliger mit einer Vielzahl von Hürden verbunden, die nur durch Integration in die behördliche Organisation gelöst werden könnten", so die klare Absage des Amtsleiters auf die Forderung der Petition.
Ohnehin hatte das Gesundheitsamt Anfang Januar auf die personelle Situation in der Behörde reagiert und weitere Mitarbeiter eingestellt. Insgesamt 300 Menschen sind in der Behörde nun mit Corona-Aufgaben betraut. Allein 140 von ihnen konzentrieren sich auf die Kontaktnachverfolgung in privaten Haushalten. Vor der Pandemie arbeiteten in der Abteilung Infektionsschutz zehn Mitarbeiter.
Nun helfen sowohl Mitarbeiter aus anderen Abteilungen und Ämtern aus, aber auch Landes- und Bundesbedienstete, Angehörige der Bundeswehr und Studenten der Hochschule Meißen. Zudem kontrollieren mobile Teams inzwischen verstärkt vor Ort, ob die Quarantäne-Auflagen auch wirklich eingehalten werden.
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