Notbremse: Kleine Gärtnereien profitieren

Bautzen. Von der jüngst vom Freistaat verfügten Schließung der Baumärkte samt ihrer angeschlossenen Gartencenter profitieren vor allem kleinere Gärtnereien - könnte man meinen. Schließlich sind sie es, die als produzierendes Gewerbe auch während des Lockdowns ihre Verkaufsmöglichkeiten offenhalten können - und zudem noch einen Vorteil daraus ziehen, dass der eigene Garten nebst Balkonien im vergangenen Jahr zum wichtigsten Urlaubsort der Deutschen wurde.
Doch ganz so einfach ist die Lage in den Gärtnereien nicht, sagt René Glaser vom Sächsischen Handelsverband. Denn gerade in Sachsen belieferten regionale Gärtnereien in Größenordnungen auch die den Baumärkten angeschlossenen Gartenabteilungen. "Auch diese müssen nunmehr die noch nicht gelieferte Ware vernichten", so Glaser.
Kunden verunsichert - Umsätze sinken
Warnende Worte. Dabei drohen den Baumärkten im Landkreis Bautzen erst seit diesem Montag ernsthafte Konsequenzen, wenn sie der Definition des sächsischen Sozialministeriums zum Trotz für Einkäufer öffnen.
Diesbezügliche Unsicherheit, sagt Sebastian Rösler von der Raiffeisenhandelsgesellschaft Kamenz, habe sich bei den Kunden aber bereits nach Inkrafttreten der bundesweiten Regelungen am 23. April niedergeschlagen. Seit vergangenem Montag seien die Umsätze an den 13 Standorten, zu denen auch drei Filialen des Hagebau-Marktes im Landkreis Bautzen gehören, im freien Fall. "Was wir jetzt noch spüren, ist ein minimales Grundrauschen dessen, was wir normalerweise um diese Jahreszeit wahrnehmen", sagt er.
Baumärkte stornieren Bestellungen
Pauschal lasse sich das für die Gärtnereien im Kreis aber nicht bestätigen, sagt Hans Roland Müller, der bei der Bautzener Baumschule Sämann für den Großhandelsverkauf zuständig ist. Deutschlandweit beliefert das Unternehmen, das seit über 50 Jahren am Markt ist, Baumärkte mit Jungbäumen. Aber nicht nur, wie Müller betont: "Wir machen beides - Baumärkte beliefern und selbst verkaufen. Bei uns hält sich das die Waage." Und ja, natürlich sei es so, dass die Baumärkte wegen der jetzigen unklaren Lage ihre Bestellungen hinausschöben oder sogar stornierten, fügt er hinzu.
Wie sehr das die einzelne Gärtnerei trifft, hänge von ihrem jeweiligen Geschäftsmodell ab, fährt er fort und erklärt: "In anderen Regionen, beispielsweise am Niederrhein, gibt es viele Gärtnereien, die ausschließlich Baumärkte beliefern. Die haben im Falle einer Schließung der Gartenabteilungen natürlich Probleme."
Click & Collect funktioniert beim Pflanzenkauf nicht
Auch die Produktpalette der jeweiligen Gärtnerei sei für deren Wohl und Wehe derzeit entscheidend, so Müller: "Geranien, Fuchsien, Hortensien - wer diese Pflanzen produziert, würde sie jetzt eigentlich ausliefern", sagt er und erinnert an den ersten Lockdown, bei dem en gros Primeln und Stiefmütterchen weggeschmissen wurden. Entscheidend sei für betroffene Gärtnereien jetzt, wie lange und wie vehement die Schließung der Baumärkte durchgezogen werde. "Pflanzen kauft man weniger per Click & Collect. Das ist eine emotionale Entscheidung. Pflanzen werden mitgenommen, weil sie schön aussehen und blühen", ist Müller überzeugt.
Anlass zum Klagen, fährt er fort, gebe es aber dennoch nur bedingt: "Teilweise ist es momentan sogar so, dass die Nachfrage nach Beet-, Balkon- und Gartenpflanzen höher ist als das Angebot. Die Baumärkte haben im letzten Jahr 15 bis 20 Prozent mehr Umsatz gemacht. Weil die Leute nicht in den Urlaub fahren konnten, hatte das Hochbeet Konjunktur."
Heiko Petasch, der eine kleine Gärtnerei in Kamenz betreibt, bestätigt diese Einschätzung. Er selber, sagt er, produziere vor allem Pflanzen für die Grabpflege. Was übrigbleibe, vertreibe er auf Wochenmärkten. Von den Baumärkten sei er nicht abhängig. Er sagt: "Ich habe keinerlei Probleme wegen Corona."
Gärtnereien im Kreis kaum von Baumärkten abhängig
Und so klingt es im Landkreis Bautzen reihum, wo man auch nachfragt. Keine Gärtnerei klagt. Fast alle bestätigen guten Absatz. "Im Landkreis Bautzen gibt es einige Gärtnereien, die auch Baumärkte beliefern. Aber keine ist ausschließlich davon abhängig", erklärt Jörg Händler, Inhaber der Gärtnerei Milius in Neukirch, diese Tatsache. Wie viele andere verkauft auch er ausschließlich im eigenen Geschäft, und er beteuert, sich keinesfalls über fehlende Absätze beschweren zu können.
Aber er hat auch die Branche im Blick als er sagt: "Die Sache ist zwiespältig. Mag sein, dass die kleinen Gärtnereien gerade Gewinne machen, aber letztlich profitieren die Discounter, die jetzt ihr Angebot an Pflanzen aufrüsten und diese von ganz woanders her beziehen." Pflanzen, macht er klar, seien verderbliche Ware: "Wenn Großproduzenten, von denen wir hier in Sachsen eine ganze Reihe haben, jetzt bares Geld wegschmeißen müssen, weil sie nicht an Baumärkte liefern können, gerät das ganze Gefüge auseinander."
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