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Expertenrat bespricht weitere Strategie gegen Omikron

Die Debatte über eine kürzere Quarantäne hält an. Vor dem Bund-Länder-Gipfel am Freitag kommt heute der Expertenrat der Regierung zusammen.

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Am Dienstag berät der Expertenrat, bei dem Christian Drosten Mitglied ist, über das weitere Vorgehen in der Pandemie.
Am Dienstag berät der Expertenrat, bei dem Christian Drosten Mitglied ist, über das weitere Vorgehen in der Pandemie. © Michael Kappeler/dpa

Berlin. Sorgen vor einer rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante fachen die Diskussion um eine Anpassung der Quarantänezeiten an. Experten aus Wissenschaft und Patientenschützer halten eine Verkürzung nur in Kombination mit negativen PCR-Tests für verantwortbar. An diesem Dienstag kommt der Expertenrat der Regierung zusammen, um über das weitere Vorgehen in der Pandemie zu beraten.

Ob es eine aktuelle Stellungnahme geben wird, war laut Bundesregierung jedoch offen. Nach ersten Beratungen Mitte Dezember hatte das Gremium nach fünf Tagen rasche zusätzliche Maßnahmen vorgeschlagen. Für Freitag ist eine weitere Bund-Länder-Runde geplant.

Lauterbach kündigt neue Corona-Regeln an

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte bereits am Wochenende Beschlüsse unter anderem zu möglichen zusätzlichen Kontaktbeschränkungen und zu Quarantänefristen in Aussicht gestellt. Im Gespräch sind kürzere Zeiten insbesondere für Beschäftigte wichtiger Versorgungsbereiche, um zu viele Personalausfälle zu vermeiden. Dazu zählen etwa Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, Telekommunikation, Strom- und Wasserversorgung.

Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, mahnt in der Debatte um verkürzte Quarantänefristen zu Vorsicht. "Hier darf nicht nach dem Opportunitätsprinzip dergestalt verfahren werden, dass man Menschen, auch wenn sie noch ansteckend sind, arbeiten lässt, weil wir sonst nicht genug Leute haben", sagte Montgomery der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag). "Wenn wissenschaftlich nachgewiesen werde, dass bestimmte Menschen nach vier oder fünf Tagen nicht mehr so ansteckend seien, dann hielte ich eine kürzere Quarantäne-Zeit für richtig - sonst nicht."

Verkürzung nur mit negativem Test

Der Immunologe Carsten Watzl sagte der Deutschen Presse-Agentur, es könne "durchaus Sinn machen", dass sich jemand nach fünf oder sieben Tagen freitestet - gerade, wenn es um die kritische Infrastruktur gehe. Schließlich könnten besonders Menschen mit vollem Impfschutz, die sich infizierten, durch die Immunreaktion das Virus auch schneller und früher bekämpfen.

Dies könne man aber "nur seriös machen, wenn das mit einem negativen Test begleitet ist", sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. "Einfach so zu verkürzen, weil man sagt, sonst fallen zu viele Leute aus, dann lassen wir lieber Leute nach sieben Tagen raus, mit oder ohne Test - das würde ich für fahrlässig erachten."

Drosten geht von verkürzter Quarantäneregelung aus

Der Berliner Virologe Christian Drosten, der auch Mitglied im Expertenrat ist, sagte zuletzt im Deutschlandfunk, mit einer Freitestung könne man Infizierte nach der Selbstisolationszeit durchaus auch nach weniger Tagen als bislang wieder als nicht-infektiös betrachten. Er gehe davon aus, dass es auch bei der Quarantäneregelung künftig Verkürzungen geben könne, auch wenn dann "einige wenige Fälle" übersehen werden könnten.

Die Diskussion, dass man gesamtgesellschaftlich nicht mehr alle Übertragungen "verhindern können will und muss", gebe es schon länger, man habe sich aber nie dazu entschlossen. "Da muss ich eben immer noch ein 'wenn' vorausschicken, weil das noch nicht gesichert ist, aber wenn Omikron wirklich eine verringerte Krankheitsschwere im Großen und Ganzen hat, dann finde ich es sehr sinnvoll, in diese Richtung zu gehen", sagte Drosten.

Der Präsident des Verbands der Leitenden Krankenhausärzte (VLK), Michael Weber, forderte eine Verkürzung nur für Menschen, die in wichtigen Versorgungsbereichen arbeiten. "Die Leute werden bald zwingend gebraucht", sagte Weber der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Daher gelte es, für diese Gruppe Isolation sowie Quarantäne "auf das zwingende Maß zu begrenzen".

RKI empfiehlt Quarantäne für alle

Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung hatte vor Weihnachten vor einer extremen Belastung des Gesundheitssystems und der gesamten kritischen Infrastruktur wie Kliniken, Feuerwehr oder Stromversorgung gewarnt, sollten viele Menschen zeitgleich krank werden oder in Quarantäne müssen. Andere Staaten mit hohem Omikron-Anteil wie die USA oder Großbritannien haben ihre Regeln bereits gelockert.

Mit Ausbreitung der Omikron-Variante wächst die Gefahr, dass auch die Zahl von Quarantäne-Anordnungen bei Kontaktpersonen von Infizierten stark steigt. Denn anders als bei anderen Corona-Varianten ist aus Sicht des Robert Koch-Instituts (RKI) eine Quarantäne bei Vorliegen von Omikron immer empfohlen - und zwar auch "auch für vollständig geimpfte und genesene Kontaktpersonen".

Großbritannien und die USA haben bereits die Dauer für Infizierte ohne Symptome verkürzt, um akutem Personalmangel in Bereichen vorzubeugen, die für die Grundversorgung und Sicherheit nötig sind. Spanien und Portugal verkürzten die Quarantäne-Dauer für symptomlose Infizierte von zehn auf sieben Tage. Eine Rolle spielen dabei auch Indizien, dass Omikron seltener zu schweren Krankheitsverläufen führen dürfte.

Wann wird sich die Omikron-Variante durchsetzen?

"Omikron ist anders als frühere Varianten - darum müssen auch die Quarantäne-Regeln angepasst werden", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge (CDU), der Welt. "Wir erwarten eine neue Dynamik mit sehr vielen, aber eben auch vielen milden Corona-Infektionen." In einer solchen Lage müsse verhindert werden, dass Personalausfälle die Wirtschaft und die kritischen Infrastrukturen lahmlegten. "Darum wäre es sinnvoll, die Quarantäne für bestimmte Kontaktpersonen zu verkürzen. Engmaschige Tests könnten das flankieren."

Lauterbach rechnet damit, dass die Omikron-Variante schon bald in ganz Deutschland vorherrschend sein wird. In Schleswig-Holstein ist sie dies bereits. Die Landesregierung verschärft deshalb ab Dienstag die Corona-Regeln.

Überschattet von Corona-Sorgen starten an diesem Montag in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen und Rheinland-Pfalz wieder die Schulen. Am Dienstag folgen das Saarland, am Mittwoch Hamburg und - je nach Entscheidung der Schulen - auch Thüringen. Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen verlangte tägliche PCR-Tests in den Schulen. Die beste Methode seien PCR-Pool-Tests, weil sie am zuverlässigsten Infektionsherde sichtbar machten, sagte er der "Rheinischen Post" und der Funke Mediengruppe. (dpa)