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Sport-Lockdown in Sachsen: „Das ist eine Vollkatastrophe“

Karsten Günther, Leipzigs Handball-Manager und Sprecher von Sachsens Profiklubs, spricht im Interview über Sport-Verbote und Forderungen an die Politik.

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Arme hoch heißt es für Handballer in der Abwehr, Ärmel hochkrempeln will Handball-Manager Karsten Günther inmitten der Corona-Notlage in Sachsen.
Arme hoch heißt es für Handballer in der Abwehr, Ärmel hochkrempeln will Handball-Manager Karsten Günther inmitten der Corona-Notlage in Sachsen. © Hendrik Schmidt/dpa (Archiv)

Leipzig. Die Corona-Zahlen in Sachsen schnellen unvermindert in die Höhe, mittlerweile liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei knapp 1.000. Die Landesregierung hat darauf mit verschärften Maßnahmen reagiert, festgeschrieben in der vorerst bis 12. Dezember gültigen Corona-Notfallverordnung – inklusive gravierender Einschnitte für den Sport. Im Amateur- und Freizeitbereich gilt derzeit genauso ein Lockdown wie für Zuschauer bei Wettkämpfen generell.

Karsten Günther, Manager des Handball-Bundesligisten SC DHfK Leipzig und Sprecher der Initiative Teamsport Sachsen, des Zusammenschlusses von 24 Profivereinen, bezeichnet das als Vollkatastrophe. Im SZ-Interview spricht er über die Konsequenzen für die Vereine, Forderungen an die Politik, und er sagt, was in der nächsten Verordnung besser geregelt sein muss.

Herr Günther, was sagen Sie zur neuen sächsischen Corona-Notfallverordnung, die den Lockdown für den Amateursport bedeutet und Geisterspiele für die Profiklubs?

Dass Sporttreiben im Amateurbereich komplett untersagt wurde und die Profis jetzt wieder vor leeren Rängen spielen müssen, trifft uns alle extrem hart. Auf der anderen Seite sehen wir, wie bedrohlich sich die Situation in Sachsen darstellt. Wenn wir also Kontakte reduzieren müssen, um das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen, sollten wir alle unseren Beitrag dazu leisten, um diese Notlage endlich zu überwinden.

Das klingt nach viel Verständnis.

Noch mal: Wenn ich das nur mit der Sportbrille sehe, ist es eine Vollkatastrophe. Aber als Bürger dieses Bundeslandes kann ich nicht die Augen vor dem verschließen, was hier ringsherum los ist. Natürlich muss die Landesregierung eine Abwägung treffen, und die ist jetzt hart zu unseren Ungunsten ausgefallen. Nur ist jetzt nicht Zeit zum Lamentieren, sondern es ist die Zeit fürs Anpacken. Mich ärgert aber, dass wir nicht alles auf 50 Prozent oder 25 Prozent runterfahren, um die Lasten gleich zu verteilen. Während einige Bereiche weiterhin rappelvoll sind, wurde der Sport komplett abgestellt – obwohl der für die Gesundheitsvorsorge so wichtig ist.

Geisterspiele gibt es – Stand jetzt – ausschließlich in Sachsen. Wie groß ist der Wettbewerbsnachteil aus sportlicher Sicht?

Auch das ist kein Geheimnis. Natürlich haben die sächsischen Mannschaften jetzt einen Wettbewerbsnachteil. Doch die Situation war auch mal andersherum, als wir mit Zuschauern spielen durften und die anderen nicht. Dieses Argument will ich deshalb jetzt nicht ins Feld führen. Das Einzige, was zählt, ist, die Lage in den Griff zu bekommen. Und zwar nachhaltig.

Wie kann das gelingen?

Aus meiner Sicht ist das nur zu schaffen, wenn wir ehrlich, konsequent und einheitlich agieren. Das Coronavirus macht ja nicht an der Landesgrenze halt, und wir denken noch immer, man könne es regional bekämpfen. Das ist absurd. Wenn ich sehe, wie die Lage in Österreich und den Niederlanden schon eskaliert ist (erneuter Lockdown für alle, Anm. der Red.), wird mir angst und bange. Wir brauchen eine gemeinsame Zielvorgabe, endlich eine Impfinfrastruktur, die auch praktisch funktioniert und nicht nur theoretisch, sowie bundeseinheitliche Regelungen.

Welche Alternativen zum Zuschauer-Lockdown sind denkbar?

Wir werden weiter für unsere Position werben und Lösungen aufzeigen, um zeitnah wieder mit gewissen Sicherheitsmechanismen vor Zuschauern spielen zu können. Es geht dabei um einen stufenweisen Wiedereinstieg. Meines Wissens hat sich die Ministerpräsidentenkonferenz bereits auf ein Stufenmodell geeinigt, an dem werden wir uns orientieren. Fakt ist: Wenn wir jetzt schon relativ einseitig die Last der Notfallverordnung schultern müssen, brauchen wir Hilfe – damit wir die auch schultern können.

Gibt es dafür schon Signale vonseiten der Politik?

In der Videokonferenz mit Ministerpräsident Michael Kretschmer vergangene Woche haben wir ganz klar mitgeteilt, dass wir das nicht allein hinkriegen, und es wurde uns auch Hilfe signalisiert. Darauf verlasse ich mich. Wie gesagt, es geht nicht darum, gegeneinander, sondern miteinander zu arbeiten, um die Situation in den Griff zu kriegen. Und dazu gehört für mich jetzt auch, dass wir Unterstützung erhalten, die zielgerichtet greift. Wir werden uns teamsportintern dazu beraten, wie die aussehen kann, und dann mit der Politik in einen konstruktiven Austausch gehen.

Ist die gute Nachricht diesmal, dass zumindest der Nachwuchs weiter Sport machen kann?

Das ist auf alle Fälle sehr gut, da hat die Landesregierung zu ihrem Wort gestanden. Doch ich habe null Verständnis dafür, dass die Altersgrenze bei 16 Jahren liegt und damit 3-4 Jahrgänge willkürlich vom Wettkampfbetrieb im Nachwuchs ausgeschlossen werden.

Was schlagen Sie stattdessen vor?

Es braucht eine Regelung, die allen Nachwuchssportlerinnen und -Sportlern, die im Liga- und Wettkampfbetrieb organisiert sind, erlaubt weiterzumachen. Ohne Zuschauer, okay, meinetwegen gern auch mit 2G-Regel ab 16 Jahre. Wir haben dazu klare Formulierungsvorschläge unterbreitet, nur wurden die ignoriert. Die Folge ist, dass 16, 17 oder auch 18 Jahre alte Nachwuchssportler und Teams aus Sachsen nicht mehr trainieren können und bei überregionalen Wettkämpfen fehlen. Wenn wir sie verlieren, wird es eng in vielen Vereinen. Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass es in der nächsten Verordnung besser geregelt ist.

Das Interview führte Tino Meyer.