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Kretschmer schließt noch härtere Regeln nicht aus

Sachsens Regierungschef erklärt im Interview, wie die vierte Welle gebrochen werden soll. Noch strengere Regeln werden wahrscheinlicher.

Von Fabian Deicke & Annette Binninger
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Trotz allem ist Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer weiterhin entschieden gegen eine Impfpflicht. Er setzt auf Eigenverantwortung und nicht auf Zwang.
Trotz allem ist Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer weiterhin entschieden gegen eine Impfpflicht. Er setzt auf Eigenverantwortung und nicht auf Zwang. © dpa

Dresden. Kliniken bereiten die Verlegung von Corona-Patienten in andere Bundesländer vor, die Zahl der Neuinfektionen steigt von Tag zu Tag und die Schutzmaßnahmen sind hart - vor allem für nicht geimpfte Menschen. Sachsen ist wieder ein Hotspot. Über den Plan, die Welle zu brechen und welche Mittel dazu noch nötig werden könnten, darüber spricht Ministerpräsident Michael Kretschmer im Interview mit Sächsische.de.

Herr Kretschmer, wieder ist Sachsen Corona-Hotspot in Deutschland. Hat Sachsen zu spät reagiert?

Wir haben einen unbeschwerten Sommer mit zurückgehenden Infektionszahlen erlebt. Wir haben intensiv fürs Impfen geworben. Doch es war klar, dass sich das ab Oktober wieder ändern wird. Deswegen hat die Gesundheitsministerin einen, wie ich finde, sehr klugen, überlegten Plan auf Basis der Vorgaben des Robert-Koch-Instituts erarbeitet. Mit einer Vorwarnstufe, die vor zwei Wochen in Kraft getreten ist und mit einer Überlastungsstufe, die wir inzwischen auch erreicht haben. Die Delta-Variante ist wesentlich ansteckender und breitet sich in ganz Deutschland rasanter aus, als wir es bisher gekannt haben. Wir haben jetzt diese harten Maßnahmen ergriffen, um dieses Infektionsgeschehen einzudämmen und die Krankenhäuser zu entlasten.

Aber Wissenschaftler haben bereits seit September eindringlich vor dieser Winter-Welle gewarnt. Warum hat Sachsen so spät reagiert?

Das ist ein gesellschaftliches Phänomen. Maßgeblich ist die Auslastung der Krankenhaus-Betten in Intensiv- und Normalstationen. Sie haben sich rasend schnell gefüllt, daher haben wir als erstes Bundesland entschieden, auf 2G zu gehen – was einen Riesen-Aufstand zur Folge hatte. Mittlerweile haben viele Bundesländer nachgezogen, aber wir mussten zuvor die Bresche schlagen. Das hat jedoch nicht mehr gereicht für unsere Situation. Daher haben wir die Möglichkeit genutzt, die vor einer Woche erst entstanden ist: Die neue Ampel-Koalition wollte die epidemische Notlage schon Ende November für beendet erklären, doch jetzt hat sie eine Übergangsfrist bis zum 15. Dezember eingerichtet – sehr auf sächsisches Drängen hin. Erst dadurch konnten wir die für uns notwendigen Instrumente beschließen.

Aber trotzdem: Warum so spät, Herr Kretschmer? Warum scheint sich alles zu wiederholen?

Wer ist mir denn vor drei Wochen zur Seite gesprungen und hat öffentlich gesagt: „Danke, dass Sie das machen.“ Dass es richtig ist, dass bei dieser Warnstufe jetzt auch 2G eingeführt wird. Dass es eine Ministerpräsidentenkonferenz geben muss. Also die Sächsische Zeitung nicht! Wir können gerne alle mit Steinen werfen, aber jeder muss aufpassen, in welchem Glashaus er sitzt. Und ich sage es ganz deutlich: Die Diskussion vor vier Wochen in der Bundesrepublik Deutschland war davon geprägt, dass die Pandemie angeblich beendet ist. Damals gab es, freundlich ausgedrückt, wenig Rückenwind für meine Vorschläge, 2G einzuführen oder die Weihnachtsmärkte zu schließen. Sogar jetzt noch, wo die Lage eindeutig ist, die Krankenhäuser sich rasend schnell füllen, gibt es Stimmen, die die wirkliche Situation einfach nicht sehen. Die ganze Last der Entscheidungen liegt auf wenigen Schultern. Darum sollten denjenigen, die jetzt vorangehen, auch der Rücken gestärkt werden.

Sie vermissen den gesellschaftlichen Rückhalt, um harte Corona-Entscheidungen treffen zu können?

Ich mache es niemandem zum Vorwurf, aber ich finde, es ist sehr wohlfeil, jetzt zu kritisieren, dass die Maßnahmen nicht eher gekommen sind, die wir jetzt in Gang gesetzt haben. Ich hoffe, das ändert sich jetzt. Denn mehr Menschen verstehen inzwischen, dass das, was wir tun, absolut notwendig ist.

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