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Neustadt: Stadtrat fordert Dialog mit Corona-Protestlern

In Neustadt wächst die Sorge, dass die Montags-Proteste nicht friedlich bleiben. Die Lage ist angespannt. Das zeigte sich auch im Stadtrat.

Von Anja Weber
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Corona-Proteste gibt es montags auch in Neustadt.
Corona-Proteste gibt es montags auch in Neustadt. © Marko Förster

In Neustadt bekommt der montägliche Corona-Protest erheblichen Zulauf. Noch bleibt es friedlich. Doch so manchen Neustädter treibt die Sorge um, ob das auch weiter so anhält. Das wurde nun auch im Stadtrat thematisiert. Die Debatte war hitzig, so wie die Stimmung in Neustadt derzeit. Das hat offenbar mehrere Ursachen.

Fehlendes Dialogangebot

Stadtrat Christian Kowalow (FDP) beobachtete die montäglichen Aktionen mit Sorge. Um sich ein Bild davon zu machen, habe er selbst daran teilgenommen. "Ich bin kein Corona-Leugner. Ich achte auf die Ängste der anderen. Vor Ort habe ich mir die Sorgen und Nöte angehört. Dafür bin ich auch gewählter Stadtrat", sagt er. Er weiß um die Sorgen, die vor allem die Mitarbeiter in den Pflegebereichen umtreiben, wegen der Impfpflicht auf der einen Seite und der Überlastung auf der anderen Seite. "Viele sind ungeimpft: Pflegekräfte, medizinische Fachangestellte, Physiotherapeuten, aber auch Ärzte, Rettungskräfte, Zahnärzte, welche die Impfpflicht ablehnen", sagt er. Aus seiner Sicht sei die medizinische und pflegerische Versorgung der Stadt nach dem 15. März nicht mehr vollumfänglich gewährleistet.

Und deshalb müsse der Bürgermeister auch seiner Fürsorgepflicht für die Bürger nachkommen und sich überall wo nur möglich dafür einsetzen, dass die Impfpflicht gekippt werde. Allerdings wisse auch er, dass der Bürgermeister erlassene Gesetze durchsetzen müsse. Christian Kowalow fordert den Dialog mit der Stadt ein. Es könne nicht sein, dass jeden Montag 500 Leute um das Rathaus rennen und sich im Rathaus niemand dafür interessiere. "Noch ist es friedlich. Ich habe Angst, dass es auf Dauer nicht so friedlich bleibt", sagt er.

Bürgermeister Peter Mühle (NfN) zeigte sich dem Dialog nicht abgeneigt. Bislang habe ihm niemand ein Verlangen danach angezeigt. Wenn das aber so gewollt sei, dann werde er es tun. Offen ist zur Stunde noch, in welcher Form und wann. Stadtrat Christian Kowalow will am Montag aber auf jeden Fall wieder vor Ort sein.

Ob sich dann tatsächlich auch so viele Protestler auf einen Dialog einlassen, wird abzuwarten sein. In Bad Schandau zum Beispiel waren von fast 600 Demonstranten nur 30 wirklich an einem Dialog mit dem Bürgermeister und Stadträten interessiert.

Angespannte Lage in Pflegediensten und Praxen

Ebenfalls Expertin in Sachen Pflege ist Stadträtin Kathrin Vogel (NfN). Sie leitet selbst eine Häusliche Alten- und Krankenpflege in Neustadt. Auch sie befürchtet, dass die Versorgungsaufträge nicht mehr erfüllt werden könnten. Mehrere Pflegedienste hätten das bereits angedeutet. Für Neustadt hätte das schlimme Folgen. Deshalb forderte sie den Bürgermeister auf, sich dafür einzusetzen, dass das Gesundheitsamt die angekündigten Betretungsverbote für Ungeimpfte ab dem 16. März nicht durchsetzt. Die Arbeitslast in der Pflege steige schon jetzt, da Mitarbeiter krank seien oder bereits gekündigt und in andere Berufe gewechselt haben.

Ähnlich angespannt ist die Stimmung in einigen Arztpraxen. Silke Benusch (NfN) betreibt in Neustadt selbst eine Hausarztpraxis und impft dort auch. "Ich bin eine eindeutige Impfbefürworterin, aber Gegnerin der Impfpflicht", sagt sie. Sie denkt, dass viele Teilnehmer der montäglichen Aktionen Antworten wollen, deshalb auf die Straße gehen würden und nicht weil sie Impfgegner seien. "Ich bin gegen eine Pflicht, weil es eine Gruppe von Personen trifft, die uns 2020 den Hintern gerettet hat", sagt sie. Sie erinnerte daran, dass diese Berufsgruppe acht Stunden und länger unter Vollschutz gearbeitet hätte. In Gesprächen könne man manche Leute zum Nachdenken anregen. Impfen solle aber eine persönliche Entscheidung bleiben.

Verwirrung nach Aussagen zu Polizeieinsatz

Wie aufgeheizt die Stimmung in Neustadt ist, zeigt noch eine weitere Begebenheit, eigentlich eine Kleinigkeit, die jedoch in Corona-Zeiten an Brisanz gewinnt. Wie in anderen Städten auch hatten die Neustädter Zettel mit ihren Corona-Protesten am Weihnachtsbaum und am Rathaus verteilt. Die hatte die Stadt am 11. Dezember unter Polizeischutz abnehmen lassen.

Das wiederum brachte offenbar einige Neustädter in Rage, weshalb Stadtrat Andreas Töppel (AfD) in der Dezember-Sitzung nachfragte, wer denn die Polizei angefordert habe. Bürgermeister Peter Mühle verneinte damals. Er sei es nicht gewesen. Jetzt kam heraus, dass er doch um Polizeischutz für die Mitarbeiter des Bauhofes gebeten hatte. Was auch legitim ist. Letztlich ist es seine Pflicht, auf die Sicherheit des Personals zu achten. Dass das offenbar in Neustadt durchaus ein Thema ist, sollte sich dann ein paar Tage später mit einem Corona-Faschisten-Plakat am Rathaus zeigen. Detailliert eingehen wollte aber der Bürgermeister auf das Thema Polizeischutz öffentlich nicht und versprach stattdessen eine schriftliche Antwort.