Gastronom am Rande von Freital und mitten im Frust

Kirschblüte an Kirschblüte drängt sich am Spalierobstbäumchen. Etwas verzagter wagen sich die weißen Blättchen aus der rosa-weißen Apfelblüte. Auch die Obstbäume in den benachbarten Gärten stehen in voller Pracht. Das freut Stephan Hähle einerseits, andererseits macht es ihn traurig. Hinter der Spalierobstreihe hat er eine kleine Lounge mit einem Strandkorb eingerichtet. Sie wäre jetzt bei den Gästen heißbegehrt, besonders bei Paaren mit Sinn für Romantik. Bei Meißner Wein und Tapas könnten sie den Sonnenuntergang und den schönen Blick genießen. Hähle würde die Gäste in seinem Gartenlokal „Fernblick“ gern bekochen. Er liebt deren zufriedenes Lächeln, wenn sie sich später bei ihm verabschieden.
Doch es geht ihm wie allen Gastronomen. „Seit Monaten haben wir schon geschlossen“, sagt der 36-Jährige. Im nahen Dresden macht sich schon Hoffnung in der Branche breit: Die Wochen-Inzidenz sinkt, liegt sie in fünf Werktagen in Folge unter der Marke von 100, kann die Gastronomie wenigstens wieder die Außenbereiche öffnen. Das könnte bald so sein.
Inzidenz-Werte spielen Jo-Jo
Das Dresdner Ortsschild befindet sich jedoch auf der anderen Straßenseite. Hähles Restaurant liegt ein paar Meter entfernt auf Freitaler Flur: Da gelten die Zahlen des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Deshalb wird sein kleiner Biergarten noch länger geschlossen bleiben als die in der Landeshauptstadt. „In unserem Landkreis spielen die Werte Jo-Jo, sie schwanken sehr. Es wird wohl deutlich länger dauern, bis auch wir öffnen können“, bedauert der junge Koch. Auf Facebook macht er sich Luft. „Dabei bin ich eigentlich kein Meckerfritze. Ich weiß von den aktuellen Problemen, zumal ich einige Ärzte in meinem Freundeskreis habe“, sagt er.
Dennoch bei allem Verständnis etwas gegen die Ausbreitung des Virus zu tun, mag er nicht verstehen, warum es den Gastronomen so schwer gemacht wird. Den Spruch: „Wir sind nicht das Problem, wir sind die Lösung“ würde er sofort unterschreiben. Die meisten Ansteckungen gäbe es im Familienkreis und in großen Betrieben, in denen die Menschen eng zusammenarbeiten.
Sorgen um die Zukunft
Schon mit Beginn der Corona-Pandemie hat er in seinem kleinen Gastraum Tische herausgenommen. So gibt es nun zwei Meter Abstand von Tisch zu Tisch. Natürlich beachte Hähle auch die Hygienevorschriften und die Nachverfolgungsregelungen. „Maximal zehn Leute aus zwei Hausständen durften an einem Tisch sitzen. Das hat geklappt.“ Die Gäste wollten sich einfach hinsetzen, abschalten und sich bewirten lassen. Das sei schon wie ein kleiner Urlaub in der Corona-Zeit. So war es wenigstens im vergangenen Sommer.
Inzwischen lassen sich Stephan Hähle und seine Frau Catarina, die den Service übernimmt, zwei- bis dreimal pro Woche testen. Dass es jetzt leichter Tests gibt, sei ein zusätzliches Plus im Vergleich zum Vorjahr. Hähle ist davon überzeugt, dass die Regelungen für die Gastronomie nicht zu Ende gedacht sind. Für seine beiden Mitarbeiter habe er Jobs bei einem Freund in einer anderen Branche gefunden. So sei ihnen erst einmal geholfen.
Hähle macht sich jedoch Sorgen um die Zukunft. „Das Kurzarbeitergeld hilft zwar, aber schon jetzt sind viele aus der Gastronomie raus. Es war vorher schon problematisch, gute Leute zu finden, jetzt wird es noch schwerer.“
Angebot zu Himmelfahrt
Er selbst gibt nicht auf, hält sich mit täglichem Mittagessen zum Abholen über Wasser, bietet am Wochenende an einem Stand im Freien Currywurst, Waffeln, italienisches Eis und Räucherfisch an. Auch die Familie gebe ihm Rückhalt. Auf seiner Facebook-Seite verspricht er seinen Gästen schon einmal: „Egal wie das Wetter wird, zum Vatertag sind wir für Euch da! Wir wissen noch nicht wie, haben aber verschiedene Ideen. Also plant Eure Wanderung doch einfach über den Meiselschachtweg.“
Für Stephan Hähle stand der Berufswunsch Koch schon zeitig fest. Seine Großeltern führten einst die „Rehbockschänke“ an der Karlsruher Straße. Nach seiner Ausbildung in Dresden, sah er sich zehn Jahre lang in der Branche um. Er arbeitete andernorts in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sammelte Erfahrungen sowohl im Dorfgasthof als auch in der Sternegastronomie.
Heute nutzt er in seiner eigenen Küche von allem etwas. 2013 übernahm er das Lokal in Freital-Burgk, das der Kleingartenverein in den 1970er-Jahren als Spartenheim „Zum Spaten“ eröffnet hatte. 2018/19 sanierte er das kleine Restaurant, baute es aus. In seiner Küche bietet er sächsische und mediterrane Kost an. „Ich setze auf frische und saisonale Produkte und auf viele Zulieferer aus der Region“, sagt er. Nur wenige Meter von seinem Restaurant weiden beispielsweise Kühe, deren Fleisch später auf den Tellern im „Fernblick“ landet. Derzeit möchte er den Gästen gern Spargelgerichte im Biergarten servieren – wenn er endlich darf.
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