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Politik in Sachsen – Die Morgenlage

+++ Maskenpflicht und Böllerverbot kommen +++ Kultusminister Piwarz im Interview +++ Kliniken in Notlage +++ 85 Corona-Todesfälle gemeldet +++

Von Tobias Winzer
 8 Min.
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Bund und Länder haben sich am Donnerstag auf harte Corona-Maßnahmen geeinigt. Für Sachsen ändert sich nichts - abgesehen von zwei Punkten.
Bund und Länder haben sich am Donnerstag auf harte Corona-Maßnahmen geeinigt. Für Sachsen ändert sich nichts - abgesehen von zwei Punkten. © AFP-Pool

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Guten Morgen,

manchmal kann sich auch die Politik in der Dauer-Krise ein bisschen Luft verschaffen. Doch nach den Bund-Länder-Beschlüssen zum weiteren Corona-Vorgehen dürfte der Zeitgewinn vor allem in Sachsen nur von kurzer Dauer sein. Und befreit aufatmen kann im Grunde niemand so richtig. Noch lange nicht. Und hier schon gar nicht.

Seit gestern ist nur klar, dass der Freistaat erstmal mit seinen im Vergleich zu den meisten anderen Bundesländern strengeren Corona-Regeln so weitermachen darf. Darum ist das Wörtchen "nur" an dieser Stelle eigentlich auch unpassend. Denn für die sächsische Landesregierung ist das schon viel. Sie steckte in der Klemme, nachdem die epidemische Lage für beendet erklärt worden war und das neue Infektionsschutzgesetz geringere Mittel-Möglichkeiten vorsieht. Doch dann kam die späte Einsicht der Ampel-Koalitionäre: Nun muss zunächst die alt-neue Bundesregierung das gerade erst beschlossene Gesetz nachbessern und Sachsen darf dann weiterhin tief in den vollen "Instrumentenkasten" greifen.

Doch die kleine Ruhepause mitten im Corona-Sturm wird in Sachsen vor allem für die politisch Verantwortlichen nicht lange halten. Der Druck von beiden Seiten ist unvermittelt hoch. Die einen fordern bereits wieder, Corona-Regeln zu lockern – die anderen drängen auf einen echten, harten Lockdown.

Somit dürfte der Druck auf die Landesregierung schon in Kürze wieder kräftig steigen. Sie wächst mit jedem Intensivpatienten, der mühsam ausgeflogen werden muss, weil man in der Heimat nicht mehr in der Lage ist, seine Versorgung sicherzustellen. Wie schnell wird man das vergessen, wenn die Zahl der Intensivkapazitäten in den sächsischen Krankenhäusern hoffentlich in wenigen Wochen wieder zu wachsen beginnt? Nun, der Mensch ist oft vergesslich.

Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende,

herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion sächsische.de


Die wichtigsten News am Morgen

+++ Maskenpflicht für alle Schüler und Böllerverbot +++

Zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben sich Bund und Länder bei ihren Beratungen am Donnerstag auf härtere Maßnahmen geeinigt. Die Länder sollen aber auch schärfere Regeln einführen können, was allerdings erst der Bundestag mit einem reformierten Infektionsschutzgesetz beschließen muss. In Sachsen kommt der Landtag am Montag zu einer Sondersitzung zusammen. Am Dienstag will Sachsens Regierungskabinett über die neuen Corona-Regeln beraten. Wie es jetzt in Sachsen weitergeht, fasst sächsische.de zusammen. Das sind die wichtigsten Beschlüsse aus der Bund-Länder-Runde (hier der Beschluss im Original):

- Schulen: In allen Klassenstufen soll eine Maskenpflicht gelten. Bislang waren auch in Sachsen Grund- und Förderschulen von dieser Regelung ausgenommen.
- Kontakte: Für Kontakte gilt eine strenge Grenze, wenn sich eine ungeimpfte Person dabei befindet. Dann darf sich nur der eigene Haushalt mit zwei weiteren Personen treffen. Kinder bis 14 Jahre sind von dieser Regelung ausgenommen. In Sachsen ist diese Regelung (ein Hausstand und eine weitere Person) bereits strenger.
- Einkaufen: Die 2G-Regel wird auf auf den Einzelhandel ausgeweitet. Zutritt zu den Läden hätten dann nur noch Geimpfte und Genesene. Ausnahmen sind nur für Läden des täglichen Bedarfs wie Supermärkte, Drogerien und Apotheken vorgesehen. Diese Regel gilt in Sachsen bereits.
- Clubs und Diskos: In Regionen mit einer Inzidenz von mehr als 350 kommt die Schließung von Clubs und Diskotheken, weil dort die Ansteckungsgefahr als besonders groß gilt. Unter anderem in Sachsen gilt das bereits.
- Großveranstaltungen und Fußball: Flächendeckende "Geisterspiele" sind nicht geplant, aber deutlich weniger Zuschauer: Auslastung von Stadien maximal 50 Prozent, höchstens 15.000 Zuschauer; in geschlossenen Räumen ebenfalls maximal 50 Prozent Auslastung und nicht mehr als 5.000 Zuschauer - Zugang jeweils nur geimpft oder genesen (2G) und mit Maske. In Sachsen sind alle Großveranstaltungen hingegen abgesagt.
- Impfungen: Bis Weihnachten sollen 30 Millionen Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen durchgeführt werden. Geimpfte können ihren Impfstatus nach einer gewissen Zeit wieder verlieren. Über eine Impfpflicht wurde auch beraten, hier soll sich der Ethikrat bis Jahresende positionieren. Die allgemeine Impfpflicht könnte dann im ersten Quartal kommen. Wie es damit weitergeht, erklärt Zeit Online.
- Silvester: Der Verkauf von Böllern und Feuerwerk zu Silvester wird wie bereits 2020 in diesem Jahr erneut verboten. Auf besonders publikumsträchtigen Plätzen soll es demnach zudem ein Feuerwerksverbot geben. Die Branche sieht das in einer ersten Reaktion als "Todesstoß".

Für die Maßnahmen in Sachsen kündigte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) an, dass man sich in seinen Augen darauf einstellen könne, dass die aktuellen Regelungen für die folgenden Wochen aufrechterhalten werden müssen. "Die Entwicklung ist nicht so, dass wir eine deutliche Entspannung sehen. Die Krankenhäuser arbeiten in Volllast", sagte er. 2G werde für die kommenden Monate das Instrument sein, worauf sich die Menschen einstellen müssen. In der ZDF-Talkshow Maybrit Illner sagte Kretschmer am Donnerstagabend zur Lage in Sachsen: "Wenn die Zahlen nicht sinken, muss nachgebessert werden." Dann seien in Hotspots weitere Schließungen möglich. Wie eine Datenauswertung in Dresden zeigt, haben die bisherigen Maßnahmen bereits etwas gebracht: Die Dresdner sind seltener unterwegs.

+++ Piwarz: "Schulen schließen als Letztes" +++

Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) will die Schulen und Kitas im Freistaat trotz der kritischen Corona-Infektionslage offen halten. "Die zentrale Erkenntnis aus dem letzten Winter und Frühjahr ist, dass die Folgen von Schulschließungen bei weitem die Folgen von Corona bei Kindern übersteigen", sagt Piwarz im Podcast "Politik in Sachsen" bei sächsische.de. Piwarz plädiert dafür, dass erst alle anderen Optionen abgewogen werden, bevor man sich für Schulschließungen entscheidet. In Sachsen gebe es noch die Möglichkeit, Gastronomie und Einzelhandel herunterzufahren.

Eine Verlängerung der Weihnachtsferien sieht der Minister skeptisch. "Wir haben das im letzten Jahr gemacht, ohne dass es irgendeine Wirkung hatte, ganz im Gegenteil. Damals habe ich wutentbrannte Eltern erlebt, die für zusätzliche Tage die Betreuung organisieren mussten." Außerdem würden die Kinder und Jugendlichen dann weniger getestet.

+++ Priorisierungen in Sachsens Kliniken +++

Wegen der hohen Zahlen von Corona-Patienten muss das Klinikum Chemnitz zurzeit planbare Behandlungen und Operationen absagen. Darunter seien auch problematischere Fälle, sagte der Ärztliche Direktor des Klinikums, Ralf Steinmeier, der Deutschen Presse-Agentur. "Hier denke ich insbesondere an Tumor-Patienten, die eigentlich zeitnah operiert werden müssten, denen es aber noch so gut geht, dass sie aktuell keinen Notfall darstellen." Niemand wolle, dass Operationen verschoben würden, aber es gebe momentan keine freien Kapazitäten. "Daher raten wir aktuell reisefähigen Patienten, sich um eine Behandlung in weniger von Corona betroffenen Regionen zu kümmern, etwa in Norddeutschland." Ähnliche Statements waren bereits am Mittwoch aus Thüringen gekommen, wie der Tagesspiegel berichtet.

In den kommenden Tagen wird mit einer deutlichen Verschärfung der Lage in Sachsens Kliniken gerechnet. Laut Prognosen fehlen für die nächsten 14 Tage noch 290 Betten im Freistaat. Die Betten sind physisch vorhanden - doch es fehlt Personal. Mehr dazu im Podcast von sächsische.de. Um die Krankenhäuser in Sachsen in der aktuellen Lage zu unterstützen, schaltete Sachsen gestern ein Online-Portal. Über den sogenannten Pflegepool würden Krankenpfleger, Ärzte, Medizinstudenten sowie Freiwillige auch für die Administration gesucht. In Dresden helfen Soldaten in den beiden städtischen Kliniken aus, weil Mitarbeiter ausgefallen sind.

Nach den Worten von Krankenhauskoordinator Michael Albrecht ist die Lage weiter ernst. "Wir sind in einigen Krankenhäusern an der Belastungsgrenze", sagte er am Donnerstag bei einer Pressekonferenz zur aktuellen Corona-Lage in Dresden. Man sei derzeit weit davon entfernt, dass Ausfliegen und Zuwachs der Klinikpatienten sich die Waage halten. "Es ist zu erwarten, dass auch die nördlichen Bundesländer in den kommenden Tagen und Wochen zunehmende Infektionszahlen und damit auch zunehmende Patientenhauszahlen haben", warnte Albrecht. In Sachsen Kliniken fänden derzeit Priorisierungen statt. Nach Angaben von Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) sind bereits 22 Patienten aus Sachsen in andere Bundesländer verlegt worden, unter anderem nach Bremen und Mecklenburg-Vorpommern.

+++ Zweifel an Infektionszahlen +++

Derweil ist die 7-Tage-Inzidenz im Freistaat leicht gesunken. Doch das kann auch daran liegen, dass die Maximalgrenze an auszuwertenden Tests in den Laboren erreicht ist, wie eine Recherche zeigt. Wurde die Zahl der Corona-Neuinfektionen in sieben Tagen auf 100.000 Einwohner gerechnet am Mittwoch noch mit 1.209,4 angegeben, lag sie am Donnerstag bei 1.180,1. Die Landkreise Nordsachsen (984,6), Zwickau (972,7) und der Vogtlandkreis (964,7) sind unter die Marke von 1.000 gerutscht. Auch die Stadt Leipzig (689,5) liegt deutlich darunter, wie die Karte des Gesundheitsministeriums zeigt. Die höchste Inzidenz hat weiterhin der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (1961,0).

In Sachsen sind am Donnerstag 11.998 neue Corona-Infektionen gemeldet worden. Zudem wurden 85 weitere Todesfälle registriert, die im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung stehen. Alle aktuellen Entwicklungen zur Pandemie in Sachsen, Deutschland und der Welt gibt es in unserem Newsblog.

Wegen der angespannten Lage will Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) ab kommendem Dienstag den Notbetrieb über die komplette Stadtverwaltung verhängen. Dem muss aber noch der Gesamtpersonalrat zustimmen. Ab dann wird nur noch das Personal vor Ort zum Einsatz kommen, welches zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs und zur Erledigung der priorisierten Aufgaben dringend nötig ist. Vom Land fordert Hilbert einen "klaren Fahrplan". Die Verkehrsbetriebe streichen ihr Angebot zusammen. Andere sächsische Verkehrsunternehmen melden hohe Krankenstände, wie der MDR berichtet.

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