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Politik in Sachsen – Die Morgenlage

+++ Kretschmer warnt vor "Fünfter Welle" +++ Einschränkungen bei Telegram? +++ Wirbel um Freibergs Vize-OB +++ Dulig contra Alstom +++

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Eine Bürgermeisterin in Ostsachsen wirbt an der Rathaustür für Mitmenschlichkeit und Sachlichkeit in der Pandemie.
Eine Bürgermeisterin in Ostsachsen wirbt an der Rathaustür für Mitmenschlichkeit und Sachlichkeit in der Pandemie. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Guten Morgen,

29 von 132 Corona-Todesfälle in Deutschland gingen gestern laut Robert-Koch-Institut auf das Konto von Sachsen, die Infektionszahlen sind nach wie vor schwindelerregend hoch, führende Politiker müssen um ihr Leben fürchten - und dann droht noch die Omikron-Variante, die in Sachsen angesichts der jetzt schon vollen Kliniken verheerende Folgen haben könnte. Zugegeben, es ist gar nicht so leicht, in diesen Tagen optimistisch auf die kommenden Wochen zu blicken. Seitdem die Infektionszahlen in Sachsen so stark gestiegen sind, folgt eine schlechte Nachricht auf die nächste. Überregionale Medien fragen zurecht: Was ist los in Sachsen? Deutungen und Erklärungsversuche gab es in den vergangenen Tagen etliche.

Ich möchte Ihnen zum Wochenbeginn zwei Texte ans Herz legen, die ein anderes Sachsen zeigen. Von Menschen, die sich gegen den bei Corona-Protesten gesäten Hass wehren. Von Menschen, die trotz aller Schwierigkeiten nicht aufstecken.

Da ist zum einen die Bürgermeisterin von Ebersbach-Neugersdorf, die am Freitag an der Rathaustür ein Schild in auffälliger Größe hat anbringen lassen - ein Aufruf zu Sachlichkeit, Mitmenschlichkeit und Respekt. Die Chancen stehen gut, dass das Beispiel Mode macht. Und da sind zum anderen einige Unternehmer in Ostsachsen, die sich trotz der schwierigen Lage nicht unterkriegen lassen und nach neuen Wegen suchen, Geld zu verdienen. Oder die Krise nutzen, um kreativ zu werden. Wie eine Pensionsbetreiberin, die jetzt einen neuen Geschäftszweig konzipiert hat.

Und zum Dritten möchte ich Ihnen einen Artikel meines Kollegen Oliver Reinhard empfehlen - vor allem, wenn Ihnen das Gerede von der Spaltung der Gesellschaft auf den Corona-Demos auch so auf die Nerven geht. Zitat aus dem Text: "Eine Gesellschaft, erst recht die äußerst vielschichtige und differenzierte einer liberalen Demokratie, ist nicht gespalten, bloß weil über zentrale Fragen des Zusammenlebens, der Gestaltung des Miteinanders und der Politik – gerade der Corona-Politik – Uneinigkeit herrscht."

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die neue Woche. Bleiben Sie (epidemiologisch) negativ - und ansonsten positiv.

Ihr Tobias Winzer, Politikredakteur sächsische.de


Die wichtigsten News am Morgen

+++ Kretschmer: "Fünfte Welle steht vor uns" +++

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat angesichts der sich ausbreitenden Omikron-Variante vor einer fünften Corona-Welle gewarnt. "Die fünfte Pandemie-Welle steht unmittelbar vor uns", sagte Kretschmer am Sonnabend laut eines Berichts der Leipziger Volkszeitung bei einer Online-Konferenz des Bürgerrates "Forum Corona". Die neue Omikron-Variante sei mindestens zwei Mal so ansteckend wie die Delta-Mutation. Man müsse vorbereitet sein, so Kretschmer – dazu gehöre vor allem, "dass wir die Krankenhäuser leer bekommen".

Die Landesregierung hatte am Freitag weitgehend die Verlängerung der bisherigen harten Corona-Maßnahmen bis zum 9. Januar beschlossen. Die Regeln sind ab heute gültig. Wichtigste Neuerung sind ein Böllerverbot zu Silvester sowie die Schließung von Gaststätten und Cafés in Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer Inzidenz von mehr als 1.500. Davon betroffen ist heute zunächst der Landkreis Meißen. Liegt auch der Landkreis Mittelsachsen heute über der Marke, kommt die Regelung dort am Dienstag. Sächsische.de fasst das Regelwerk zusammen. Bundestag und Bundesrat hatten am Freitag außerdem unter anderem eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen beschlossen.

Kretschmer hatte sich Ende der vergangenen Woche skeptisch gezeigt, dass die Maßnahmen ausreichen. Im Vergleich zu Bayern und Österreich sei es im Freistaat bisher nicht gelungen, die vierte Welle zu brechen. Der Tagesspiegel fasst die Aussagen zusammen.

+++ Einschränkungen für Telegram? +++

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat sich erneut für Einschränkungen innerhalb des Messengerdienstes Telegram ausgesprochen. Kretschmer sagte der Bild am Sonntag, dass die Betreiber der App gegen Hetze vorgehen müssten. Es könne nicht sein, dass dabei zugeschaut werde, "wie in ihrem Netzwerk Morddrohungen verbreitet werden". Kretschmer forderte: "Andernfalls muss die EU, muss die Bundesregierung, müssen Apple und Android die Nutzung einschränken." Auch Zeit Online berichtet.

Die Investigativ-Journalisten Arndt Ginzel und Henrik Merker hatten in einem Bericht für das ZDF-Magazin Frontal gezeigt, wie sich die Kommunikation in einer Telegramgruppe über Anschlagspläne gegen Kretschmer aus dem virtuellen Raum in die Realität verlagert hat. Im Podcast von sächsische.de berichten die Journalisten von ihrer verdeckten Recherche.

+++ Freibergs Vize-OB unter Druck +++

Der stellvertretende Bürgermeister von Freiberg, Holger Reuter (CDU), steht nach einer umstrittenen Aussage über den Umgang mit Ungeimpften in der Kritik. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) spricht Reuter über den Druck, der auf Ungeimpfte ausgeübt wird. Er sieht demnach ein "Kesseltreiben gegen die Ungeimpften". Das werde "vorgenommen in einer Art und Weise, dass die Ungeimpften sich fühlen wie die Armenier damals in der Türkei, wo dann zum Teil eine Ausrottung stattfand". Nicht die Ungeimpften seien schuld an der Lage in den Krankenhäusern, sondern die Geimpften mit ihrer Nachlässigkeit.

Freibergs Oberbürgermeister Sven Krüger (parteilos) forderte eine Klarstellung von Reuter und legte ihm nah, ansonsten sein Amt zur Verfügung zu stellen. Reaktionen kamen auch aus der Landespolitik von Linke-Fraktionschef Rico Gebhardt und CDU-Generalsekretär Alexander Dierks. Reuter bestreitet die Äußerungen aber. Die Leipziger Volkszeitung und die Freie Presse berichten.

Derweil hat sich der sächsische Vize-Ministerpräsident und Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) gegen eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. "Als Politiker, der gesellschaftliche Folgen von Entscheidungen in all ihrer Breite im Blick haben muss, setze ich auf die Mündigkeit der und des Einzelnen", schrieb er in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel. Zwar sei die verfassungsrechtliche Abwägung, wonach eine Impfpflicht ein milderes Mittel als wiederholte Lockdowns seien, grundsätzlich richtig. "Aber weil etwas verfassungsrechtlich zulässig ist, heißt das nicht, dass es politisch geboten ist", schrieb Günther. Wie das Meinungsbild zu dem Thema ist, zeigt auch eine Umfrage im Landkreis Bautzen.

+++ Dulig zu Alstom-Plänen: "Völlig inakzeptabel" +++

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hat den angekündigten Stellenabbau bei Alstom in Bautzen und Görlitz als "völlig inakzeptabel" bezeichnet. Die Entscheidung sei weder wirtschaftlich klug noch nachvollziehbar, schrieb er unter anderem auf Twitter. Er wolle nun mit dem neuen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) darüber sprechen. Kritik kam am Sonntag laut einer Mitteilung auch von den Grünen.

Burkhard Reuter, der Alstom Deutschland-Chef, hatte die Botschaft der Görlitzer Belegschaft in einer Online-Betriebsversammlung am Freitagmorgen verkündet. Wegen der schlechten Auftragslage, die auch auf längere Sicht noch so bleiben wird, könnten nicht alle Mitarbeiter weiter voll beschäftigt werden. Im Klartext: 400 Leute soll es innerhalb der nächsten drei Jahre treffen - damit sind ausschließlich Festangestellte gemeint. Das ist knapp die Hälfte der 900 Mitarbeiter. Auch Bautzen trifft es. Hier plant Alstom, etwa 150 von 1.000 Mitarbeitern zu kündigen.


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